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Streit um Millionen-Förderung: Die Games-Branche zockt um ihre Zukunft


Milliardengeschäft mit Spielen
Die deutsche Games-Branche zockt um ihre Zukunft

Von Ali Vahid Roodsari

Aktualisiert am 23.08.2019Lesedauer: 4 Min.
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"Komm ich nicht drauf klar": Das sagen Gamescom-Besucher zu steigenden Preisen für Spiele und Zubehör. (Quelle: t-online)

Mit Games werden Milliarden erwirtschaftet. Doch Deutschland profitiert kaum davon. Die hiesige Videospiele-Branche hätte ein paar Vorschläge, wie sich das ändern ließe.

Andreas Scheuer brauchte nur zwölf Worte, um viele besorgte Menschen wieder glücklich zu machen: "In jeder meiner Prioritätenliste steht die Förderung der Games-Branche an erster Stelle", sagte der Verkehrsminister am Dienstag zum Start der Gamescom.

Sicher war das bisher nicht. Zwar versprach die Regierung im Koalitionsvertrag eine Games-Förderung, und tatsächlich wurden für 2019 Subventionen in Höhe von 50 Millionen Euro geplant. Doch im Bundeshaushalt für 2020 fehlt bisher diese Summe. Kritiker vermuten sogar, dass Scheuer den Betrag wegen seiner geplatzten Pkw-Maut einsparen will. Auf der Gamescom betonte der Minister aber, dass er dafür "fighten" werde, damit die Förderung vom Parlament auch für 2020 bewilligt wird.

Mit seiner Aussage erleichterte Scheuer viele Gaming-Vertreter. Die mahnen seit Jahren zu einer Förderung: Denn im internationalen Vergleich schwächelt die deutsche Games-Branche. Subventionen seien notwendig – denn durch Games, so argumentieren Experten, kann nicht nur die technologische Entwicklung gefördert werden, sondern auch die Wirtschaft profitieren.

Games haben Technologie-Potenziale

So betonten auch verschiedene Politiker die Wichtigkeit von Games: Scheuer bezeichnete auf der Gamescom Videospiele als "der Treiber der Digitalisierung". Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer sprach von einer "wichtigen Innovations- und Zukunftsbranche". Kanzlerin Merkel sagte bei ihrer Gamescom-Eröffnung 2017 sogar, Computerspiele "können Begeisterung für Wissenschaft und Technik entfachen". Und Tankred Schipanski, digitalpolitischer Sprecher der Union, sagte im Interview mit Deutschlandfunk, dass Spiele ein Treiber für Innovation sind: "Es geht hier um Bereiche wie künstliche Intelligenz und es geht um eine Treiberstellung für andere Wirtschaftsbereiche", sagte Schipanski. So inspiriere die Game-Branche die Filmwirtschaft, Architektur und Baubranche. Und: "Durch diese Game-Branche werden die sogenannten MINT-Fächer, Mathematik, Informatik, Technik, Naturwissenschaften, gestärkt."

Das Unternehmensblatt "Digitaler Mittelstand" listet auf seiner Website technische Beispiele, die ihren Weg von Games in die Industrie gefunden haben. So werden Vorteile von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) in der Logistik oder für Verbraucher genannt – beispielsweise in Form der VR-App von Ikea, mit der Kunden mit dem Smartphone ihre Wohnung einrichten können. Auch erwähnt "Digitaler Mittelstand" die Vorteile von künstlicher Intelligenz für Unternehmen oder wie Gamification Teamarbeit, Ausbildung und Marketing optimieren kann.

Deutsche Games-Branche schwächelt

Daneben soll von einer starken Games-Branche auch die deutsche Wirtschaft profitieren. Zwar verzeichnete der Games-Markt in Deutschland 2018 Rekordumsätze in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro. Doch davon fielen nur ein Bruchteil auf deutsche Entwicklungen: 135 Millionen, also ein Marktanteil von 4,3 Prozent. Das schreibt der Branchenverband game in seinem Jahresbericht 2019. Zum Vergleich: Der Marktanteil deutscher Kinofilme betrug 2018 23,5 Prozent.

Ein Grund dafür seien laut game die schlechten Bedingungen in Deutschland: Im Vergleich zu Ländern mit Games-Förderung – wie Kanada, Frankreich, Großbritannien oder Polen – koste es Studios in der Bundesrepublik bis zu 30 Prozent mehr, ein Spiel zu entwickeln. Die Folgen erklärt Felix Falk, Geschäftsführer von game, in einem Gespräch mit "t3n": "Gerade die großen Produktionen, die Blockbuster im Spielebereich, entstehen darum nicht hier", sagt Falk. Die seien nämlich teurer als viele Filmproduktionen und etwa 200 Menschen arbeiten mehrere Jahre an einem Spiel. "Wenn wir bei der Finanzierung so einer Produktion nicht mithalten können, wandern die Leute ins Ausland", so Falk.

Eine Games-Förderung würden laut Falk darum auch bestehende Arbeitsplätze sichern. Tatsächlich arbeiteten in den vergangenen Jahren immer weniger Menschen in der deutschen Games-Branche: Waren 2016 knapp 12.900 Menschen bei bei Entwicklern und Publishern beschäftigt, beträgt die Zahl 2019 derzeit etwa 11.000 Menschen. Zum Vergleich: In den USA arbeiteten 2017 etwa 65.000 im direkten Gaming-Bereich, so die Entertainment Software Association in einem Bericht.

Games-Förderung soll sich lohnen

Solche Probleme soll eine Games-Förderung lösen. In anderen Bereichen wie dem Film sind Förderungen seit vielen Jahren Normalität. So wurde "Inglourious Basterds" mit knapp 6,8 Millionen Euro aus Steuergeldern bezuschusst. Das sollte garantieren, dass der Streifen auch in Deutschland gedreht wird. Die deutsche Filmwirtschaft selbst erhielt 2018 Fördermittel von mehr als 73 Millionen Euro, wie die Filmförderungsanstalt berichtet.

Eine Studie der Hamburg Media School von 2017 bekräftigte das kulturelle und wirtschaftliche Potenzial von Games. Eben aus solchen Gründen billigte die Regierung für 2018 einen Förderfonds in Höhe von 50 Millionen Euro. Bisher gab es das nur auf Landesebene. So förderte Bayern 2018 mit 1,9 Millionen Euro die Produktion "hochwertiger und gewaltfreier Computerspiele".

Durch eine Förderung auf Bundesebene sollen Entwickler unabhängig vom Standort Finanzspritzen für ihre Projekte erhalten. Auf Anfrage von t-online.de sagt Falk, dass sich solche Investitionen langfristig auch für Deutschland lohnen werden: "Die Erfahrungen aus Frankreich zeigen: Pro Förder-Euro werden dort acht Euro zusätzliche Investitionen sowie 1,80 Euro zusätzliche Steuer- und Sozialabgaben generiert", sagt Falk. "Für Deutschland hieße das 400 Millionen Euro an zusätzlichen Investitionen sowie 90 Millionen an extra Steuereinnahmen."

Zudem sollen die Subventionen neue Studios ins Land locken und mehr Gründungen ermöglichen: "Arbeitnehmer der Games-Branche sind aufgrund ihrer Expertise im Bereich IT und Software hochqualifizierte, international gefragte Fachkräfte", sagt Falk. "Will Deutschland als Digitalstandort nicht völlig den Anschluss verlieren, gilt es, dieses Fachwissen im eigenen Land zu halten und auszubauen."

Spiele sollen deutsche Geschichte erzählen

Aber Games sind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell bedeutend. Darum würdigte der Deutsche Kulturrat 2008 Games als Kulturgut. Polen ist einen Schritt weiter: Dort schenkte 2011 der damalige Premierminister Donald Tusk dem Ex-US-Präsidenten Barack Obama als Begrüßungsgeschenk "The Witcher 2". Das Rollenspiel wurde in Polen entwickelt und basiert auf den Büchern des polnischen Autors Andrzej Sapkowski. Das Werk enthält Elemente slawischer Mythologie, die durch die "The Witcher"-Games weltweit verbreitet wurden. In Polen selbst gab es sogar eine limitierte Briefmarke mit dem Konterfeit des "The Witcher"-Helden Geralt von Riva.

Für Falk ist es darum nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht wichtig, dass es mehr Spiele "Made in Germany" gibt: "Das Ganze ist eine Situation, wo wir ranmüssen, um auch wirklich unsere Geschichten aus Deutschland zu erzählen", sagt Falk im Podcast von "t3n". "Und nicht nur zu konsumieren, weil im Ausland entwickelt wird."

Update 23.08.2019: Der Text wurde mit Aussagen von Felix Falk erweitert und entsprechend angepasst.

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