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Impfpflicht in Frankreich beschlossen: Wann folgt Deutschland?


Schutz für die Allgemeinheit
Impfpflicht in Frankreich beschlossen und in Deutschland von vielen gewünscht

Von dpa, afp, t-online
Aktualisiert am 22.03.2015Lesedauer: 5 Min.
Impfen: Sollen Eltern zum Impfen ihrer Kinder verpflichtet werden? Darüber wird nicht nur in Deutschland debattiert.Vergrößern des BildesSollen Eltern zum Impfen ihrer Kinder verpflichtet werden? Darüber wird nicht nur in Deutschland debattiert. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Die Debatte um eine Impfpflicht erhitzt die Gemüter - sowohl in Deutschland als auch in Frankreich. Während Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe angesichts der Masern-Welle in Berlin eine Impfpflicht ins Spiel bringt, hat in Frankreich der Verfassungsrat entschieden, dass sie verfassungsgemäß ist. Wer dort der Impfflicht nicht nachkommt, muss mit hohen Geldbußen bis zu 30.000 Euro rechnen. Dem Entscheid ging eine Debatte voraus, ob die Impfpflicht abgeschafft werden müsse.

Nur in wenigen Ländern Westeuropas gibt es überhaupt noch eine Impfpflicht - darunter Italien und Frankreich. In Deutschland können Erwachsene für sich und ihre Kinder entscheiden, ob und welche Impfungen sie nutzen. Ein Gremium von Experten, die Ständige Impfkommission (STIKO), gibt Impfempfehlungen heraus.

Wenn allerdings zu wenige Menschen geimpft sind, können ansteckende und folgenreiche Krankheiten wie die Masern sich schnell verbreiten. Ein Präventionsgesetz, über das heute im Bundestag beraten wird, soll dazu beitragen, dass mehr Deutsche sich und ihre Kinder impfen lassen. Der Gesundheitsminister sieht die Verantwortung bei Eltern, Ärzten und Kitas. "Wenn das nicht gelingt, darf eine Impfpflicht kein Tabu sein", sagte Gröhe.

Impfpflicht Frankreich: Geldstrafen und Haft bei Missachtung

In Frankreich ist es dagegen schon lange Pflicht, Kinder gegen Diphterie, Tetanus und Kinderlähmung impfen zu lassen. Ohne diese Impfungen werden Kinder nicht in Krippen, Kindergärten, Schulen oder Kinder-Sommerlagern aufgenommen. Gegen Eltern, die diese Impfungen verweigern, können Strafen verhängt werden. Im schlimmsten Fall drohen bis zu zwei Jahre Haft und 30.000 Euro Geldstrafe. Das betrifft auch das Elternpaar Marc und Samia Larère, das nun gegen die Impfpflicht kämpft.

Vergangenen Oktober mussten die Eltern vor dem Strafgericht von Auxerre erscheinen, weil sie ihre dreijährige Tochter und ihr 18 Monate altes Baby nicht impfen lassen wollten. Der Prozess wurde unterbrochen, weil die Eltern zunächst die Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Impfpflicht prüfen lassen wollten.

Der Verfassungsrat in Paris entschied nun, dass die Impfpflicht der "Verfassungsforderung nach einem Schutz der Gesundheit" angemessen sei. Mit der Impfpflicht wolle der Gesetzgeber gegen drei sehr schwere, ansteckende Krankheiten ankämpfen. Zudem sei Vorsorge getroffen, indem die Impfpflicht nicht für diejenigen gelte, bei denen dies aus medizinischen Gründen nicht ratsam ist. Ansonsten stehe es dem Verfassungsrat nicht zu, darüber zu urteilen, ob das Ziel des Gesundheitsschutzes über andere Wege erreichbar gewesen wäre, so lange keine offensichtlichen Verstöße durch die Maßnahmen erkennbar seien.

Impfgegner warnen vor Substanzen in Impfstoffen

In dem Verfahren wurden Fragen aufgeworfen, die auch die Impfgegner in Deutschland umtreiben. So bestehen die Eltern auf einem Impfstoff "ohne Adjuvanzien", also Verstärkerstoffe wie Aluminiumverbindungen, die von Impfgegnern als giftig und schädlich angesehen werden. Vor dem Verfassungsrat geht es daher nun um die Abwägung der Impfpflicht gegenüber dem in der französischen Verfassung garantierten Recht auf Gesundheit.

Die Eltern hatten sich auch gegen Kombi-Impfstoffe gewehrt. Sie kritisieren, dass Impfstoffe gegen Diphterie, Tetanus und Kinderlähmung mit Impfstoffen gegen Keuchhusten, Hepatitis B oder Meningitis kombiniert sind, die wiederum nicht verpflichtend sind. Auf ihren Wunsch hin erhielten die Eltern von einer Pharma-Firma zwar ausnahmsweise Impfstoffe nur für die drei impfpflichtigen Krankheiten, doch diese enthielten nach Angaben der Familie Quecksilber als Zusatzstoff.

Reichen auch Impfempfehlungen für ausreichenden Schutz?

Die Eltern kämpften für die "therapeutische Freiheit". Für Frankreich hätte eine Änderung bei der Impfpflicht weitreichende Folgen gehabt, denn dort wird auch flächendeckend gegen andere Krankheiten geimpft, bei denen die Impfung zwar nicht verpflichtend, aber von den Gesundheitsbehörden empfohlen ist. Dazu zählen Masern, Röteln und Mumps. Diese Impfungen werden auch in Deutschland vom Robert-Koch-Institut empfohlen, ebenso wie die drei in Frankreich verpflichtenden Impfungen gegen Diphterie, Tetanus und Kinderlähmung.

Der Prozess gegen die Eltern im zentralfranzösischen Auxerre kann nun weitergehen. Ihr Anwalt Emmanuel Ludot hob nach der Entscheidung des Verfassungsrates hervor: "Ich hatte gehofft, dass einem Jahrhundert des Impf-Stalinismus ein Ende bereitet würde, aber das ist nicht der Fall. Unser Kampf wird in anderer Form weitergehen."

Auch ohne Impfpflicht wird in Deutschland bei Masern eine Impfquote bei Schulanfängern von bundesweit 96,7 Prozent nach den Zahlen von 2012 erreicht. Für die entscheidende zweite Masernimpfung wurde eine Quote von 95 Prozent allerdings nur in zwei Bundesländern erzielt. Angesichts der jüngsten Masern-Welle sind jedoch auch in Deutschland in akuten Situationen drastische Maßnahmen nicht ausgeschlossen: Kürzlich entschied das Berliner Verwaltungsgericht, dass Schüler ohne Impfschutz vom Unterricht ausgeschlossen werden dürfen.

Impfpflicht wäre in Deutschland möglich

Rein rechtlich ist in Deutschland eine Impfpflicht möglich, erläutert der Medizinrechtler Oliver Pramann in einem Interview mit der Deutschen Nachrichtenagentur (dpa). Im Infektionsschutzgesetz sei verankert, dass unter bestimmten Bedingungen verpflichtende Schutzimpfungen angeordnet werden können, wenn übertragbare Krankheiten mit klinisch schweren Verlaufsformen auftreten und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist - kurzum: schwerwiegende ansteckende Erkrankungen, die sich wahrscheinlich rasch verbreiten. Das könne das Bundesgesundheitsministerium mit Zustimmung des Bundesrates verordnen.

Allerdings müsse dazu geklärt werden, wie gefährlich bestimmte Krankheiten sind, wie groß die Ansteckungsgefahr und damit die Gefahr für die Allgemeinheit. Unter gewissen Umständen trete das Recht des Einzelnen auf seine persönliche Freiheit und körperliche Unversehrtheit hinter dem Gemeinwohl zurück.

Aktuellen Umfragen zufolge befürworten drei Viertel der Deutschen eine Impfpflicht für folgenreiche Krankheiten wie Masern. In einer Emnid-Meinungsumfrage für das Nachrichtenmagazin "Focus" begrüßten 76 Prozent die Forderung nach einer gesetzlichen Impfpflicht für Masern, 17 Prozent waren dagegen. Im Osten Deutschlands sind demnach sogar 90 Prozent dafür. In der DDR gab es eine Impfpflicht für mehrere Krankheiten.

Bundesjustizminister: Impfpflicht als letztes Mittel

Bundesjustizminister Heiko Maas sieht eine Impflicht als das letzte Mittel, um eine Masern-Welle wie in Berlin zu stoppen. Er halte eine solche Maßnahme für "rechtlich nicht ausgeschlossen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Sie sollte aber letztes Mittel sein. Wer nicht impfe, gefährde Gesundheit und Leben aller.

Dagegen halten Kinderärzte gesetzlich verordnete Impfungen für unrealistisch. "Eine generelle Impfpflicht wird sich wegen der Widerstände in der Bevölkerung nicht durchsetzen lassen", sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann, der "Welt". Allerdings fordert er, dass alle Kinder beim Start in eine überwiegend staatlich finanzierte Kita oder Schule einen Impfnachweis vorweisen sollten.

Sogar der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Jan Leidel, steht einer Impfpflicht skeptisch gegenüber. "Eine Masern-Impfpflicht wird nichts bringen. Sie wäre verfassungsrechtlich fragwürdig, praktisch kaum umzusetzen und sie würde im Zweifelsfall sogar solche Menschen auf die Barrikaden bringen, die sich oder Ihre Kinder eigentlich impfen lassen wollten. Mit Druck erreicht man da wenig", sagte er in einem Interview mit der "Wirtschaft-Woche".

Um Impflücken zu schließen und möglichst alle Menschen in Deutschland vor Masern zu schützen, appelliert er an die Ärzte, den Impfschutz ihrer Patienten regelmäßig zu überprüfen und Schutzimpfungen zu empfehlen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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