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Russischer Soldat: "Diese Armee braucht keinen Gegner, wir schlagen uns selbst"


Russischer Ex-Soldat berichtet
"Diese Armee braucht keinen Gegner, wir schlagen uns selbst"

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 02.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Russische Soldaten in einem Schützengraben (Archivbild): Eine Einheit berichtet, sie hätte keine Verpflegung bekommen.Vergrößern des BildesRussische Soldaten harren in der Nähe von Cherson in Schützengräben aus. (Quelle: IMAGO/Viktor Antonyuk)
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Er lebt an einem geheimen Ort in Frankreich: Ein früherer russischer Fallschirmjäger veröffentlicht nun ein Buch über seine Erlebnisse im Ukraine-Krieg.

Zwei Monate lang hat Pawel Filatjew als russischer Soldat den Krieg in der Ukraine erlebt. Seine Meinung über die unter Kremlchef Wladimir Putin zur Chaostruppe verkommene russische Armee hat er schon im Sommer gratis im Internet geteilt. Mit seinem Frontbericht "Zov. Der verbotene Bericht. Ein Fallschirmjäger packt aus" sorgte er international für Furore.

Nun veröffentlicht er unter demselben Titel ein Buch, in dem er schildert, wie Soldaten durch fehlende Führung scheitern. "Ich rauche und ärgere mich über die Führung, dass wir nun seit drei Tagen hier sind und oben offenbar niemand daran gedacht hat, dass wir etwas zu rauchen, zu essen und zu trinken brauchen", schreibt er etwa. Kaputte Technik, ein Fahrzeug ohne Bremsen, durch Pannen verstümmelte Soldaten: "So eine Armee braucht keinen Gegner, wir machen uns selbst fertig." Die Armee sei "technisch hoffnungslos veraltet und moralisch verrottet".

Filatjew hat in Frankreich Asyl

"Zov" ist das russische Wort für Ruf. Aber das große Z ist auch das Kriegssymbol, das russische Panzer in der Ukraine tragen. Dem 34-Jährigen, der in Frankreich Asyl hat und seinen Aufenthaltsort geheim hält, droht in seiner Heimat eine lange Haftstrafe wegen Diffamierung der russischen Streitkräfte.

Filatjew will mit seinen Veröffentlichungen so viele Russen wie möglich über die Sinnlosigkeit des Krieges aufklären – und sie bestenfalls dazu bringen, dagegen aufzustehen. Mehr als 600.000 Aufrufe hat die auf Youtube veröffentlichte russische Hörbuchversion.

Als Soldat war er nach eigenen Angaben dabei, als die russische Armee am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte. Er habe anfangs selbst daran geglaubt, dass es einen berechtigten Grund für die Invasion gebe – bis er gemerkt habe, dass die Ukrainer nicht auf die vom Kreml angekündigte Befreiung gewartet hatten.

Filatjew: Zivilisten werden getötet

Auch die Behauptung der russischen Führung, sie habe einem kurz bevorstehenden ukrainischen Angriff zuvorkommen wollen, könne nicht wahr sein, schreibt Filatjew. Für einen solchen Fall wäre es aus seiner Sicht einfacher gewesen, wenn Russland seine eigenen Grenzen verstärkt hätte und bei einem möglichen Angriff in die Gegenoffensive gegangen wäre – "(...) und die Weltgemeinschaft könnte uns nicht vorwerfen, ein Aggressor und Besatzer zu sein".

Filatjew widerspricht zudem der offiziellen Darstellung einer Spezialoperation gegen Nazis. Getötet werden Zivilisten, die gegen die russischen Besatzer sind – und es werden ganze Städte sinnlos zerstört, schreibt Filatjew. Andererseits sagt er, er könne keine Gräueltaten der Armee bezeugen. "Ich kann mich natürlich nicht für die ganze Armee verbürgen, aber vor meinen Augen wurde niemand gequält, geschweige denn vergewaltigt."

"Armee wurde zielgerichtet ruiniert"

In dem Buch wechseln sich tagebuchähnliche Notizen von der Front ab mit Analysen, bei denen Filatjew mit Distanz auf die Erlebnisse schaut. Während sich die Elite bereichere, in Villen, Schlössern und auf Jachten im Luxus lebe, müssten einfache Soldaten ihre ärztliche Behandlung und Medikamente oft selbst bezahlen, schreibt er. Das sollte den Menschen in Russland zeigen, wie es tatsächlich um die Armee stehe im flächenmäßig größten Land der Erde.

"Eine Armee, die zielgerichtet ruiniert wurde, während wir alle geschwiegen und uns die Paraden am 9. Mai auf dem Roten Platz angeschaut haben", schreibt er mit Blick auf den Feiertag zum Sieg der Sowjetarmee über Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg. "Am 9. Mai danken wir unseren Vorfahren, die den Krieg beendet haben. Haben wir, ihre Nachkommen, jetzt wirklich einen Krieg begonnen?"

Filatjew zeichnet eine düstere Zukunft für sein Land, das in "Lügen, Betrug und falschen Werten" versinke. Alles sei verkümmert – von der Verteidigung über das Gesundheitswesen bis hin zum Rechtssystem. Der Mensch als solcher zähle nichts. "Aus dem Siegervolk wurde ein Besatzervolk und ein Aggressor!" Filatjew hat im Sommer angekündigt, den Erlös aus den Buchverkäufen spenden zu wollen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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