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Gesundheitsrisiko Fett: Europas Jugend verfettet


Gesundheitsrisiko Übergewicht
Europas Jugend verfettet

Von dpa
09.02.2017Lesedauer: 4 Min.
Übergewichtige Kinder: Forscher nehmen Politiker in die Pflicht.Vergrößern des BildesÜbergewichtige Kinder: Forscher fordern Politiker zum Handeln auf. (Quelle: dpa-bilder)
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Viele Kinder in Europa sind zu dick.

"Allein die Appelle ans gesunde Verhalten und ans gesunde Essen, die bringen es nicht", sagt Wolfgang Ahrens. Der Gesundheitsforscher hat die I.Family-Studie mit rund 10.000 Kindern zwischen sieben und 17 Jahren in acht europäischen Ländern koordiniert. Er ist überzeugt: Auch die Politik trägt eine Verantwortung für die Gesundheit der Kinder.

Das fordern Wissenschaftler: Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, muss stärker reguliert werde.

Deutschland liegt im Mittelfeld

"Die Häufigkeiten von Fettleibigkeit und Übergewicht bei europäischen Kindern verharren auf einem beispiellosen Niveau", heißt es in dem Bericht. Generell gilt: Je weiter man sich in Europa Richtung Süden bewegt, desto mehr dicke Kinder gibt es.

Deutschland belegt beim Anteil übergewichtiger Kinder einen Platz im europäischen Mittelfeld. Demnach waren hierzulande 16,5 Prozent der untersuchten Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren übergewichtig. In Belgien lag der Anteil mit 9,5 Prozent am niedrigsten, in Italien mit 42 Prozent am höchsten. In allen Ländern waren Mädchen eher betroffen als Jungen.

Für die Studie wurden jeweils ländertypische Regionen ausgesucht. Für Deutschland war dies Bremen. Die Ergebnisse seien zwar nicht repräsentativ, erklärt Ahrens. Aber dennoch ist das Ergebnis eindeutig: Zu viele Kinder in Deutschland sind zu dick. Anderen Studien zufolge sind je nach Bundesland zwischen 8,2 und 12 Prozent der Kinder übergewichtig.

Viele Kinder bewegen sich nicht mal eine Stunde am Tag

Nicht einmal ein Drittel der Kinder bewegt sich mindestens eine Stunde täglich. Der Anteil schwankt zwischen zwei Prozent der Jungen auf Zypern und 34 Prozent in Belgien. Deutschlands Kinder liegen dabei im oberen Mittelfeld. Es fahren verhältnismäßig viele Kinder mit dem Rad zur Schule oder laufen. In anderen Ländern würden sie noch öfter im "Eltern-Taxi" kutschiert.

Stadtplaner müssten dafür sorgen, dass es draußen genug Platz zum Spielen und Toben gibt, findet Studienkoordinator Ahrens. "Wir konnten zeigen, dass Kinder, die in einer Umwelt wohnen, die viele Grünflächen bietet und gut mit Radwegen strukturiert ist, sich tatsächlich mehr bewegen."

Diese Kinder sind doppelt benachteiligt

Die I.Family-Studie belegt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Bildung und Ernährung: Kinder aus sozial benachteiligten Familien tendieren besonders stark zu Übergewicht. Nach sechs Jahren waren anfangs schlanke Kinder von Eltern mit niedrigem oder mittlerem Bildungsstand doppelt so häufig übergewichtig wie solche aus Familien mit höherem Ausbildungsniveau.

Die Forscher folgern daraus: Weniger gebildete Eltern achteten seltener auf gesunde Ernährung, stellten seltener Regeln für Süßigkeiten und Sport auf. Und: Sie seien weniger kritisch gegenüber TV-Reklame. "Deren Kinder sind Einflüssen der Werbung schutzlos ausgeliefert", sagt Ahrens.

Werbung verführt zum Naschen

Er fordert strengere Regeln für Werbung, die speziell auf Kinder zugeschnitten ist. Die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie für verantwortungsvollere Werbung wirkten nicht. Eine Kritik, die die Verbraucherorganisation Foodwatch teilt.

Die Studie belegt, wie stark Werbung das Essverhalten von Kindern beeinflusst. Kinder greifen demnach häufiger zu Softdrinks und süßen oder fetten Speisen, wenn sie zuvor Werbung gesehen haben - auch dann, wenn ihre Eltern das verbieten. Sie essen sogar Snacks, die sie eigentlich nicht mögen, bloß weil sie Werbung dafür gesehen haben.

Schulessen muss gesünder werden

Ein weiteres Arbeitsfeld für die Politik: Es müsse endlich durchgesetzt werden, dass in Schulen gesundes Essen auf den Tisch komme, sagt Ahrens.

Vielen Verantwortlichen sei vor allem wichtig, dass die Schulverpflegung preiswert sei, beklagt Helmut Heseker, Ernährungswissenschaftler an der Universität Paderborn. Dann werde der Caterer mit dem günstigsten Angebot ausgewählt, statt der mit dem gesündesten. Die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung würden oft nicht eingehalten.

"Letztlich lassen wir die Familien allein"

Natürlich können Eltern die Lebensweise ihres Kindes mitprägen, etwa indem sie Regeln für Süßigkeiten aufstellen oder mit ihnen Sport treiben. "Aber bereits in der Schulzeit verlieren die Eltern stark an Einfluss", sagt Ernährungsforscher Heseker. Ahrens bekräftigt: "Wenn wir die Familien nicht unterstützen, indem wir die äußeren Bedingungen verändern, dann greifen wir zu kurz. Letztlich lassen wir die Familien dann allein."

Für benachteiligte Verbraucher müsse die Erschwinglichkeit von und der Zugang zu gesunden Lebensmitteln verbessert werden. Dies wirke sich nicht nur auf das Gewicht der Kinder aus, sondern auch auf ihre spätere Gesundheit, etwa die Anfälligkeit für Herz-Kreislauferkrankungen.

Fazit: Freiwillig funktioniert gar nichts

"Bundesernährungsminister Christian Schmidt setzt im Kampf gegen Fehlernährung bei Kindern seit Jahren auf freiwillige Vereinbarungen", teilte die Organisation Foodwatch in einer Reaktion mit. "Dabei ist längst belegt, dass das nicht funktioniert. Die Hersteller machen die größten Profite mit Süßkram, Zuckergetränken und Knabberartikeln. Freiwillig werden sie nicht damit aufhören, genau diese Produkte an Kinder zu bewerben und deren Geschmack schon früh zu prägen."

Reaktion: Verbote bringen auch nichts

Dagegen sieht sich der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) zu Unrecht in der Kritik: "Ein Werbeverbot bringt keine Lösung", erklärte BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff. "Man kann Kinder nicht unter einer schützenden Glocke aufwachsen lassen, bis sie 18 Jahre alt sind. Sie sollten nicht von der Werbung ausgeschlossen werden, sondern sie müssen den Umgang mit ihr erlernen und Werbekompetenz entwickeln."

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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