Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung ĂŒbernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Clubhouse ist elitÀr und undemokratisch
Es wird viel geschrieben um die neue App namens "Clubhouse". Was ĂŒber dem SkandĂ€lchen um Bodo Ramelow kaum zur Sprache kommt: das undemokratische Prinzip dahinter.
"Guten Abend, danke fĂŒr die Einladung. Ich heiĂe Nicole Diekmann, ich arbeite als Korrespondentin beim ZDFâŠ" â "LĂŒgenpresse, LĂŒgenpresse!" â "Entschuldigung, bevor Sie so was behaupten, belegen Sie doch bitte solche Unterstellungen. Und ich wĂŒrde gerne ausreden. Also, ich arbeite beim ZDF ..." â "Ja klar, du GEZ-Hure! Ihr vom Staatsfernsehen hĂ€ngt hier rum, statt zu arbeiten! Von meinem Geld!"
So stelle ich mir Clubhouse vor. Zumindest, wenn es offen wĂ€re fĂŒr alle. Denn solche freundlichen Zuschriften bekomme ich quasi tĂ€glich, melde ich mich bei Twitter, Facebook oder auch Instagram zu Wort. Da können alle mitmachen, und die Folge ist: Da gehört Hassrede zur Tagesordnung.
In sozialen Netzwerken gehört Hassrede zur Tagesordnung
Aber Clubhouse ist anders. Neben dem gröĂten augenscheinlichen Unterschied, dass dort das gesprochene und nicht das geschriebene Wort gilt, denn es ist ja eine Audio-App, ist der Kreis dort nĂ€mlich erlesen. Erstens aus technischen GrĂŒnden: Momentan lĂ€uft die App nur auf iPhones. Aber auch aus sozialen: Ins Klubhaus gelangt man per Einladung. Und unter dem eigenen, und zwar dem echten Namen, unter dem man sich registrieren muss, steht, von wem man eingeladen wurde. Benimmt man sich daneben, kann man rausfliegen, und der Person, auf deren GeheiĂ man mitmachen durfte, droht dasselbe.
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politik-Berichterstatterin. Ganz anders, nĂ€mlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter â wo sie bereits Zehntausende Fans hat. In ihrer Kolumne auf t-online filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet.
Das ist eine direkte Reaktion auf das Gift und die GĂŒlle, die auf den anderen, oder, prĂ€ziser: allen anderen Social-Media-Plattformen nonstop ausgekippt werden, und die dadurch unsere Demokratie, die auf gegenseitigem Respekt und Anstand basiert, gefĂ€hrden. Twitter, Facebook, YouTube stinken nach dem Rassismus, Antisemitismus und den anderen gefĂ€hrlichen PhĂ€nomenen dort, derer sie allen Beteuerungen zum Trotz nicht Herr werden.
Bei Clubhouse will man das nicht â und schottet sich ab
Also hat man sich bei Clubhouse gedacht, man macht es anders und hĂ€lt den Laden sauber, indem man die Mitglieder gleichzeitig zu TĂŒrsteherinnen und TĂŒrstehern macht. Rein kommt nur, wer sich benehmen kann.
Ich muss zugeben: Das hat seinen Reiz. Der Mob. Die Gereiztheit. Die Algorithmen, die Zuspitzungen geradezu erzwingen und differenzierte Debatten gar nicht erst einpreisen. Die Blasen, die inzwischen oft verhÀrtete Fronten sind. All das nervt. All das ist bis jetzt anders bei Clubhouse.
Aber: Ist das wirklich das, was wir wollen? Uns abschotten? Abgesehen davon, dass wir uns so wieder eine kleine, wenn auch wirklich anstĂ€ndige Blase basteln â schauen wir uns doch mal an, wer da unterwegs ist.
Viele Politikerinnen und Politiker, viele Medienschaffende. Nicht nur die HinterbĂ€nkler, sondern auch die erste Garde. Kanzleramtschef Helge Braun ist dabei, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und auch Springer-Chef Mathias Döpfner, den die Welt bis dato noch auf keiner sozialen Plattform angetroffen hat. Ihn dĂŒrfte die erlesene und interessante Riege gelockt haben, und sicherlich auch, dass er sich nicht von Nutzern mit Namen wie "Widerstand1000" oder "Penispropeller" beschimpfen lassen muss.
Das ist mehr als verstÀndlich. Und es ist nicht gut.
Ein gemeinsamer Club, in dem Medienschaffende und Politikerinnen und Politiker viel Zeit miteinander verbringen, also Menschen, deren Aufgabe es vielfach eigentlich ist, fĂŒr die öffentliche Allgemeinheit da zu sein? Und deren Distanz zueinander ein wichtiges Element funktionierender Demokratien darstellt? Und das bei geschlossener TĂŒr?
Bodo Ramelow nannte die Kanzlerin dort "Merkelchen"
Dass Bodo Ramelow sich dort vor Publikum dermaĂen in Plauderei verlor, dass er Angela Merkel, immerhin noch Bundeskanzlerin, "Merkelchen" nannte und ausplauderte, dass er in den Bund-LĂ€nder-Treffen zur Corona-Krise "Candy Crush" spielt, ist bestimmt zu einem Teil der Persönlichkeit Ramelows geschuldet. Zu einem anderen aber wohl auch der Tatsache, dass eine dermaĂen kuschelig-kumpelige AtmosphĂ€re entstand, dass ThĂŒringens MinisterprĂ€sident dachte, hier könne er so was mal raushauen.
Ei, ei, ei.
Sowohl im Journalismus als auch in der Politik sind Menschen seit Jahren Anfeindungen ausgesetzt wie lange nicht. Die sozialen Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. Paradoxerweise drohen beide Berufsgruppen gerade auf einer Plattform, die als Gegenbewegung dazu entstanden ist, das Klischee zu bedienen: abgehoben zu sein und gemeinsame Sache zu machen.
Ein weiterer schwieriger Punkt, den alle sozialen Plattformen und Messengerdienste gemein haben: das Problem mit dem Datenschutz. Wer die eigenen Leute einladen will zu Clubhouse, muss dafĂŒr erst mal seine Kontakte freigeben. Die Unions-Fraktion im Bundestag zieht bereits erste Konsequenzen: Die App soll von den Handys der Fraktionsmitglieder gelöscht werden. Wer sie schon hat, solle sie besser wieder entfernen, heiĂt es.
Ausgerechnet die Staatsministerin fĂŒr Digitalisierung scheinen beide Themen â Ausschluss der Ăffentlichkeit und mögliche Datenlecks â nicht anzufechten: Die CSU-Politikerin Dorothee BĂ€r kĂŒndigte am Dienstag auf Twitter ein Panel bei Clubhouse zum Thema "Digitalstrategie der Bundesregierung" an. Kritische Nachfragen wischte BĂ€r spĂ€ter, ebenfalls auf Twitter, weg: Es gĂ€be ja vorher eine Pressekonferenz zum Thema â und fĂŒgte sĂŒffisant hinzu: "Live. In Farbe. Und bunt. Danach um 12 Uhr erst auf Clubhouse. Also totaler Wettbewerbsnachteil fĂŒr die, die auf ExklusivitĂ€t setzen ... ;-)"
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Zu einem entscheidenden Unterschied schrieb BĂ€r allerdings nichts: Pressekonferenzen dienen dem Zweck, dass Journalistinnen und Journalisten dort kritisch nachfragen und die Antworten darauf in ihrer Berichterstattung verwenden können. Clubhouse hingegen beruht auf dem Prinzip, dass von den dort besprochenen Inhalten nichts nach auĂen dringen darf.
Auch eine Antwort auf die Nachfrage, ob sie es denn wirklich ĂŒberhaupt nicht diskussionswĂŒrdig finde, wenn Strategien der Bundesregierung auf einer aktuell geschlossenen Plattform diskutiert wĂŒrden, blieb BĂ€r zunĂ€chst schuldig. Vielleicht weiĂ sie selbst, dass die Sache problematischer ist, als sie glauben machen will.