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Ring-Chefin Leila Rouhi im Interview: "Europa ist uns hier einfach schon voraus"


Datenschutz bei Ring
"Europa ist uns hier einfach schon voraus"

  • Jan Mölleken
InterviewVon Jan Mölleken

Aktualisiert am 22.03.2022Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Ring Video DoorbellVergrößern des Bildes
Ring Video Doorbell (Quelle: Ring)

Das Unternehmen Ring ist bekannt für seine Video-Klingel und weitere Überwachungsgadgets. Leila Rouhi, Amazons Verantwortliche für Datenschutz, im Interview über menschliche Abgründe, technische Herausforderungen und den europäischen Datenschutz als Segen.

Smarte Geräte, die eine bessere Sicherheit fürs eigene Zuhause versprechen, werden immer beliebter – werfen aber auch einige Fragen auf – vor allem was Themen wie Privatsphäre und Datenschutz angeht. Eines der bekanntesten Unternehmen in diesem Bereich ist das Unternehmen Ring. Mit seiner Video-Türklingel erlaubt es, dass Nutzer von überall aus sehen können, wer gerade klingelt – oder sich im Bereich der Haustür bewegt.

Mittlerweile hat Ring nicht nur eine ganze Reihe verschiedener Modelle seiner Video-Türklingel herausgebracht, sondern auch viele andere Geräte – ein Flutlicht mit Kamera für den Garten, Alarmanlagen und mehr. Wie aus einem kleinen Start-up eines der führenden Unternehmen in dem Sektor wurde, welche Herausforderungen dieses Geschäftsfeld mitbringt, warum sich die breite Masse noch immer mit Smart Home schwertut und wie Ring mit den hohen Datenschutzanforderungen in Europa umgeht – darüber haben wir mit Leila Rouhi gesprochen.

Die Juristin leitete vier Jahre lang als Präsidentin das Unternehmen Ring und ist seit wenigen Tagen beim Mutterkonzern Amazon als "VP of Trust & Privacy" verantwortlich für Themen wie Datenschutz und das Nutzervertrauen.

t-online: Vor sechs Jahren war Ihr Unternehmen nicht viel mehr als sein erstes und einziges Produkt: Eine Video-Türklingel. Wie hat das angefangen und was hat sich seitdem geändert?

Leila Rouhi: Ja, wir haben mit der Video-Klingel gestartet. Unser Gründer Jamie Siminoff ist damals, 2013 zu Shark Tank (Anm.: das US-Vorbild der Sendung “Höhle der Löwen”) gegangen – und keiner der Sharks wollte investieren.

Eine Entscheidung, die man dort sicherlich bereut – fünf Jahre später kaufte Amazon Ring für 839 Millionen Dollar.

Ja, Jamie glaubte an die Idee und investierte selbst. Die Prämisse von Ring war immer schon: ‘Wie bietet man den Menschen einfache, klare Sicherheit und wie können wir unsere Technologien nutzen, um unsere Nachbarschaften sicherer zu machen? Den Anfang machte hier die Türklingel – einfach deshalb, weil das der Ort ist, wo alles passiert: Wo sich unsere Familie oft versammelt, wo die Menschen vorbeikommen, einfach der Ort, wo gute und schlechte Dinge in einem Haushalt beginnen.

Aber dabei blieb es nicht, wenn man sich Ihr heutiges Produktportfolio anschaut.

Ja, von da aus haben wir uns einfach gefragt, wie man diesen Ring der Sicherheit erweitern könnte. Und wir haben uns gefragt: Was könnten die Menschen noch wollen – Kameras in ihrem Zuhause? Flutlicht für den Garten? Oder einen Alarm? Von diesen Überlegungen aus haben wir unser Angebot langsam erweitert. Wissen Sie, wir glauben, dass jeder etwas hat, was er beschützen möchte, ganz egal wo er wohnt, wie viel Geld er verdient und in was für einem Zuhause er lebt. Und wir wollen, dass unsere Produkte für alle funktionieren: Für unsere Eltern, für Studenten, Familien, Singles, Menschen mit und ohne Haustiere – und dabei sollen sie erschwinglich und einfach bedienbar sein. Das ist unser Fokus.

Sie betonen, dass Sie nicht nur das einzelne Zuhause, sondern ganze Nachbarschaften sicherer machen wollen. Wie soll das gehen?

Wissen Sie, jeder von uns denkt Sicherheit auf einer individuellen Basis – aber die Wahrheit ist: Sicherheit passiert nicht einfach durch etwas, was ein Einzelner tut. Und deshalb reicht es nicht, eine Kamera auf seinem Grundstück zu installieren – man muss Möglichkeiten schaffen, dass Gemeinschaften zusammenarbeiten. Ich weiß – es gibt unsere Neighbours-App noch nicht in der EU. Aber genau das ist ein Weg, wie diese Menschen etwa wichtige Sicherheitsinformationen miteinander teilen können. Meine Nachbarin hat damit zum Beispiel gewarnt, dass es ein paar Blocks weiter ein Schlagloch gibt, das ihr beim Drüberfahren einen Platten beschert hat. Das ist zwar nur eine kleine Sache, aber sie kann das Leben der Menschen positiv beeinflussen. Und so können wir eben zusammen sicherere Gemeinschaften schaffen.

Wie wird die App denn genutzt? Kann das nicht auch zu einer unnötig angsterfüllten Stimmung führen, wenn sich die Leute dort auch Dinge erzählen wie: 'Ich habe da diese verdächtig aussehende Person auf meinem Ring-Kamera-Video gesehen – passt auf'?

Wir haben viel Arbeit investiert, damit genau so etwas nicht passiert. Wir Menschen haben manchmal die Tendenz, jeden, den wir nicht erkennen oder der nicht dorthin zu gehören scheint, direkt als Bedrohung wahrzunehmen. Aber das spiegelt meist nicht die Realität wider. Diese Personen haben oft einen guten Grund, da langzugehen. Deshalb ist es in unserer App etwa nicht möglich, Personen zu melden, solange sie nicht tatsächlich etwas Illegales tun – also wenn Sie etwa beobachten, wie jemand ein Paket von einem fremden Grundstück klaut. Solche Richtlinien sind wichtig. Denn wenn man in der App nur einen Haufen unbestimmter Warnungen sehen würde, wäre es nicht hilfreich und würde nur dazu beitragen, Vorurteile zu verstärken.

In diesem Zusammenhang lassen sich menschliche Vorurteile ja vermutlich nur schwer umgehen. Wie schätzen Sie denn die Chancen ein, dass Sicherheitskameras wie etwa die von Ihrem Unternehmen in absehbarer Zeit verdächtige Handlungen und Personen automatisch und ohne Vorurteile erkennen können?

Ich kann mir natürlich eine Welt vorstellen, wo wir Technologie nutzen, um Vorurteile auszuschalten oder zumindest dank mehr Daten und Informationen zumindest bessere Entscheidungen treffen können. Teilweise geschieht das auch schon: Wir können etwa automatisch erkennen, wenn ein Päckchen geliefert wird. Anstatt also jedes Mal eine Benachrichtigung an das Handy zu schicken, wenn jemand an der Tür ist, kann man auch auswählen, dass die Benachrichtigung nur erfolgt, wenn ein Paket geliefert wird. Hier sehen wir, wie Technologie smarter und damit auch nützlicher wird.

Aber damit Smart Home den Menschen helfen kann, muss es ja überhaupt erst mal von den Menschen eingesetzt werden. An Geräten mangelt es heute nicht. Trotzdem scheint das Thema noch immer auf eine kleine Gruppe Technik-Begeisterter beschränkt zu bleiben. Was muss denn in den kommenden fünf Jahren passieren, damit das Thema Smart Home auch in der Breite ankommt?

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Ich stimmte da mit Ihnen überein: Diese Geräte fühlen sich für viele Menschen noch immer unzugänglich an: Sie müssen sie mit Ihrem Internet verbinden, dafür Ihr Wifi-Passwort kennen, Accounts einrichten, sich dort einloggen. In den sechs Jahren, die ich bei Ring bin, habe ich gesehen, dass die Unternehmen gewaltige Schritte unternommen haben, um all diese Prozesse zu vereinfachen. Ein Beispiel ist auch das frustfreie Setup, das Amazon bietet, wo man nicht alles eingeben muss und die Einrichtung schnell und sicher klappt. Trotzdem glaube ich, dass die Benutzung und Einrichtung der Geräte noch immer die größte Barriere für die Menschen darstellt, sich ein Smart-Home-Gerät zu kaufen. Und deshalb müssen sich die Unternehmen weiterhin nach Kräften anstrengen, damit die Nutzer ein Produkt einfach aus der Schachtel nehmen und direkt in Betrieb nehmen können – ohne 30 oder 40 zusätzliche Schritte. Ich glaube, wir werden das schaffen, aber wir haben da noch Arbeit vor uns.

Und wie lange wird das noch dauern? Fünf Jahre? Oder sogar zehn?

Ich bin da optimistischer als Sie – ich denke, dass wir innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre bedeutsame Fortschritte sehen werden.

Ring äußert sich in Bezug auf Privatsphäre-Themen meist sehr vorsichtig. So betont Ihr Unternehmen etwa auch, dass es bewusst keine Gesichtserkennung nutzt. Ihre Mitbewerber sind da offener: Googles Sicherheitsmarke Nest etwa nutzt genau das etwa für neue Funktionen in seinen Sicherheitskameras. Geraten Ihre Prinzipien da zum Wettbewerbsnachteil?

Ja, es gibt natürlich immer eine Spannung zwischen Sicherheit und Privatsphäre, die wir versuchen auszubalancieren. Wir versuchen stets Funktionen anzubieten, nach denen unsere Kunden fragen – und Gesichtserkennung bieten wir derzeit in der Tat nicht an. Sollten wir unsere Haltung dazu in Zukunft ändern und eine solche Funktion anbieten, dann so, dass sie für die Kunden sehr gut und exakt funktioniert – aber dass wir uns damit auch wohlfühlen und sicher sind, dass es nicht zu gesellschaftlichem Nachteil oder Schaden führt. Ich würde also nicht ausschließen, dass wir so etwas auch einmal anbieten werden, wenn unsere Kunden das wünschen. Aber derzeit sehen wir da schlicht keinen Bedarf.

Die Einführung einer solchen Funktion dürfte schon im US-Markt nicht ganz trivial sein. Im europäischen Markt ist die Implementierung solcher Dienste – die oft ja auf eine Analyse in der Cloud setzen – zusätzlich die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erschwert. Wie sehen Sie dieses europäische "Problem"?

Die DSGVO fügt sicherlich einen gewissen Grad an Komplexität hinzu – aber ich halte das nicht für ein europäisches Problem. Ich glaube, Europa ist uns in dieser Sache einfach schon voraus und treibt uns an, Privatsphäre und Kundendaten etwas anders zu denken. Wir machen da dann auch keine Unterschiede und wenden dieses Mindset dann auch für unsere Kunden anderswo an.

Immer wieder gibt es von Unternehmensseite die Klage, dass die DSGVO Fortschritt bremse – bei Ihnen klingt das ja fast, als sei das ein Innovationsmotor?

Die DSGVO zwingt uns dazu, Privatsphäre und Nutzerdaten anders zu denken. Aber wir denken nicht, dass unsere Nutzer sich zwischen Innovation und Datenschutz entscheiden sollten. Der Grad an Datenschutz sollte für unsere europäischen Kunden derselbe sein wie für unsere US-Kunden und überall sonst in der Welt. Wir fokussieren uns darauf, Lösungen zu bauen, die für alle funktionieren und für alle den Standard anheben.

Verwendete Quellen
  • Eigenes interview
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