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Weltklimarat | IPCC-Bericht: Viele Klimaschäden in Europa nicht verhinderbar


Chefin des UN-Umweltprogramms
"Der Klimawandel ist jetzt hier, aber wir sind es eben auch"


10.08.2021Lesedauer: 4 Min.
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Menschen versuchen einen Buschbrand in Griechenland zu löschen: Die neue Studie des Weltklimarates warnt vor mehr Hitzewellen, Dürre und Starkregen.Vergrößern des Bildes
Menschen versuchen einen Buschbrand in Griechenland zu löschen: Die neue Studie des Weltklimarates warnt vor mehr Hitzewellen, Dürre und Starkregen. (Quelle: Joseph Galanakis/imago-images-bilder)

Die neue Studie des Weltklimarates IPCC schlüsselt die Folgen der globalen Erwärmung erstmals für einzelne Erdregionen auf. Die Aussichten für Europa sind düster.

Der Weltklimarat (IPCC) hat geliefert: Auf knapp 4.000 Seiten fasst er zusammen, was Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt in den vergangenen acht Jahren über den Stand der Erderwärmung herausgefunden haben. Mit der neuen Übersichtsstudie schlägt das UN-Gremium Alarm – noch lauter als bisher.

Denn inzwischen steht nicht nur fest, dass die globale Erderwärmung "eindeutig" menschengemacht ist. Sondern auch, dass eine Klimakatastrophe wohl nur noch teilweise verhindert werden kann.

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Auch in Europa verschlimmert jedes Grad die Lage

"Der Klimawandel wirkt sich schon jetzt auf alle Regionen der Erde aus und jedes weitere Grad an Erderwärmung wird sich zusätzlich überall bemerkbar machen", sagt Valérie Masson-Delmotte, Co-Vorsitzende der zuständigen Arbeitsgruppe beim IPCC. Und das gilt auch für Europa.

Der UN-Weltklimarat: Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, zu Deutsch auch Weltklimarat), ist eine Institution der Vereinten Nationen. Im Namen dieses Gremiums erstellen Fachleute aus der ganzen Welt regelmäßig Übersichtsstudien, die bereits veröffentlichte Forschungsergebnisse zum Klimawandel auswerten und zusammenfassen. Diese IPCC-Studien sollen Politikerinnen und Politiker unterstützen, wissenschaftsbasierte politische Entscheidungen zu treffen. Die Studien zeigen Handlungsoptionen und deren mögliche Konsequenzen auf, weisen aber keine konkreten Lösungsansätze aus.

Laut der neuen IPCC-Studie werden die Durchschnittstemperaturen in allen europäischen Ländern stärker ansteigen, als durch natürliche Schwankungen erklärbar ist. Hitzewellen sollen intensiver und häufiger werden, die Zahl der Kälteeinbrüche und Frosttage im Winter zurückgehen. An fast allen europäischen Küsten wird der Meeresspiegel weiter steigen.

All das soll sogar unabhängig davon geschehen, mit welchen Emissions-Szenarien für Treibhausgase gerechnet wurde. Egal, wie viel CO2 eingespart wird: Einige Klimaschäden sind nicht mehr zu verhindern.

Es hätte nicht so weit kommen müssen

Grund ist die historische Erderwärmung: In Deutschland ist die Durchschnittstemperatur seit Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund menschlicher Aktivitäten bereits um 1,6 Grad Celsius gestiegen. Derselbe Trend zeigt sich in ganz Europa und weltweit, genauso wie die klimatischen Folgen dieser Veränderung. Dabei hätte es nicht so weit kommen müssen, sagt Johannes Quaas, Meteorologe und Mitautor der IPCC-Studie.

"Das IPCC gibt es seit der ersten UN-Klimakonferenz im Jahr 1992. Fast 30 Jahre nach den ersten zusammenfassenden Vorhersagen können wir jetzt belegen, dass die damalige Generation von Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern mit ihren Vorhersagen richtig gelegen hat."

Dass die aktuellen Prognosen so alarmierend sind, lastet Quaas der Politik der vergangenen Jahrzehnte an. "Hätten die damalige Bundesregierung und die anderen Regierungen danach gehandelt, was die Kolleginnen und Kollegen damals mit fundierten Belegen geraten haben, und was schon bei diesen ersten Klimaverhandlungen beschlossen wurde, hätten wir viele Klimaschäden vermieden, mit denen wir jetzt umgehen müssen."

Einige Klimawandelfolgen noch zu stoppen

Im November steht die 26. UN-Klimakonferenz an, dieses Mal wird im schottischen Glasgow verhandelt. Im Fokus dabei: die Prognosen der IPCC-Studie. Und das enge Zeitfenster, das demnach noch offensteht, um eine völlige Klimakatastrophe abzuwenden.

"Die gute Nachricht ist, dass wir die unumkehrbaren Veränderungen immer noch verlangsamen können und andere Klimawandelfolgen auch noch ganz stoppen können", sagt Klimaforscherin Masson-Delmotte vom IPCC. Dafür müssten die globalen Treibhausgasemissionen allerdings "schnell, stark und langfristig" reduziert werden.

Weniger Überschwemmungen durch weniger Treibhausgase

Welchen Unterschied das auch in Europa machen kann, zeigen beispielsweise die Vorhersagen des IPCC zu Starkregenereignissen: Mit Ausnahme des Mittelmeerraumes sollen Überschwemmungen durch sehr heftige Regenfälle in ganz Europa zunehmen – allerdings erst ab einer globalen Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad Celsius.

Denselben Grenzwert nennt das IPCC auch für schwere Klimawandelfolgen in anderen Erdregionen. Er entspricht der internationalen Vereinbarung aus dem Pariser Klimaabkommen, mit dem sich die Weltgemeinschaft verpflichtet hat, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Geht es so weiter wie bisher, droht laut IPCC allerdings ein durchschnittlicher Temperaturanstieg um 3 Grad Celsius. Schon 2030 würde dann die entscheidende Grenze von 1,5 Grad erreicht. Selbst die aktuellen Klimaversprechen der internationalen Gemeinschaft führen den Berechnungen zufolge noch zu 2,1 Grad Erwärmung.

Deutsche Klimapolitik mit Luft nach oben

Im Bundesumweltministerium verwies Ministerin Svenja Schulze (SPD) nach Veröffentlichung der IPCC-Studie auf die deutschen Klimaziele. Deutschland leiste bereits einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, so Schulze. Nun müssten möglichst viele andere Staaten nachziehen. Dass die deutschen Klimapläne selbst am versprochenen 1,5-Grad-Ziel aus Paris vorbeischlittern, hat die "Climate Action Tracker"-Analyse dreier führender Klimaforschungsinstitute aber schon gezeigt.

Patrick Graichen, Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende, sieht die Bundesregierung in der Pflicht. "Der Weltklimarat macht unmissverständlich deutlich, dass mutigeres und schnelleres Handeln erforderlich ist, um die Erderwärmung zu bremsen. Noch haben wir die Chance, schlimmere Entwicklungen abzuwenden."

Das IPCC will politisch neutral bleiben

Für Deutschland bedeute das, Klimapolitik ins Zentrum allen politischen Handelns zu rücken, im Wahlkampf, aber vor allem auch danach. "Es muss darum gehen, schnell schlüssige Lösungen für die Aufgabe vorzulegen, die uns die Studie erneut drängend stellt. Dafür braucht es von der künftigen Bundesregierung innerhalb der ersten 100 Tage ein Sofortprogramm, das den Klimaschutz auf Kurs bringt, sodass die Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen eingehalten werden", so Graichen.

Trotz seiner eindrücklichen Warnungen und des Aufrufs an politische Entscheidungsträger, den Treibhausgasausstoß weiter zu reduzieren, hält sich das IPCC mit konkreten Lösungsansätzen zurück. Wo Denkfabriken und Nichtregierungsorganisationen in ihren Studien gerne detaillierte Politikvorschläge machen, bleibt in IPCC-Studien eine Leerstelle. Das IPCC will politisch neutral bleiben, betont das Gremium immer wieder.

Der dramatischste Aufruf in der Pressekonferenz zur Studie kam von anderer Seite. "Der Klimawandel ist jetzt hier, aber wir sind es eben auch. Und wenn wir nichts tun, wer dann?" Die rhetorische Frage von Inger Andersen, Chefin des UN-Umweltprogramms, galt sicher auch denen, die sich beim kommenden UN-Klimagipfel im Herbst in Glasgow treffen.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an Dr. Patrick Graichen, Direktor bei Agora Energiewende
  • Anfrage an Prof. Dr. Johannes Quaas, Professor für Theoretische Meteorologie an der Universität Leipzig und Co-Autor der IPCC-Studie
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