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Corona-Krise: "Der Rettungsdienst darf nicht auch noch in die Knie gehen"


"Wir sehen tagtΓ€glich schwer kranke Covid-Patienten"

  • Melanie Rannow
Von Melanie Rannow

Aktualisiert am 21.11.2021Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Der GesprÀchspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Notfalleinsatz: Die DRF Luftrettung transportiert schwer kranke Covid- und andere Notfallpatienten.
Notfalleinsatz: Die DRF Luftrettung transportiert schwer kranke Covid- und andere Notfallpatienten. (Quelle: Thomas Roth / DRF Luftrettung)

Die vierte Corona-Welle rollt ΓΌber Deutschland, die Zahl der freien Intensivbetten schwindet. Ein Notfallmediziner berichtet im Interview, wie ernst die Lage ist und was jeder bei einem Notfall wissen sollte.

Wegen der sich zuspitzenden Corona-Lage steigt die Zahl der Intensivpatienten. Doch vielerorts sind die KapazitΓ€ten ausgeschΓΆpft – weite Wege mΓΌssen zurΓΌckgelegt werden, um ein freies Intensivbett zu finden.

Die DRF Luftrettung hilft, schwer kranke Patienten zu transportieren und schnell von einer Klinik zur anderen zu verlegen. Welchen Herausforderungen das Rettungspersonal tΓ€glich gegenΓΌbersteht und was getan werden sollte, um die vierte Corona-Welle abzuwenden, erklΓ€rt der Notfallmediziner Dr. Florian Reifferscheid im Interview mit t-online.

t-online: Mit steigenden Corona-Zahlen werden auch wieder mehr Patienten in andere Kliniken verlegt: Greift derzeit das "Kleeblatt-Prinzip", das eine Verteilung in andere Landkreise und auch BundeslΓ€nder vorsieht?

Florian Reifferscheid: Gerade in den letzten Tagen ist das "Kleeblatt" sehr viel stÀrker in AktivitÀt versetzt worden. Über den Sommer hinweg war das nicht erforderlich, aber jetzt kommt es immer hÀufiger dazu, dass über die BundeslÀndergrenzen hinaus verlegt wird. Das wird dann teilweise über das Kleeblatt koordiniert und teilweise über Kontakte zwischen den Kliniken.

Im Norden merken wir das noch nicht ganz so stark. Da werden wir weniger aktiv in die Verlegung eingebunden. Aber im SΓΌden und im Osten Deutschlands haben wir gerade deutlich mehr Verlegungen von Covid-Patienten. Da hΓΆrt man von Kollegen, dass die KrankenhauskapazitΓ€ten zur Neige gehen.

Nicht nur fΓΌr Covid-Patienten gibt es weniger PlΓ€tze …

Ja, das ist ein Problem, das da mitschwingt. Es gibt ja zwei verschiedene Einsatzarten: Zum einen mΓΌssen die Covid-Patienten untergebracht werden. Zum anderen die Notfallpatienten, die wir bei VerkehrsunfΓ€llen oder in der HΓ€uslichkeit abholen. Auch diese Patienten brauchen oft ein Intensivbett. Und das wird gerade schwieriger.

(Quelle: DRF Luftrettung)


Dr. Florian Reifferscheid ist als Notarzt bei der DRF Luftrettung tÀtig und aktiv auf dem Rettungshubschrauber "Christoph 42" in Rendsburg-Schachtholm in Schleswig-Holstein im Einsatz. Außerdem ist er Leitender Arzt der Region Nord und Abteilungsleiter Personal NotÀrzte aller DRF-Standorte in Deutschland.

Wie weit mΓΌssen Covid- und auch andere Notfallpatienten zum Teil transportiert werden?

Das geht teilweise ΓΌber große Distanzen – ΓΌber mehrere hundert Kilometer. Wir haben kΓΌrzlich auch einen Patienten ins Ausland verlegt. Das sind dann Strecken von 200 bis 300 Kilometern. Momentan sind das noch EinzelfΓ€lle.

Wie werden die Strecken zurΓΌckgelegt?

Überwiegend mit Intensivtransportwagen, lange Strecken auch mit Hubschraubern. In der ersten Corona-Welle haben wir Patienten auch mit Flugzeugen verlegt. Meist waren das Rücktransporte, wenn jemand die Infektion weitestgehend überstanden hat und dann in die Heimat zurück konnte.

Wie viele Verlegungen finden derzeit durch die DRF Luftrettung statt?

Vom 8. bis 18.November haben wir 32 Verlegungen mit Intensivtransporthubschraubern gehabt.

Wie werden die Corona-Patienten wΓ€hrend des Fluges versorgt? Nutzen Sie weiterhin die "Epi-Shuttles" als spezielle Isolationstragen?

Die "Epi-Shuttles" nutzen wir weiterhin, allerdings weniger oft. Denn zum einen kΓΆnnen wir ohne den Einsatz schneller arbeiten, weil die Vorbereitung viel Zeit kostet.

Und die meisten Covid-Patienten, die im Hubschrauber transportiert werden, werden maschinell beatmet. In ihren Atemwegen haben sie Filter, die eine Ausbreitung des Virus außerhalb des Atemwegs des Patienten verhindern. Es ist wichtig, dass dieser Beatmungsschlauch nicht auseinander geht, damit die Viren nicht freigesetzt und die RettungskrΓ€fte dann nicht kontaminiert werden. Mit der normalen SchutzausrΓΌstung sind sie aber ausreichend geschΓΌtzt – auch ohne den Epi-Shuttle.

Epi-Shuttle: Die DRF Luftrettung nutzt diese Isolationstragen, um Corona-Patienten ΓΌber die Luft zu transportieren.
Epi-Shuttle: Die DRF Luftrettung nutzt diese Isolationstragen, um Corona-Patienten ΓΌber die Luft zu transportieren. (Quelle: Thomas Roth / DRF Luftrettung)

Was ist die grâßte Herausforderung bei einem solchen Infektionstransport?

Die Covid-Patienten sind alle schwer krank und haben in der Regel ein Lungenproblem. Sie sind bei ihrer Sauerstoffversorgung eingeschrΓ€nkt und manche haben eine sogenannte extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) – quasi eine kΓΌnstliche Lunge. Das macht den Transport besonders anspruchsvoll.

Γ„rgern Sie sich ΓΌber Impfgegner, die Mitschuld an der aktuellen Entwicklung tragen?

Ja, das Hauptproblem ist, dass durch die Corona-Situation und die hohen Infektionszahlen die ΓΌbrige Arbeit leidet. Es ist nicht der Fall, dass sich jemand im Rettungsdienst beschwert, dass so viel zu tun ist. Aber der Infektionsschutzaufwand bei den Transporten ist hΓΆher und das fΓΌhrt innerhalb der einzelnen EinsΓ€tze zu einer hΓΆheren Belastung.

Nun kΓΆnnte eine hΓΆhere Impfquote das System sicher entlasten …

Natürlich wünschen wir uns, dass sich manche Teile der Bevâlkerung doch noch impfen lassen. Die Covid-19-Erkankung und auch Long-Covid sind ein deutlich grâßeres Sicherheitsrisiko als mâgliche Nebenwirkungen durch die Impfung. Das sollte allen klar werden.

Und man fragt sich schon: Was soll noch passieren, damit sich die Menschen impfen lassen? Wir erleben tagtΓ€glich die vollen KrankenhΓ€user und sehen die schwerkranken Covid-Patienten.

Hat es schon einmal zuvor eine vergleichbare Situation gegeben?

Nein, das tatsΓ€chlich nicht. Wir haben immer mal die Situation, dass einzelne KrankenhΓ€user voll sind – im Winter bei einer starken Grippesaison zum Beispiel. Dann wird es schwer, in der nΓ€heren Umgebung ein geeignetes Intensivbett zu finden. Aber so ein flΓ€chendeckendes Ausmaß wie durch Corona habe ich bisher nicht erlebt.

Die Lage in Bayern verschΓ€rft sich
Auf Anforderung des Freistaats Bayerns hat die DRF Luftrettung nun einen zusΓ€tzlichen Intensivtransporthubschrauber in Dienst gestellt. Das geht aus einer Pressemitteilung der DRF vom 20. November hervor. Demnach sieht es das Bayerische Staatsministerium des Inneren, fΓΌr Sport und Integration pandemiebedingt als erforderlich, einen zweiten Intensivtransporthubschrauber zeitlich befristet am Flughafen NΓΌrnberg zu stationieren.

Was hat sich seit Pandemiebeginn im Rettungsdienst verΓ€ndert?

Anfangs gab es natΓΌrlich eine Verunsicherung beim notfallmedizinischen Personal und den NotΓ€rztinnen und NotΓ€rzten. Wir haben uns gefragt: Was kommt da auf uns zu? Wie kΓΆnnen wir damit umgehen? Und wie kΓΆnnen wir uns auch selber und unsere Familien schΓΌtzen?

Diese Verunsicherung ist nun weitgehend ΓΌberwunden. Die Kolleginnen und Kollegen sind deutlich sicherer im Umgang mit den Covid-Patienten und auch dem Eigenschutz.

Wie groß ist die Sorge, sich mit dem Virus anstecken zu kânnen?

Nicht mehr so groß wie am Anfang. Die Sorge ist aber immer noch prÀsent. Denn auch unter den Kollegen kommt es immer wieder zu Impfdurchbrüchen.

Infizierte RettungskrΓ€fte verschΓ€rfen die Situation zusΓ€tzlich …

Richtig, der Schutz des Personals ist wichtig. Denn wenn der Rettungsdienst auch noch in die Knie geht, bricht das ganze System zusammen.

Deshalb eine wichtige Botschaft: Wenn jemand weiß, dass er eine Corona-Infektion hat, muss der Rettungsdienst – am besten schon beim Notruf – darΓΌber informiert werden. So kann sich das Personal, das zum Patienten geht, besser schΓΌtzen. Und so kann auch verhindert werden, dass ein infizierter Notfallpatient mit anderen Patienten in Kontakt kommt.

Und ΓΌbrigens: Die Sorge, dass man als Infizierter schlechter versorgt wird, braucht niemand haben. Das Personal sorgt fΓΌr jeden fΓΌr die bestmΓΆgliche Versorgung.

Welche LΓΆsungen gΓ€be es aus Ihrer Sicht, um die vierte Welle noch zu stoppen?

Alle müssten konsequenter sein, sich an die bestehenden Corona-Maßnahmen halten und Kontakte vermeiden, wo es mâglich ist. Und am besten wÀren 2G-Plus-Regeln in allen sensiblen Bereichen. Die RettungskrÀfte, die auf unseren Hubschraubern im Einsatz sind, testen sich zum Beispiel vor jedem Schichtbeginn. Natürlich muss dabei der Impfstatus und der Testnachweis konsequent überprüft werden. So kânnte diese Welle etwas abgefangen werden.

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Wie stehen Sie zur Impfpflicht in bestimmten Berufsgruppen?

In unserem Arbeitsumfeld ist die Impfquote tatsΓ€chlich sehr hoch. Wir erleben gerade, dass die Mitarbeiter eine dritte Impfung wollen, aber oft keinen Termin bekommen. Die Impfpflicht brΓ€uchte es hier also gar nicht unbedingt, vielmehr brauchen wir leichter erreichbare Impftermine – zumindest fΓΌr bestimmte Berufsgruppen. Ich halte eine Impfpflicht aber in patientennahen Bereichen oder bei Kontakt mit vulnerablen Gruppen fΓΌr vertretbar.

Vielen Dank fΓΌr das GesprΓ€ch, Herr Reifferscheid!

Wichtiger Hinweis: Die Informationen ersetzen auf keinen Fall eine professionelle Beratung oder Behandlung durch ausgebildete und anerkannte Γ„rzte. Die Inhalte von t-online kΓΆnnen und dΓΌrfen nicht verwendet werden, um eigenstΓ€ndig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen anzufangen.
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