Wie lange bleibt der Schutz vor Corona bestehen?
Immer mehr Menschen in Deutschland sind gegen das Coronavirus geimpft oder haben die Infektion hinter sich. Doch wie lange hΓ€lt ihr Schutz ΓΌberhaupt an?
Manche Krankheiten wie Masern steht man einmal im Leben durch β und wenn man erneut mit dem Erreger in Kontakt kommt, hat man nichts mehr zu befΓΌrchten. Gegen andere Krankheiten wie Gelbfieber gilt eine einzige Impfung als ausreichend fΓΌr lebenslange ImmunitΓ€t.
WΓ€re der Immunschutz nach Infektion oder Impfung beim Coronavirus genauso stabil, wΓ€re die Pandemie deutlich schneller in den Griff zu bekommen. Doch bei Sars-CoV-2 ist es komplexer. Auch, weil nicht alle Menschen gleich auf Infektion oder Impfung reagieren.
Impfung schΓΌtzt nicht zu 100 Prozent
Trotz des Wegfalls vieler AlltagsbeschrΓ€nkungen fΓΌr Geimpfte und Genesene seit Sonntag sollte man nicht vergessen: Eine Impfung schΓΌtzt nicht zu 100 Prozent und man weiΓ auch noch nicht genau, wie lange der Immuneffekt nach Impfung oder durchgemachter Infektion anhΓ€lt. Klar ist, dass der Schutz mit der Zeit nachlΓ€sst. Bislang gibt es keine Erfahrungswerte ΓΌber lange ZeitrΓ€ume, dafΓΌr sind Virus und auch Impfstoffe einfach zu neu.
Das Virus werde durch Impfungen nicht verschwinden, betonte kΓΌrzlich der PrΓ€sident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler: Sie gΓ€ben zwar eine GrundimmunitΓ€t, die die Erkrankung verhindere oder die Schwere abmildere. "Aber sie verhindern nicht immer, dass eine Infektion mit dem Sars-CoV-2 geschieht." Auch bei Geimpften bestehe ein Restrisiko, dass sie sich infizieren und andere anstecken kΓΆnnen.
Was lΓ€sst sich bisher sagen?
"Die besten Daten, die wir haben, kommen von ehemals Infizierten", sagt der Immunologe Carsten Watzl. FΓΌr Studien wurden Betroffene von der ersten Phase der Pandemie an begleitet. Wissenschaftler interessieren sich etwa dafΓΌr, wie sich AntikΓΆrperspiegel entwickeln: Wie lange bleiben die Abwehrstoffe, die der KΓΆrper gegen Sars-CoV-2 gebildet hat, erhalten?
Es gibt aber dabei nicht den einen Wert, der die ImmunitΓ€t anzeigt. "Es existieren keine internationalen Schwellenwerte, die definieren, ab welchem Punkt man nicht mehr immun ist", erlΓ€utert Watzl, der GeneralsekretΓ€r der Deutschen Gesellschaft fΓΌr Immunologie ist.
Verschiedene Arten von AntikΓΆrpern
Experten unterscheiden mehrere Arten von AntikΓΆrpern, die zumindest wichtige Hinweise zur ImmunitΓ€t liefern. Zwei Beispiele: Die sogenannten IgA-AntikΓΆrper kann man sich als schnelle Eingreiftruppe vorstellen, die etwa im Nasenschleim und in der Lunge vorhanden ist und etwa eingeatmetes Virus unschΓ€dlich macht.
Sogenannte IgG-AntikΓΆrper hingegen werden erst nach einer gewissen Zeit im Blut gebildet, gelten als Teil des ImmungedΓ€chtnisses und haben Einfluss auf die Schwere der Erkrankung. Sollte man sich erneut mit dem gleichen Erreger infizieren, sorgen sie fΓΌr eine rasche Reaktion.
"ImmunitΓ€t von einem Jahr"
Was den Selbstschutz anbelangt β also das Vermeiden von schwerer Krankheit und Tod β rechnen Fachleute mit verlΓ€sslicher Abwehr auch noch nach einiger Zeit: Bisherige Daten von Genesenen zeigten relativ stabile Werte der IgG-AntikΓΆrper im Blut, sagte Watzl. "Da kann man bei vielen Genesenen von einer ImmunitΓ€t von einem Jahr ausgehen."
Es bilden aber nicht alle Infizierten AntikΓΆrper. Diese sind auch nicht allein entscheidend: Die kΓΆrpereigene Abwehr hat auch noch einen zweiten Arm, sogenannte T-Zellen: Diese zerstΓΆren kΓΆrpereigene Zellen, die vom Virus infiziert wurden. Eine US-Studie, die noch nicht von anderen Fachleuten begutachtet wurde, macht aber auch hier Hoffnung auf eine breite, recht lang anhaltende Abwehr.
Verschiedene Impfstoffarten, unterschiedliche Immunantworten
Durch Impfungen rechnet Watzl mit einem noch besseren, mΓΆglicherweise mehrjΓ€hrigen Schutzeffekt vor schweren VerlΓ€ufen bis hin zum Tod: Damit wΓΌrden hΓΆhere AntikΓΆrperspiegel erreicht als bei der natΓΌrlichen Infektion. Die Hoffnung sei, dass die AntikΓΆrper von Geimpften Γ€hnlich lange halten wie die von Genesenen.
Die Nachbeobachtung des US-Herstellers Moderna etwa zeigt bisher, dass AntikΓΆrper mindestens sechs Monate nach der zweiten Dosis bestehen bleiben. Man kann aber nicht pauschalieren: Watzl zufolge bewirken verschiedene Impfstoffarten auch unterschiedliche Immunantworten.
Genesene tragen zur Verbreitung des Virus bei
Weniger langanhaltende Effekte werden fΓΌr den sogenannten Fremdschutz erwartet: Mit der Zeit scheinen Genesene wieder mehr zur Verbreitung des Virus beizutragen. Hier sind die IgA-AntikΓΆrper auf den SchleimhΓ€uten von Interesse: "Man sieht einfach, dieses IgA geht schneller wieder weg als das IgG", sagte der Virologe Christian Drosten kΓΌrzlich im "Coronavirus-Update".
Schwindender Schleimhautschutz kΓΆnnte ihm zufolge auch beim schlimmen Wiederaufflammen der Pandemie in Indien eine Rolle gespielt haben. Insbesondere nach milden VerlΓ€ufen gehe dieser Schutz "nach zwei, drei Monaten" verloren, so Drosten. Nach schweren VerlΓ€ufen halte er lΓ€nger, "sicherlich einige Monate". Auch mehrere durchgemachte Infektionen verlΓ€ngerten den IgA-Schutz.
Γber die Atemwege verabreichte Impfstoffe
Dass dieser Schutz nachlΓ€sst, ist Experten schon lange bewusst, auch bei Geimpften wird der Effekt erwartet. Das hΓ€ngt auch mit dem Ort der Immunreaktion zusammen: Eine Impfung in einen Muskel ruft vor allem AntikΓΆrper hervor, die im Blut zirkulieren β diese wandern aber von dort auch in die Atemwege.
Sinken die Spiegel im Blut, lΓ€sst auch der Schutz der SchleimhΓ€ute nach. Um direkt dort einen guten Schutz aufzubauen, gelten eigentlich ΓΌber die Atemwege verabreichte Impfstoffe als ideal, etwa als Nasenspray. Bis solche PrΓ€parate gegen Sars-CoV-2 marktreif sind, dΓΌrfte aber noch einige Zeit vergehen.
"Wir werden noch ΓΆfter impfen mΓΌssen"
Um die Dauer des Schutzes, aber auch die Breite zu verbessern, arbeiten Hersteller an Auffrischungsimpfstoffen. Drosten zufolge kΓΆnnten diese zum Winter hin zum Einsatz kommen. RKI-Chef Wieler sagte am Freitag, man werde anhand von Studien sehen, wann eine Auffrischung angezeigt sei. "Wir werden noch ΓΆfter impfen mΓΌssen." Aber ZeitabstΓ€nde kΓΆnne man noch nicht benennen.
Besser abgedeckt werden sollen mit Boostern auch neue Virusvarianten, die der Immunantwort entgehen kΓΆnnen. Aktuell sind diese in Deutschland noch selten. Doch mit zunehmendem Anteil von Geimpften und Genesenen in der BevΓΆlkerung kΓΆnnten sie ihre Vorteile gegenΓΌber anderen Varianten ausspielen. Im Fokus sind momentan die in SΓΌdafrika und Brasilien entdeckten Mutanten B.1.351 und P.1.
Eine Dosis pro Saison
Der Chef des Pharmakonzerns Pfizer, Albert Bourla, sagte kΓΌrzlich laut US-Medien, er halte kΓΌnftig jΓ€hrliche Corona-Impfungen fΓΌr mΓΆglich. Eine Aussage, ΓΌber die sich Immunologen wunderten, sagte Watzl: "FΓΌr den GroΓteil der BevΓΆlkerung ist nicht zu erwarten, dass das gesamte Prozedere jedes Jahr wiederholt werden muss."
Eine Dosis pro Saison β Γ€hnlich wie bei der Grippeschutzimpfung β brΓ€uchten voraussichtlich jene Menschen, deren Immunsystem nicht mehr so gut auf eine Impfung anspricht, etwa aus AltersgrΓΌnden oder wegen ImmunschwΓ€che durch Vorerkrankungen. FΓΌr sie sei es auch wichtig, durch ein geimpftes Umfeld mitgeschΓΌtzt zu werden. DafΓΌr reichten voraussichtlich Auffrischungen im Abstand von mehreren Jahren.
- Nachrichtenagentur dpa