Reiserecht Erdbebenrisiko im Urlaub: Was Touristen wissen müssen

Griechenland, Italien oder die Türkei: Beliebte Reiseziele waren in den vergangenen Tagen und Wochen von Erdbeben betroffen. Worauf Urlauber achten müssen.
Erdbeben in beliebten Reisezielen, wie aktuell in Griechenland, können Urlauber beunruhigen. Das gilt vor allem, wenn man vor Ort mitbekommt, wie die Erde zittert. Aber auch, wenn man bald dorthin reisen will, liest man solche Nachrichten mit Sorge.
Doch reiserechtlich ist das nicht so einfach: Absagen nur aus Angst können teuer werden. Ein Experte erläutert, was in diesen Fällen für Pauschalreisende gilt – und warum die Lage für Individualreisende oft noch komplizierter ist.
Muss ich vom Veranstalter über Erdbebenrisiken informiert werden?
Nein, Reiseveranstalter müssen nicht darüber informieren, ob das Urlaubsziel in einem Erdbebengebiet liegt, sagt der auf Reiserecht spezialisierte Rechtsanwalt Kay Rodegra. Erdbeben könnten fast überall auf der Welt passieren und gehörten zum "allgemeinen Lebensrisiko".
Kann ich im Fall eines Erdbebens kostenfrei von meiner geplanten Reise zurücktreten?
Nein, denn Ängste und Sorgen vor einem Erdbeben allein sind keine Gründe für einen kostenfreien Reiserücktritt von einer Pauschalreise. Möchten Sie die Reise absagen, müssen Sie fällige Stornierungsgebühren selbst tragen.
Das gilt beispielsweise auch für Istanbul, wo Ende April die Erde heftig bebte und einige Geologen darin Vorboten eines noch heftigeren Bebens sahen. "In einigen Regionen der Erde werden Superbeben erwartet, die morgen oder in 1.000 Jahren kommen können", sagt Rodegra. Ängste davor seien keine Gründe, um kostenfrei von einer gebuchten Reise zurücktreten zu können. Hier gilt, dass Reisende sich vor der Buchung damit auseinandersetzen müssen.
- Erdbeben auf Santorini: Das sollten Urlauber wissen
- Reisemängel: Tabelle zeigt, wie viel Geld Sie zurückfordern können
Was ist, wenn ich am Tag nach einem Beben dorthin reisen soll?
Mit Blick auf Istanbul, wo die Erde mehrfach in kurzer Zeit gebebt hatte, war die Situation zunächst unklar. Bei unmittelbar anstehenden Reisen könnte in solchen Fällen ein kostenfreier Rücktritt möglich sein, so Rodegra. "Wenn am nächsten Tag eine Reise in ein Gebiet ansteht, wo es Panik wegen eines Erdbebens gab und die Lage nicht geklärt ist, da sehe ich schon die Option dazu", sagt er.
Sobald jedoch feststehe, dass es keine größeren Schäden gebe und die Reise nicht beeinträchtigt sei, gelte das nicht mehr. Als Beispiel führt der Experte das schwere Beben Ende März in Myanmar und Thailand an. Auch ein im Bau befindliches Hochhaus in Bangkok stürzte dadurch ein, viele Menschen kamen dabei ums Leben. Ansonsten blieben andere Gebäude und die Infrastruktur in der thailändischen Hauptstadt intakt und die beliebten Urlaubsregionen am Meer waren auch nicht betroffen.
"Da war keine Beeinträchtigung oder Gefährdungslage für eine Thailand-Reise gegeben", so Rodegra. Wer seine in ein paar Wochen anstehende Reise nach Bangkok unmittelbar nach dem Beben storniert hätte, wäre auf den Stornokosten sitzengeblieben.
Was ist, wenn es im Urlaubsgebiet nach der Buchung der Reise zu massiven Zerstörungen kommt?
Eingestürzte Häuser, kaputte Straßen, beschädigte Flughäfen: Sind massive Schäden am Urlaubsort oder in dessen unmittelbarer Nähe zu beklagen, liegt laut Rodegra ein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand vor. In solchen Fällen sei ein kostenfreier Rücktritt von einer Pauschalreise möglich, wenn erhebliche Beeinträchtigungen oder Gefahren zu erwarten seien.
Falls der Reiseveranstalter das nicht akzeptiert, dann können Betroffene etwa mit Medienberichten über die Ausmaße der Zerstörungen oder mit Einschätzungen des Auswärtigen Amtes argumentieren – eine Reisewarnung des Ministeriums für eine Region ist beispielsweise ein starkes Indiz für unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände.
Aber selbst hier gilt: Nicht zu früh stornieren. Steht die Reise in ein betroffenes Gebiet in einem halben Jahr an, sollte man noch warten, rät Rodegra. "Es muss zum Zeitpunkt des Rücktritts feststehen oder sehr wahrscheinlich sein, dass es am Zielort der Reise oder in unmittelbarer Nähe zu erheblichen Beeinträchtigungen oder einer Gefährdungslage kommt, die die Durchführung der Reise für den Urlauber unzumutbar macht." Deshalb müssten Urlauber in vielen Fällen zunächst einmal die weitere Entwicklung im Reiseland abwarten.
Und wenn ich mehrere Ziele in einem Land bereise?
Bei Rundreisen hänge die Frage des kostenfreien Rücktritts davon ab, ob diese maßgeblich störungsfrei durchführbar seien, sagt Rodegra. Ist nur einer von vielen Orten auf der Reise vom Erdbeben betroffen und deshalb nicht zu bereisen, sei das kein ausreichender Grund für einen kostenfreien Rücktritt vom Reisevertrag. Allerdings könne ein ausgefallener Programmpunkt eine Preisminderung begründen, so der Experte.
Was ist, wenn ich individuell gebucht habe?
Anders als Pauschalreisende können sich Menschen, die Flug und Hotel individuell gebucht haben, bei Naturkatastrophen nicht an einen Veranstalter wenden. Sie müssen sich mit jedem einzelnen Vertragspartner auseinandersetzen, etwa Airline, Hotel oder Ferienhausvermieter.
Rodegra nennt ein Beispiel: Die gebuchte Unterkunft ist durch das Erdbeben beschädigt und nicht bewohnbar. Aber der Flug zum entfernteren Flughafen im Land findet statt. "Den müssen sie dann bezahlen, auch wenn sie ihn vielleicht nicht mehr Anspruch nehmen, da sie ja keine Unterkunft mehr haben."
- Lesen Sie hier: Darauf sollten Sie bei Pauschalreisen achten
Hintergrund: Wenn mindestens zwei Reiseleistungen kombiniert und in einem Paket verkauft werden, gilt das in der Regel als Pauschalreise. Ein Klassiker sind Flugpauschalreisen, die Flüge und Hotel beinhalten. Aber beispielsweise auch eine Kombination aus Flug und Mietwagen kann dazu zählen.
Die Erde bebt und ich bin vor Ort – welche Rechte habe ich?
Reiseveranstalter sind in solchen Fällen in der Pflicht, ihre Reisenden zu informieren. Ist die Unterkunft nicht mehr sicher bewohnbar, müssen sie eine Ersatzunterbringung stellen.
Erhalten Sie Antworten aus Tausenden t-online-Artikeln.
Antworten können Fehler enthalten und sind nicht redaktionell geprüft. Bitte keine personenbezogenen Daten eingeben. Mehr Informationen. Bei Nutzung akzeptieren Sie unsere Datenschutzhinweise sowie unsere t-online-Assistent Nutzungsbedingungen.
"Wenn es nach einer Naturkatastrophe für Urlauber nicht mehr zumutbar ist, in dem Gebiet weiter zu verweilen, muss der Veranstalter einen früheren Rückflug organisieren und die gesamten Mehrkosten dafür tragen", sagt Rodegra. Vorausgesetzt natürlich, die Flüge waren Teil der Pauschalreise und wurden nicht selbst von den Urlaubern dazugebucht.
Haben Urlauber alles selbst gebucht und ist kein Veranstalter involviert, sind sie entsprechend auch selbst verantwortlich, Ersatzunterkünfte und alles Weitere zu besorgen. Ansprechpartner in Notsituationen können für sie dann die deutschen Botschaften und Konsulate sein.
- Nachrichtenagentur dpa