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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Neue Entgleisung Selbst für die AfD höchst unerfreulich

Die AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst hat einen extrem geschmacklosen Post veröffentlicht. Nach internem Druck löscht sie ihn wieder. In der Partei hat sich offenbar etwas verändert.
Es ist eine bemerkenswerte Entgleisung – selbst gemessen daran, was so mancher AfD-Politiker sonst so in den sozialen Netzwerken verbreitet: "An alle Moslems in Deutschland: Was immer du auch isst … Es ist mit Schweinescheiße gedüngt …" Diesen Text hielt die Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst für eine super Idee. Und für eine noch bessere, ihn mit einem Bild von einem Feld, vor dem ein Güllewagen steht, zu hinterlegen. Daneben zwei Männer von hinten in arabischen Gewändern. Und für eine grandiose Idee hielt sie es anscheinend, das Werk zu posten.

Zur Person
Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz". Mehr
Oder sagen wir lieber: das Machwerk. Denn ob Nicole Höchst es auch für anständig hielt, was sie sich da ausgedacht hatte – das weiß nur sie. Schauen wir uns das mal genauer an. Da ist einmal die derbe Wortwahl. Man muss das wollen, sich so drastisch auszudrücken. Höchst, vierfache Mutter und vor ihrer politischen Karriere Schuldirektorin, hat da offensichtlich einen ausgeprägten Willen. Sehr viel stärker ins Gewicht aber fällt Höchsts Haltung gegenüber Muslimen.
Frau Höchst, Katholikin und kirchenpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion, scheint es wichtig zu finden, Menschen muslimischen Glaubens verächtlich zu machen. Mehr noch: Sie scheint es für werbewirksam zu halten. Wer so mit Andersgläubigen umgeht, der trifft auf Beifall und fischt dabei bestenfalls noch ein paar Wählerstimmen ab. So könnte Frau Höchst sich das überlegt haben, bevor sie es in die Welt setzte.
Sie verglich schon Menschen mit Tieren
Es ist nicht das erste Mal, dass Höchst, stellvertretende Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, mit pauschaler Verunglimpfung auffällt. Im Gutachten des Verfassungsschutzes, auf dessen Grundlage er die AfD zu gesichert rechtsextremistisch hochstufte, findet sich ihr Name gleich mehrere Male. Auf Seite 168 zum Beispiel zitiert der Inlandsgeheimdienst einen Beitrag von Höchst, der die Überschrift "Invasive Arten 2.0" trägt. Darin vergleicht Höchst Zuwanderer mit invasiven Arten von Tieren und Pflanzen. Zwar merkt sie darin an, ihr sei die Brenzligkeit bewusst, Menschen mit Tieren zu vergleichen, wie es die Nazis getan hätten. Und: Nichts läge ihr ferner, als irgendwelche Anleihen beim Nationalsozialismus zu nehmen.
Dazu aber schreibt der Verfassungsschutz, auch wenn Höchst betone, dass sie keine Anleihen an der Bildsprache des Nationalsozialismus nehmen wolle, bediene sie rassistische Argumentationsmuster. Der Verfassungsschutzbericht dürfte dazu geführt haben, dass Höchsts gestriger Gülle-Post nicht mehr aufzufinden ist. Sie hat ihn wieder gelöscht.
Kein Applaus aus den eigenen Reihen
Die beiden Partei- und Fraktionschefs, Alice Weidel und Tino Chrupalla, hatten sich nach der Veröffentlichung bei Höchst gemeldet. Nicht mit Applaus. "Der Post ist völlig inakzeptabel und wurde auf Verlangen der Fraktionsvorsitzenden gelöscht", sagt ein Sprecher der Bundestagsfraktion.
Das ist auch deshalb interessant, weil schon sehr oft sehr drastische Posts von AfDlern zu lesen waren. Das erwähnte Gutachten des Verfassungsschutzes strotzt nur so von teilweise wirklich heftigen Postings. Ob damit tatsächlich die Hochstufung zur gesichert rechtsextremistischen Partei gerechtfertigt ist – darüber streiten die Juristen und werden auch Juristen entscheiden. Das will ich mir nicht anmaßen. Was ich aber sagen kann, ist: Da ist schon viel Bemerkenswertes dabei, und das meine ich ausdrücklich nicht im positiven Sinne.
Dass nun im Fall von Nicole Höchst von ganz oben interveniert wird, ist zwar nicht das erste Mal, aber auch bei Weitem nicht die Regel. Oft zieht man sich zurück auf die Aussage, man sei keine Partei wie die anderen und wolle nicht par ordre du mufti agieren.
Die Sorge in der Partei ist groß
Tatsächlich ist die AfD keine Partei wie die anderen. Seit Monaten wird ein möglicher Antrag auf ein Verbotsverfahren diskutiert. Ein solches Verfahren können der Bundestag, die Bundesregierung oder der Bundesrat anstoßen. Eine Partei verbieten kann ausschließlich das Bundesverfassungsgericht.
Im Moment sieht es nicht danach aus, als würde sich eine politische Mehrheit für den Antrag auf das Verfahren finden. Allerdings heißt es aus der AfD, schon die Debatte schade der Partei. Angeblich, so sagte der sächsische Landeschef Jörg Urban kürzlich, wäre man noch erfolgreicher, würde man nicht ständig im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutz genannt. Außerdem ist die Sorge in der Partei groß, dass Beamte die AfD verlassen könnten aus Angst um ihren Job.
Noch sind das fiktive Szenarien, die entweder in der Zukunft liegen oder vielleicht auch nie eintreten. Real aber ist schon jetzt: Man greift dann doch mal schneller durch. Nicole Höchst kann ein Lied davon singen.
Und so sagt ein Post, den es nicht mehr gibt, eine ganze Menge aus über den Zustand der AfD.
- Eigene Meinung