Geduld ist nicht angeboren: So lernt Ihr Kind zu warten

"Mama, wann kommst du denn endlich spielen?" Geduld und Ausdauer ist Kindern nicht angeboren, sie mΓΌssen sie lernen. Eltern kΓΆnnen jedoch schon frΓΌh begingen, ihren Kindern Begriffe wie "gleich" oder "spΓ€ter" beizubringen - wir sagen Ihnen wie.
"Ich will aber spielen!"
Maja rennt zu ihrer Mutter und greift nach ihrer Hand - obwohl diese telefoniert. "Warte noch fΓΌnf Minuten, bitte!" antwortet die Mutter. "Menno, ich will aber spielen!", Maja stampft wΓΌtend den FuΓ auf und zerrt an der Hand der Mutter. "Spielen, spielen, spielen!" Entnervt beendet die Mutter das GesprΓ€ch und lΓ€sst sich von Maja ins Kinderzimmer ziehen. Sie fragt sich, wann ihre sechsjΓ€hrige Tochter endlich etwas geduldiger wird.
Mit Routine zur Geduld
Mit etwa sechs Monaten fangen Babys an, zeitliche AblΓ€ufe im Alltag zu erfassen. Ohne einordnen zu kΓΆnnen, was es genau heiΓt, lernen sie, dass auf eine Aktion die nΓ€chste folgt. Wissenschaftler sprechen von "Skripts". HΓΆrt das Baby das Wasser im Wasserkocher sprudeln, hat es gelernt: Gleich kommt die Milchflache. Wird der Rollladen zugezogen, Γ€ndert sich das Licht und Mama fΓ€ngt gleich an zu singen. Durch diese RoutineablΓ€ufe wird der Alltag der Kleinen strukturiert und sie lernen die ersten Formen von Geduld. Je Γ€lter die Kinder werden, umso komplexer werden die "Skripts". Sie kennen viele alltΓ€gliche AblΓ€ufe und haben sich gemerkt, was als nΓ€chstes kommt.
Wartezeit mit ErklΓ€ren ΓΌberbrΓΌcken
Tipp: Machen Sie einfache Dinge immer auf die gleiche Art und Weise und erklΓ€ren Sie dabei, was Sie gerade tun. "Ich hole jetzt dein FlΓ€schchen aus dem Schrank und mache den Wasserkocher an. Jetzt muss noch etwas Pulver in die Flasche - oh, das Wasser kocht. Das kommt zum Pulver in die Flasche. Danach muss ich es noch abkΓΌhlen lassen, jetzt gehen wir erstmal zum Wickeln." ErklΓ€ren Sie Ihrem Kind den zeitlichen Ablauf Ihrer Handlungen, fΓΆrdern Sie seine Geduld. Denn es lernt, dass dieser Verlauf notwendig ist, damit es sein FlΓ€schchen bekommt. AuΓerdem kann es Sie bei Ihrer TΓ€tigkeit beobachten, das ΓΌberbrΓΌckt die Wartezeit zusΓ€tzlich.
"Noch einmal schlafen"
Ab etwa zwei Jahren fangen Kinder an, Zeitbegriffe wie "gestern", "morgen" oder "spΓ€ter" zu verstehen. Es kann jetzt auch das WΓΆrtchen "gleich" einschΓ€tzen. Vorausgesetzt, Sie verwenden es nicht zu oft. HeiΓt "gleich" immer etwa eine bis fΓΌnf Minuten, lernt Ihr Kind, dass es nicht zu lange warten muss. Verwenden Sie "gleich" allerdings inflationΓ€r fΓΌr vΓΆllig unterschiedliche ZeitrΓ€ume, wird es Ihrem "Gleich" nicht vertrauen und nΓΆrgeln, wann es denn endlich los geht.
Konkrete Zeitangaben helfen
Tipp: Geben Sie Ihrem Kind konkrete Zeitangaben. Es weiΓ noch nicht, was fΓΌnf Minuten oder fΓΌnf Stunden sind. Sagen Sie deshalb nicht, "In fΓΌnfzehn Minuten geht es los", sondern erklΓ€ren Sie ihm, was Sie noch zu tun haben, beispielsweise mΓΌssen Sie noch das Schwesterchen wickeln. Wenn es fragt, wann Sie die Oma besuchen, erklΓ€ren Sie besser mit "Noch einmal schlafen" als mit "Morgen", wie lange es noch auf den Besuch warten muss.
Geduld wΓ€chst stetig
Im Kindergartenalter sind Kinder (langsam) in der Lage, ihre BedΓΌrfnisse aufzuschieben. Sie haben gelernt zu warten und geduldig zu sein - mit der Umsetzung hapert es trotzdem noch manchmal. Bei DreijΓ€hrigen muss die Wartezeit hΓ€ufig noch mit Vorlesen oder Geschichten verkΓΌrzt werden. Geduldig sind sie am ehesten, wenn der Bauch voll ist und sie nicht mΓΌde sind. Erst ab vier Jahren entwickeln Kinder genΓΌgend EinfΓΌhlungsvermΓΆgen, um sich vorzustellen, was andere denken und fΓΌhlen. Ihnen fΓ€llt es nun leichter, einen kurzen Zeitraum auf etwas zu verzichten, denn sie verstehen, warum sie warten mΓΌssen. Ab diesem Alter entwickeln Kinder zudem die FΓ€higkeit, sich einer anderen Sache zuzuwenden, ohne ihr ursprΓΌngliches BedΓΌrfnis aus den Augen zu verlieren. Sie sind dann in der Lage, etwas anderes zu machen, bis Mama, Papa oder die Erzieherin im Kindergarten Zeit fΓΌr sie haben.
Geduld im Kindergarten, aber nicht zuhause?
Theoretisch kΓΆnnen Kinder geduldig sein, praktisch sieht es hΓ€ufig anders aus. Oftmals ist die Geduld der Kinder im Kindergarten oder im Kindersport um einiges grΓΆΓer als bei den Eltern zuhause. In diesen FΓ€llen haben die Eltern keine optimale Vorarbeit geleistet und ihrem Kind nicht gezeigt, dass es sich auch hier lohnt, zu warten. Im Kindergarten wird mit Ruhe die SelbststΓ€ndigkeit der Kinder gefΓΆrdert - dadurch auch die Geduld und Ausdauer. Sind Eltern stΓ€ndig gestresst und hektisch, ziehen ihren Kindern die Jacke aus, weil sie schnell weg mΓΌssen, lernen ihre Kinder nur schwer, was es heiΓt geduldig und selbststΓ€ndig zu sein. Zudem fΓΌhren kleine Schritte zur Geduld. Wenn das Kind die Schokolade immer direkt im Laden bekommt statt zehn Minuten spΓ€ter im Auto, ist es nicht verwunderlich, dass es nicht lernt auf etwas zu warten.
Kindern Zeit lassen
Tipp: Nehmen Sie Ihrem Kind nicht alles ab, sondern lassen Sie ihm die Zeit, Dinge selbst zu erledigen. Dazu gehΓΆrt, dass es sich selbststΓ€ndig anzieht, das Fahrradschloss alleine aufschlieΓt und die Schuhe selbst bindet. Auch wenn Sie daneben stehen, dringend zur Arbeit mΓΌssen und es mit einem Handgriff erledigt hΓ€tten. Wenn Sie Geduld von ihrem Kind fordern, mΓΌssen Sie selbst geduldig sein. Auch wenn das gegebenenfalls heiΓt, eine halbe Stunde frΓΌher aufzustehen. Durch die Erfolgserlebnisse, zum Beispiel wenn die Strumpfhose endlich ΓΌber den Popo rutscht, lernt Ihr Kind, dass es sich lohnt an einer Sache βdranzubleibenβ und nicht aufzugeben. Γben Sie Geduld bei alltΓ€glichen Dingen: Gegessen wird erst, wenn alle Personen am Tisch sitzen. Das Mitbringsel der Tante darf erst aufgemacht werden, wenn sie ihren Mantel ausgezogen hat und sich alle begrΓΌΓt haben. Das Spielzeug bei MacDonald darf erst nach dem Essen aufgemacht werden. Die ΓberbrΓΌckung der kleinen ZeitrΓ€ume hilft Ihrem Kind, spΓ€ter auch bei lΓ€ngeren Zeiten geduldig zu sein.
Freie Zeit um sich zu entfalten
Wenn Kinder wenig DurchhaltevermΓΆgen haben, kann das eine Folge davon sein, dass sie stΓ€ndig aus ihrem Spiel "herausgerissen", in anderen AktivitΓ€ten unterbrochen werden. AuΓerdem weisen Experten immer hΓ€ufiger darauf hin, wie wichtig es ist, dass Kinder Zeit haben, sich selbst zu beschΓ€ftigen. Denken Sie deshalb nicht, dass Sie Ihrem Kind stΓ€ndig ein Spielangebot geben mΓΌssen. Ein Kind, das sich langweilt und genug Zeit hat, sich eine eigene BeschΓ€ftigung zu suchen, hat die beste Chance kreativ zu werden. Durch die "freie" Zeit lernt es, frei zu spielen und sich neue Spiele einfallen zu lassen.
Spielen lassen statt bespaΓen
Tipp: Ist Ihr Kind selbstvergessen in sein Spiel vertieft, stΓΆren Sie nicht, wenn es nicht notwendig ist. Gibt es gleich Abendessen, sagen Sie beispielsweise zehn Minuten vorher Bescheid, dann kann sich Ihr Kind darauf einstellen und das Spiel auf seine Art beenden. AuΓerdem lernt es so, die Zeitspannen besser einzuschΓ€tzen. Schon Babys schauen vertrΓ€umt in der Gegend herum und beschΓ€ftigen sich damit selbst. Greifen Eltern stΓ€ndig ein und stΓΆren, "verlernt" das Baby, dass es in diesen Momenten zufrieden ist und will langfristig stΓ€ndig gespaΓt werden.
Seien Sie konsequent
Gerade, wenn Eltern telefonieren oder sich mit anderen Menschen beschΓ€ftigen mΓΆchten, werden viele Kinder ungeduldig und fangen an zu stΓΆren. VerstΓ€ndlicherweise sind viele Eltern genervt und reagieren ungehalten. Doch beim Beispiel von Maja und ihrer Mama ist ersichtlich, warum Maja in diesem Moment keine Geduld aufbringt - kommt sie doch mit ihrem StΓΆren ans Ziel. Sie hat anscheinend gelernt, dass ihre Mutter eher das GesprΓ€ch beendet, als einen Konflikt mit ihr auszutragen und ihr zu zeigen, dass StΓΆren nichts bringt oder das gemeinsame Spiel sogar herauszΓΆgert. Warum sollte sie also warten und sich alleine beschΓ€ftigen?
Nicht alles gleichzeitig machen
Tipp: Fangen Sie schon frΓΌh an, Ihrem Kind zu zeigen, dass Sie in gewissen Momenten nicht gestΓΆrt werden mΓΆchten. Wenn Sie telefonieren sollte klar sein: Sie beenden das GesprΓ€ch, wenn Sie das mΓΆchten. Und Sie tun nebenbei nicht fΓΌnf Dinge gleichzeitig. Ihr Kind sollte die Erfahrung machen, dass Sie konsequent bleiben, auch wenn es quengelt und stΓΆrt. Dies erfΓ€hrt es aber nur, wenn Sie nicht beim Telefonieren beispielsweise versuchen, das Spielzeug zu reparieren oder das Butterbrot zu schmieren, oder ihm, um endlich Ruhe zu haben, das zweite Eis oder eine extra Runde Fernsehen erlauben. FΓΌhrt Quengeln nicht zum Ziel und verlΓ€ngert mΓΆglicherweise die Wartezeit fΓΌr Ihr Kind, wird es irgendwann damit aufhΓΆren und versuchen, mit einem anderen Verhalten ans Ziel zu gelangen.