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TikTok-Touristen: Amsterdam wehrt sich gegen den Fress-Mob


Touristen-Phänomen
"Sie fallen wie die Heuschrecken hier ein"

Von t-online, cc

Aktualisiert am 11.09.2023Lesedauer: 3 Min.
Touristen im Rotlichtbezirk von Amsterdam: Probleme mit Flash crowds nehmen zu (Archivbild).Vergrößern des BildesTouristen im Rotlichtviertel von Amsterdam: Probleme mit sogenannten Flash Crowds nehmen zu (Archivbild). (Quelle: Stefano Guidi)
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Mal eben in eine Stadt fahren, um sich dort in Ruhe die Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Das ist nicht jedermanns Sache. Eine Stadt klagt nun über "Fresstouristen".

Amsterdam ist ein Touristenmagnet. Seit jeher zieht die Stadt in den Niederlanden massenweise Gäste an. Ihre Attraktionen sind zahlreich, ihre Bewohner aufgeschlossen, die Atmosphäre galt lange Zeit als liberal. Doch inzwischen sieht sich die Stadtverwaltung immer häufiger genötigt, gegen die Besucher vorzugehen. Denn Amsterdam ist zu einem europäischen Hotspot für jenen Typus von Touristen geworden, den man nicht unbedingt in seiner Nachbarschaft haben möchte: den Partytouristen.

Viele Gäste kommen nach Amsterdam, um dort zu kiffen, sich zu betrinken und neuerdings auch, um zu essen und dabei ein Foto für den eigenen Social-Media-Account zu machen. Das macht auch den Geschäftsleuten und den Anwohnern der "9 Straatjes" (zu Deutsch: "Neun Straßen") zu schaffen, einem Teil der Amsterdamer Innenstadt, der momentan gerade bei jungen Touristen als besonders angesagt gilt.

Wie nun die britische Tageszeitung "The Guardian" berichtet, bricht sich der neueste Rummel vor einem kleinen Geschäft namens "Fabel Friet" Bahn. Dort stehen tagsüber regelmäßig große Menschenansammlungen auf der Straße und warten darauf, endlich jene Pommes probieren zu können, die einige als die "besten Fritten in ganz Amsterdam" besingen. Viele der vornehmlich jungen Kulinariker zücken schon ihr Handy, bevor sie die Köstlichkeit überhaupt im Mund hatten. Da zu sein und zu warten, ist für sie bereits ein Ereignis. Sobald die heiße und fettige Ware dann in der Hand liegt, wird munter drauflos gefilmt, dabei fallen schon mal einige der in üppigen Spezialsoßen badenden Kartoffelstäbchen zu Boden.

Fressen und gefressen werden

Die sozialen Medien, Instagram oder TikTok sind voll von kurzen Filmchen und Bildern von Horden an Fast-Food-Jüngern, die zu "Fabel Friet" pilgern – sogenannte Flash Crowds, mehr oder weniger spontane Menschenansammlungen. Das gefällt inzwischen selbst dem Besitzer nicht mehr, obwohl die Prominenz ihm vermutlich einen ordentlichen Umsatz beschert. "Wir haben die Nase voll davon, bei TikTok gefeiert zu werden", sagt Mitinhaber Floris Feilzer dem "Guardian". "Uns geht es darum, die besten Produkte anzubieten, wir haben ein Herz für unser Geschäft und für die Nachbarschaft. Und die Nachbarn kommen eigentlich gerne zu uns."

Doch die Nachbarn zeigen sich zunehmend genervt von dem Andrang. So finden sich in immer mehr Fenstern Warnschilder mit der Aufschrift. "Kein Platz für Picknick. Bitte setzt Euch woanders hin!" Und ein Geschäftsmann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sagt der Reporterin: "Das hier ist eigentlich ein wunderschöner Ort, aber jetzt ist alles voll von diesen schmatzenden Leuten." Er fürchtet derweil auch um seine eigene Kundschaft, denn die könnte ob der mampfenden Touristenhorden wegbleiben.

Das Phänomen ist nicht neu. Amsterdam ist auch nicht die einzige Stadt, der es Probleme bereitet. Der Trend ist nur das jüngste Symptom eines ins Kraut schießenden "Overtourism", also eines übermäßigen Tourismus. Maßhalten, das gilt fürs Essen ebenso wie für das Aufsuchen fremder Orte. Wer sich dort nicht benimmt, bekommt schnell Ärger. Deshalb warnt die Amsterdamer Stadtverwaltung bereits, man beobachte die Entwicklung sehr genau und behalte sich eventuelle Maßnahmen vor, um die Menschenmassen einzudämmen.

Marketingprofessor warnt vor vorschnellen Investitionen

Dass die Stadt Ernst machen kann, hat sie bereits bewiesen, als sie die illegale Vermietung von Wohnraum an Touristen über Plattformen wie AirBnB durch scharfe Auflagen einschränkte. Der Amsterdamer Marketingexperte Joris Demmers glaubt allerdings, dass das Phänomen der futternden Flash-Crowds wesentlich schwieriger zu regulieren ist. Er warnt gerade die Ladenbesitzer davor, sich angesichts des Ansturms wirtschaftlich zu übernehmen.

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"Es ist wie eine Heuschreckenplage: Die Leute kommen, fallen über einen Ort her, dann gibt es plötzlich nicht genug Kapazitäten, und wenn diese dann aufgestockt werden, sind die Leute schon wieder an den nächsten Ort gezogen. Das macht es schwierig, nachhaltigen Erfolg zu genieren", sagte er "The Guardian".

Die Amsterdamer Stadtverwaltung versucht stattdessen, die Touristenströme von der Innenstadt weg in die Außenbezirke der Metropole zu leiten. Dummerweise bewerben die Algorithmen in den sozialen Medien jedoch bevorzugt das, was die Masse schätzt. Da bleibt wohl für die Amsterdamer nur eins: Abwarten und Fritten essen, bis der ganze Rummel sich von selber erledigt hat.

Verwendete Quellen
  • theguardian.com: "TikTok food tourists leave a bitter taste in Amsterdam" (englisch)
  • nltimes.nl: "TikTok bringing massive queues to trendy spots in Amsterdam, annoying neighbors" (englisch)
  • richardstourism.com: "The TikTok queue – a new global attraction" (englisch)
  • stern.de: "Amsterdam: Airbnb verliert 80 Prozent seiner Unterkünfte"
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