t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeGesundheitKrankheiten & SymptomeCorona

Immunologe über Omikron: "Geimpfte werden sich wohl leichter anstecken"


Immunologe über Corona-Varianten
"Geimpfte werden sich wohl leichter anstecken"


Aktualisiert am 10.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Corona-Impfung: Wie oft wird sie in Zukunft antstehen?Vergrößern des Bildes
Corona-Impfung: Wie oft wird sie in Zukunft anstehen? (Quelle: aquaArts studio/getty-images-bilder)

Boostern gilt als Gebot der Stunde. Die dritte Impfung bietet eigentlich einen guten Schutz vor den vorherrschenden Corona-Varianten. Doch es gibt ein Problem mit neuen Varianten.

Bis Weihnachten sollen 30 Millionen Menschen in Deutschland geimpft werden, nur wenige Pikse davon sind Erstimpfungen. Vor allem wird geboostert. Für Ältere und Immungeschwächte hat diese dritte Impfung Vorteile. Aber nicht nur diese Menschen sollen sich boostern lassen, sondern alle, die bereits zwei Impfungen hinter sich haben. Was steckt dahinter? Und was gilt für die neue Variante Omikron? t-online fragte den Immunologen Andreas Radbruch.

Herr Radbruch, warum brauchen wir denn die dritte Impfung, wenn wir doch so gute Impfstoffe haben?

Andreas Radbruch: Die dritte Impfung für alle ist eine mehr politische Entscheidung. Hier geht es vor allem darum, die Ungeimpften zu schützen. Denn wir wissen und sehen: Geimpfte hatten und haben ein sehr geringes Risiko überhaupt schwer zu erkranken. Auch sechs Monate nach der zweiten Impfung beträgt der Schutz noch über 95 Prozent. Dass jetzt alle bereits zweimal Geimpften aufgefordert werden, sich ein drittes Mal zu impfen, dient dazu, dass, wenn sie sich selbst doch einmal infizieren, sie möglichst wenig Viren an Ungeimpfte weitergeben können. Denn das sehen wir ja: Durch ungeimpfte Infizierte stößt das Gesundheitssystem an seine Grenzen.

Dabei geht es auch um viel Geld?

Ja, wir reden hier über rund eine Milliarde Euro, die 50 Millionen Impfdosen kosten.

(Quelle: Gero Breloer)


Dr. Andreas Radbruch ist Immunologe und Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin.

Das heißt: Würde Delta die vorherrschende Variante in Deutschland bleiben, würden drei Spritzen dann aber ausreichen? Wir würden dann nach sechs Monaten nicht wieder vor den Impfzentren stehen?

Aus medizinischen Gründen wäre das nicht nötig, wir haben sehr gute Impfstoffe, die auch eine langandauernde Immunität durch das immunologische Gedächtnis aufbauen. Das sieht man daran, dass sich die Zellen, die die schützenden Antikörper produzieren, im Knochenmark ansiedeln, wo sie jahrzehntelang überleben können.

Schon nach zwei Impfdosen ist eine gute Immunität erreicht, die nach drei Impfungen noch einmal etwas verbessert wird, und uns aller Voraussicht nach viele Jahre schützen wird, so wie das bei anderen Impfungen auch der Fall ist, bei Tetanus zum Beispiel. Die einzige Unbekannte: Eine Variante könnte das Spiel ändern, die den Impfschutz durchbricht, den die gegenwärtigen Impfstoffe bieten.

Nun droht Omikron am Horizont …

Nach den bisher vorliegenden Daten verhindern auch bei dieser Variante die durch den Biontech-Impfstoff hervorgerufenen Antikörper das Andocken des Virus an unsere Zellen immer noch, aber nicht mehr so wirksam. Geimpfte werden sich vermutlich leichter anstecken, obwohl mir dazu noch keine Daten vorliegen. Es muss auch nicht unbedingt so sein, je nachdem, wie viele Antikörper man schon hat. Will man die Infektiosität vermindern, braucht man mehr von diesen Antikörpern, was man durch Boostern erreichen kann, zumindest zeitweise, genau wie bei den anderen Varianten.

Oder man induziert besser passende Antikörper, was man durch einen neuen Impfstoff erreichen kann, der an die Virusvariante angepasst ist. Ein solcher Impfstoff wird ja gegenwärtig entwickelt.

Aber die Booster-Impfung mit den bisher bekannten Wirkstoffen ist auch gegen Omikron nicht nutzlos?

Nein, erfolgreich Geimpfte sind immer noch vor schweren Krankheitsverläufen geschützt, weil sie zum einen noch andere Antikörper haben, die an die Viren binden, sie verklumpen und für Fresszellen markieren. Zum anderen haben Geimpfte eben auch viele Gedächtnis- oder "Killer"-Lymphozyten, die Virus-infizierte Zellen direkt erkennen und abtöten. Und sie haben Gedächtnis-T-Lymphozyten, die sehr schnell eine wirksame Immunreaktion gegen die Variante einleiten. Dabei entstehen dann Zellen, die an die Variante angepasste Antikörper produzieren. Die "Killer"- und T- Lymphozyten erkennen nur kleine Bruchstücke des Virusproteins, und nur wenige dieser Bruchstücke sind von den Mutationen betroffen.

Auch eine Boosterung mit Omikron-Vakzinen wäre aber vermutlich auch dazu da, die Ungeimpften zu schützen?

Ja, zumal über die Schwere der Krankheitsverläufe hier noch nichts bekannt ist. Es geht allgemein darum, die Infektiosität in der Bevölkerung zu senken. Das schützt in erster Linie völlig Ungeimpfte.

Wir brauchen dann also nicht wieder drei neue Spritzen mit dem Omikron-Impfstoff. Sondern ein Booster-Piks reicht gegen die neue Variante?

Ja, dann hätten wir ein stabiles, wirksames immunologisches Gedächtnis aufgebaut, so wie bei den meisten anderen Impfungen auch. Eine jährliche Auffrischung wäre nicht nötig. Ob die Immunität lebenslang hält, wie bei der Impfung gegen Masern, oder nach 10 bis 20 Jahren noch einmal aufgefrischt werden sollte, wie bei Tetanus, wird die Zeit zeigen.

Boostern wir zu eigentlich zu spät? Großbritannien bietet die dritte Impfung bereits nach drei Monaten an.

Wir boostern ziemlich spät in der Welle. Wenn es darum geht, die Welle zu brechen oder abzuflachen, hätte man schon früher anfangen sollen. Denn nach dem Boost braucht das Immunsystem noch ein paar Tage, bis der Turboschutz aufgebaut ist. Aber andererseits zeigen Studien: Die besten Antikörper sind fünf bis sechs Monate nach der zweiten Impfung da. Dann, wenn nur noch die Immunzellen aktiviert werden, die den wenigen Impfstoff, der dann noch da ist, auch noch erkennen. Man nennt das "Affinitätsreifung". Da rein zu boostern, indem man neuen Impfstoff spritzt, unterbricht diese Reifung. Dann werden auch wieder die Immunzellen aktiviert, die den Impfstoff schlechter erkennen. Man hat zwar mehr Antikörper, sie sind aber schlechter.

Also, es ergibt schon Sinn, so spät zu boostern?

Ja, es ist unklug, diesen Prozess der Affinitätsreifung zu unterbrechen. Deshalb: Boostern erst frühestens fünf bis sechs Monate nach der zweiten Impfung. Was uns jetzt auf die Füße fällt, ist, dass wir in Deutschland erst relativ spät überhaupt mit dem Impfen angefangen haben, vor noch nicht einmal einem Jahr, und viele Bevölkerungsgruppen erst sehr viel später. Die Zeit fehlt uns jetzt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Andreas Radbruch
  • Eigene Recherche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website