Im Kugelhagel Das tragische Ende des "wahren" Crocodile Dundee
Rodney Ansell, ein australischer Buschmann, soll als Inspiration für den Film "Crocodile Dundee" gedient haben. Heute lebt sein Mythos im Northern Territory weiter.
Aus dem Northern Territory, Australien, berichtet Anna-Lena Janzen
Die Wahrheit sollte niemals einer guten Geschichte im Weg stehen – ein Sprichwort, das man in Australien oft hört. Vielleicht ist das der Grund, warum man im Northern Territory so vielen schillernden Charakteren begegnet. Wer die entlegene Region seine Heimat nennt, ist selten ein Durchschnittstyp.
Das trifft wohl auch auf Rodney Ansell zu, der in den 70er-Jahren als Büffeljäger im Norden Australiens arbeitete und heute als der "wahre Crocodile Dundee" gilt. Ansells tragische Geschichte erzählt Tourguide Scott "Scotty" Hannaford den Touristen, während er seinen Allrad-Bus über den Stuart Highway in Richtung des Kakadu-Nationalparks steuert. Ganz in der Nähe hat Ansells Leben im Jahr 1999 ein dramatisches Ende gefunden – bei einem Schusswechsel mit der Polizei.
Ansell wurde 1977 berühmt, als sein Boot auf dem abgelegenen Victoria River kenterte. Zwei Monate lang überlebte er mit seinen zwei Hunden in der Wildnis, bis ihn indigene Einheimische fanden. Die Medien stürzten sich auf seine Geschichte, die Ansell selbst mit vielen Interviews ausschmückte. Der Erzählung nach habe er Haie, Krokodile und Büffel erlegt und ihr Blut getrunken, um zu überleben. Ansell selbst behauptete später, ein Wal habe sein Boot gekentert. Oder war es doch ein Krokodil?
Seine Abenteuer lieferten die Vorlage für den Hollywood-Klassiker "Crocodile Dundee" von 1986. Doch während der US-Schauspieler Paul Hogan in der Rolle des Mick Dundee weltberühmt wurde, verblasste Ansells Ruhm. Er geriet in finanzielle Schwierigkeiten, verfiel den Drogen und kämpfte mit psychischen Problemen. Nach einem Drogenrausch im Jahr 1999 war er auf der Flucht vor der Polizei und erschoss schließlich einen Polizeibeamten an einer Straßenbarrikade. Er selbst wurde bei dem Schusswechsel von einem zweiten Beamten getötet. Ansell wurde nur 44 Jahre alt.
Ein Hauch Wildwest
Tourguide Scotty, auch Mitte 40, ist kein Outback-Macho wie "Crocodile Dundee", sondern eher ein Outdoor-Fan. Wenn er auf Tour ist, trägt er stets einen löchrigen Filzhut gegen die sengende Hitze. Mit sieben Jahren kam Scotty Hannaford von Großbritannien nach Australien. Seit 2023 lebt er in Humpy Doo, einem kleinen Ort bei Darwin.
Von hier aus leitet er nicht nur sein eigenes Tourunternehmen Down Under Safaris, sondern arbeitet auch als Feuerwehrmann. Erst kürzlich habe er sich deshalb seine langen Dreadlocks abgeschnitten, "damit sie kein Feuer fangen".
"Hier ist alles so entspannt", sagt Scotty auf die Frage, was das Northern Territory für ihn so besonders macht. "Um ein Boot zu fahren, benötigst du keinen Führerschein, und zum Fischen keine Lizenz."
Seit den Tagen der wilden Krokodiljäger, die durchs Land streiften, hat sich im Northern Territory viel verändert. Doch ein Hauch des Wildwest-Charmes ist geblieben. In den "Roadhouses" etwa, entlang der Highways, hängen riesige Krokodilhäute an den Wänden. Einheimische erzählen an der Bar ihre Outback-Geschichten. Manche der Raststätten halten in ihren Hinterhöfen sogar ihre eigenen Hauskrokodile. "Warnung" und "Brutus the Salty" – steht auf den Schildern an einem Zaun, hinter dem ein solches vier Meter langes Reptil lebt. Brutus, das Salzwasserkrokodil, lugt nur mit einem gelben Schlitzauge aus dem kleinen Tümpel hervor. Es hat keine Lust, für die Kameras der Touristen zu posieren.
Herrscher der Flüsse: Die Salzwasserkrokodile
Für die Menschen im Northern Territory ist das Leben mit Crocodylus porosus Alltag. Sie werden als Leistenkrokodile, Salzwasserkrokodile oder Saltys bezeichnet. Scotty erklärt: "Die Bezeichnung Salzwasserkrokodil für diese Art ist nicht ganz richtig, denn sie werden im Süßwasser geboren und sind dort heimisch, können aber mehrere Monate im Salzwasser überleben." In den 1970er-Jahren waren die Leistenkrokodile durch Jagd im Northern Territory fast ausgerottet worden, doch ein Abschussverbot 1971 rettete ihre Art. Heute leben schätzungsweise über 100.000 Salzwasserkrokodile im Top End, wie der nördlichste Bundesstaat von den Australiern auch genannt wird.
Die bis zu sieben Meter langen Raubtiere jagen alles, von Fischen über Wildschweine bis zu Wasserbüffeln, und sind auch für Menschen gefährlich. Das Meer nutzen die Tiere vor allem, um zwischen den Flusssystemen zu pendeln. In der Regenzeit gelangen sie durch die überschwemmten Gebiete in die abgelegensten Gewässer.
Auf die Idee, einfach irgendwo im Northern Territory baden zu gehen, sollte also niemand kommen. Ranger im Litchfield-Nationalpark etwa, der für seine traumhaften Wasserfälle bekannt ist, kontrollieren gegen Ende der Regenzeit regelmäßig die Badestellen, um sicherzustellen, dass keine "Salties" mehr in der Nähe sind.
"Es ist wichtig, dass wir ihren Lebensraum respektieren und uns an die Regeln halten. Dann gibt es auch keine Probleme", erklärt Scotty. Dabei sollten Besucher sich an Warnschilder halten und niemals zu nah ans Ufer gehen. Der Guide betont, dass fast alle Vorfälle mit den Reptilien auf falsches Verhalten der Menschen zurückzuführen sind. "In 99 Prozent der Fälle sind die Leute ein zu großes Risiko eingegangen."
Ein Höhepunkt der mehrtägigen Tour durch das Top End ist der bekannte Kakadu-Nationalpark. Mit rund 20.000 Quadratkilometern Fläche gehört er zum UNESCO-Kultur- und Weltnaturerbe. Hier kann man die berüchtigten "Salties" besonders gut in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten.
So etwa bei einer Bootsfahrt auf dem Yellow Water Billabong, einem Teil der Überschwemmungsebene des South Alligator Rivers. Das Gewässer ist eines der artenreichsten Ökosysteme im Park. Seerosen blühen auf dem stillen Wasser, seltene Vögel schwärmen durch die Luft, und schwarze Wasserbüffel grasen auf den Grünflächen in der Ferne. Vogelliebhaber an Bord zeigen sich besonders fasziniert von der Sichtung eines Spiegelliest, einer kleinen Eisvogelart. Mehrere Krokodile sonnen ihren zackigen Rücken an den Ufern.
"Krokodil voraus", ruft plötzlich einer der Touristen an Bord. Ein Reptil mit beachtlicher Größe taucht vor dem Boot auf. Die Zeit scheint kurz stillzustehen: Lautlos und mit wachsamem Blick gleitet es an den klickenden Kameras vorbei.
- Australiens wilder Norden: Abenteuer auf der Bullo River Station im Outback
Ein spiritueller Ort
Die Region rund um Kakadu ist zudem für ihr reiches kulturelles Erbe bekannt und gilt als spiritueller Ort für die First Nations People, die Bininj- und Mungguy-Völker, die seit rund 65.000 Jahren auf dem Land leben. Heute kann man die ersten Bewohner in den kleinen Orten und teils abgelegenen Ecken des Nationalparks antreffen. Auch ihre Kunst und ihr Handwerk sind hier allgegenwärtig. So etwa können Touristen an Aktivitäten wie Korbweben oder Speerwerfen teilnehmen oder mehr über die Buschmedizin der Einheimischen lernen.
Die Kultur der Aboriginal Peoples spiegelt eine tiefe spirituelle Verbindung zur Natur wider. Diese zeigt sich in ihrer Kunst, den Traumzeitgeschichten und einem harmonischen Miteinander mit ihrer Umwelt, wie Tourguide Scotty bei einer Wanderung durch die felsige Landschaft erklärt. Die uralten Felsmalereien, die man an zahlreichen Orten in Kakadu besichtigen kann, sind hier so gut erhalten und vielzählig wie kaum an einer anderen Ecke Australiens. Sie erzählen vom Leben der Ureinwohner, zeigen oft etwa Tiere, die gejagt wurden oder Pflanzen, aber auch von der Kreationsgeschichte der Welt und ihrer Geister. Die Orte, an denen gemalt wurde, dienten früher wohl auch als eine Art Klassenzimmer, um das Wissen über das Leben mit der Natur an die junge Generation weiterzugeben.
Scotty kennt einige der Überlieferungen. So erzählt er etwa von den Mimi Spirit People: dünne, Feen ähnliche Wesen aus dem nahegelegenen Arnhem Land. Sie lebten zwischen den tiefen Felsspalten des 300 Kilometer langen Stone Country, seien äußerst scheu und trauten sich nur nachts aus ihren Verstecken. An mehreren Stellen im Kakadu-Nationalpark sind ihre Bilder auf den Felsen zu bestaunen. Der Legende zufolge brachten die Mimis den Ureinwohnern bei, wie man jagt, Feuer nutzt und das Kängurufleisch aufbereitet. Sie seien aber auch dafür bekannt, Streiche zu spielen oder zornig zu werden. Daher blieben die Ureinwohner den Steilhängen, wo die Mimi-Geister beheimatet sind, bei Nacht fern.
Als die Gruppe auf bunte Felsmalereien stößt, warnt Tourguide Scotty: Die gruselig aussehenden Kreaturen zeigen Ahnengeister, die man weder fotografieren noch über sie schreiben darf, da sonst Unheil passieren könnte. Andere Abbildungen sind den Ureinwohnern besonders heilig, auch sie dürfen nicht abgelichtet werden. Die Erfahrungen der indigenen Bewohner werden hier respektiert.
Darwin: Zwischen Outback und Urbanität
Wer sich neben den Nationalparks die Zeit nimmt, auch noch eine Weile in Darwin zu verweilen, bemerkt schnell, dass auch hier vieles ganz anders ist, als die stereotypischen Outback-Kulissen es suggerieren. Die Hauptstadt des Northern Territory bietet hippe Cafés und Shops, schicke Restaurants mit vielfältiger Küche, lebendige Pubs, bunte Märkte, eine Fülle an Street-Art sowie eine diverse Kultur.
So hat Darwin eine lebendige Geschichte chinesischer Einwanderer, die im 19. Jahrhundert in die Region kamen, um beim Goldabbau und beim Bau der Eisenbahn zu helfen. Später gründeten sie eigene Betriebe und trugen zur Entwicklung der Region bei. Die chinesische Gemeinschaft stellt auch heute noch etwa sechs Prozent der Bevölkerung in der Stadt dar.

Tipps für die Reise ins Northern Territory
Klima und Reisezeit: Tropisch. Die Haupttourismuszeit ist von etwa Mai bis Oktober. Während der Trockenzeit verwandelt sich die üppige, grüne Landschaft allmählich in trockenes Outback. Von Dezember bis März stehen große Flächen des Northern Territory unter Wasser und einige Orte sind nicht mehr passierbar.
Darwin dient als Ausgangspunkt für Reisen in den Litchfield- und den Kakadu-Nationalpark. Von Kakadu aus können Besucher in der Trockenzeit auch Touren ins Arnhemland buchen.
Unterkunft: Das gemütliche Litchfield Outback Resort bietet neben einem einladenden Pub auch gemütliche Zimmer. Im kleinen Ort Jaibiru nahe des Kakadu-Nationalparks übernachtet man stilvoll im Mercure Crocodile Hotel, das in Form eines Krokodils gebaut ist. Ebenfalls eine gute Wahl in Kakadu ist die Cooinda Lodge, idealer Ausgangspunkt für die Yellow Water Cruises.
Einreise: Deutsche benötigen ein Touristenvisum für Australien – erhältlich unter www.border.gov.au.
Weitere Informationen zu Aktivitäten und Unterkünften im Northern Territory finden Sie auf der offiziellen Tourismus-Website der Region.
Transparenzhinweis: Die Reise der Autorin wurde von Tourism Northern Territory unterstützt.
- Eigene Beobachtungen
- Gespräche mit Scott Hannaford von Down Under Safaris
- oa.anu.edu.au: Obituary Rodney William (Rod) Ansell (1954–1999)
- kakadutourism.com: Traditional Owners Welcome You to Kakadu National Park!
- traumzeit-legenden.de: Mimi Spirit People
- abc.net.au: Who were Australia's original crocodile hunters?
- ntnews.com.au: The day the real 'Crocodile Dundee' Rod Ansell was shot dead