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Türkei | Nato fordert Ukraine-Gespräche: Sie streuen Salz in Putins Wunde


Nato-Außenministertreffen in der Türkei
Putin ist in Not


Aktualisiert am 15.05.2025 - 13:16 UhrLesedauer: 6 Min.
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Wladimir Putin: Der Kreml-Chef entscheidet sich vorerst gegen Friedensverhandlungen, an denen er persönlich teilnehmen muss. (Quelle: Imago)
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Das Nato-Außenministertreffen in der Türkei steht im Schatten der möglichen Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul. Mit seiner Absage bringt Wladimir Putin nicht nur Donald Trump und die Europäer gegen sich auf.

Aus Belek, Türkei, berichtet Patrick Diekmann.

Als Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) Mittwochnacht in Antalya landet, ist die Umgebung des Flughafens in der türkischen Urlaubsregion bereits in tiefe Finsternis gehüllt. Mitten im Ferienparadies versammeln sich im nahegelegenen Ort Belek am Donnerstag die Außenministerinnen und Außenminister der Nato zu einem informellen Treffen. Doch bereits am Vorabend war klar: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Nato-Gespräche von Ereignissen überschattet werden, die circa 700 Kilometer weiter nördlich stattfinden.

Denn in Istanbul kommt es wohl zu Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Wie genau diese ablaufen werden, ist zwar vollkommen unklar. Fest steht aber seit dem späten Mittwochabend: Vorerst reisen weder Wladimir Putin noch sein Außenminister Sergej Lawrow in die Türkei.

Die russische Delegation aus Beratern und Vizeministern ist vor allem für diejenigen ein Schlag ins Gesicht, die an ernsthafte Verhandlungen geglaubt haben. Dabei ist der Kremlchef aktuell in Not. Der internationale Druck auf ihn wächst, und er kommt nicht nur von den westlichen Verbündeten der Ukraine.

Das ist besonders deswegen bemerkenswert, da sich Russland selbst in diese politische Misslage gebracht hat. Nun sucht Putin nach einem Ausweg aus dieser Sackgasse – und stößt dabei auch Verbündete vor den Kopf.

Video | Selenskyj mit Botschaft an Russland
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Quelle: reuters

Viele Augen schauen auf Istanbul

Noch kurz vor Beginn des Nato-Treffens in Belek wissen viele der Teilnehmer noch nicht wirklich, wie lange sie in der Türkei sein werden. Im Hintergrund läuft Krisendiplomatie auf Hochtouren. Die Lage ist volatil, jeden Moment kann sich etwas ändern. Denn Russland lässt sich lange nicht in die Karten blicken.

Davon betroffen ist auch der deutsche Außenminister Johann Wadephul. Eigentlich sollte er bereits am Donnerstagabend in Estland bei einem Treffen des Ostseerates sein. Aber noch am Mittwoch wurde klar, dass sich die Pläne ändern werden. Denn im Zuge des Nato-Treffens kommen am Donnerstagnachmittag noch einmal die Außenminister der USA, Deutschlands, Italiens, Frankreichs und Großbritanniens im sogenannten "Quint"-Format zusammen. Gesprochen wird vor allem über die Ukraine.

Das zeigt, dass in den vergangenen Tagen etwas in Bewegung geraten ist. Mehr noch: Es könnte eine Chance für Diplomatie entstehen – trotz Putins Absage.

Nato ringt mit Ausgabenziel

Dabei gibt es auch innerhalb der Nato ausreichend anderen Gesprächsbedarf. Die Außenministerinnen und Außenminister müssen den nächsten Nato-Gipfel im Juni in Den Haag vorbereiten. Dabei geht es vorrangig darum, sich auf ein neues Ausgabenziel für Verteidigungsausgaben zu verständigen. Einerseits möchte die westliche Allianz damit auf die Bedrohungen durch Russland und China reagieren. Andererseits wäre eine Anpassung auch eine Antwort auf US-Präsident Donald Trump, dessen Anhänger mit einem Austritt der Amerikaner aus der Nato kokettieren.

Trump fordert, dass Nato-Mitgliedsländer mindestens fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben – eine Maximalforderung, die die Amerikaner selbst nicht erreichen. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich die Allianz auf Ausgaben von 3,5 Prozent bis zum Jahr 2032 einigen wird.

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Die Bundesregierung möchte hierbei eine Vorreiterrolle einnehmen, nachdem Deutschland viele Jahre selbst in der Frage der Verteidigungsausgaben auf der Bremse gestanden hatte. Trotzdem ist es eine Überraschung, dass sich Außenminister Wadephul öffentlich hinter Trumps Forderung nach einer massiven Erhöhung auf jeweils fünf Prozent der Wirtschaftsleistung der Nato-Staaten stellt. Man folge Trumps Einschätzung, dass dies notwendig sei, sagte der CDU-Politiker in der Türkei nach einem Gespräch mit US-Außenminister Marco Rubio.

Die Idee dahinter: Die Bundesregierung möchte Trump Entgegenkommen signalisieren, nicht zuletzt um die Amerikaner als sicherheitspolitischen Akteur in Europa zu halten. Dabei kann Deutschland davon ausgehen, dass sich die Militärallianz am Ende nicht auf fünf Prozent verständigen wird. Denn Länder wie Spanien oder Italien haben große Probleme damit, selbst das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.

Auch für Wadephul persönlich ist es ein besonderes Nato-Treffen. Immerhin ist er erst wenige Tage im Amt, einige der Außenminister treffen ihn das erste Mal persönlich. Deswegen steht er unter besonderer Beobachtung. Viele Außenministerinnen und Außenminister suchen das Gespräch mit ihm – ein Händedruck, ein kurzer Scherz –, und auch auf dem "Familienfoto" wird der CDU-Politiker in der Mitte positioniert.

"Der Ball liegt im Feld Russlands"

Das Hauptaugenmerk liegt an diesem Donnerstag dennoch auf dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Nato-Generalsekretär Mark Rutte sieht trotz des Fernbleibens von Putin bei den Ukraine-Verhandlungen Chancen auf Fortschritte. Er sei weiterhin vorsichtig optimistisch, dass es in den nächsten Wochen zu Durchbrüchen kommen könnte, äußert der Niederländer in Belek. Die Russen müssten aber bereit sein, mitzuspielen.

Vorangebracht werden könnten die Gespräche nur, wenn die Russen mit einer relevanten Delegation erschienen, ergänzt Rutte. "Klar ist: Der Ball liegt jetzt im Feld Russlands." Es liege an den Russen, die notwendigen nächsten Schritte zu unternehmen.

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Doch das ist das Problem. Dass Putin spontan tatsächlich nach Istanbul reist, damit hat niemand wirklich gerechnet. Trotzdem ist die Enttäuschung über die schwache Besetzung der russischen Delegation auch innerhalb der Nato groß. Der Kreml benannte vier Unterhändler und vier Experten, die nun in Istanbul sind. Demnach wird die russische Delegation von Präsidentenberater Wladimir Medinski, dem stellvertretenden Außenminister Michail Galusin, dem Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin und dem Leiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU, Igor Kostjukow, angeführt.

Der US-Präsident hatte eine Reise in die Türkei für Freitag erwogen, sollte Putin anreisen. Doch daraus wird nichts, denn Putin kommt nicht. Die Folge: Es sind wahrscheinlich keine großen Fortschritte in Istanbul zu erwarten.

Der Ärger ist dementsprechend groß. Auch Wadephul wird deutlich. Die Welt würde darauf warten, dass Putin an den Verhandlungstisch kommt – und zwar mit einer Delegation, die der Notwendigkeit der Situation gerecht wird, sagt der Außenminister. Nur der russische Stuhl bleibe leer. "Russland will den Krieg fortführen. Russland will zu diesem Zeitpunkt keine ernsthaften Verhandlungen. Und das wird Folgen haben." Putin sei dabei, "seine Karten zu überreizen".

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Damit ist zunächst ein neues Sanktionspaket gemeint, das die Europäische Union schon seit Längerem aufgesetzt hat. Vor allem russische Rohstoffexporte und Putins Schattenflotte sollen mehr als bisher in den Fokus westlicher Strafmaßnahmen rücken. Die EU hat bisher allerdings gewartet – auf mögliche Verhandlungen in Istanbul und auf einen möglichen gemeinsamen Vorstoß mit den Amerikanern.

Denn auf Initiative des republikanischen Senators Lindsey Graham soll auch der US-Senat auf weitere Sanktionen gegen Russland drängen. Darauf hoffen die Europäer. Gemeinsam mit den USA hätten weitere Strafmaßnahmen gegen Putin mehr Schlagkraft.

Putins Narrativ zerbröselt

Der russische Präsident hat sich – und das wird mit Blick auf die Gespräche an diesem Donnerstag noch einmal besonders klar – ein Eigentor geschossen. Der Vorschlag für die Gespräche in Istanbul kamen vom russischen Präsidenten, weil er offenbar westliche Maßnahmen hinauszögern und auf Zeit spielen wollte. Nur rechnete der Kreml offenbar nicht damit, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj umgehend ein Gespräch auf der höchsten Ebene vorschlagen würde.

Letzten Endes hat sich Putin politisch also selbst ausgespielt. Er will eigene Stärke demonstrieren und sich weder vom Westen noch von Selenskyj nach Istanbul zitieren lassen. Nun steckt Putin in einem Dilemma. Wäre er seinem eigenen Vorschlag gefolgt, hätte er auf Augenhöhe mit Selenskyj verhandeln müssen – also mit dem ukrainischen Präsidenten, den die russische Propaganda als illegitimes Staatsoberhaupt mit Drogenproblemen verunglimpft.

Die Absage Putins zeigt nun aber klar: Moskau plant weiterhin, seine Kriegsziele militärisch zu erreichen. Das russische Narrativ, der Westen und die Ukraine seien nicht an Frieden interessiert, zerfällt. Und das hat Folgen für Russland.

Es ist dabei wenig überraschend, dass viele der westlichen Verbündeten der Ukraine Salz in Putins Wunde streuen. Fast alle von ihnen erinnern am Donnerstag daran, dass allein Russland dem Frieden in der Ukraine im Weg steht. Einerseits ist das ein Signal an Trump, von dem sie sich erhoffen, dass er nun endlich Druck auf Russland aufbaut. Andererseits ist es auch eine Botschaft an Staaten, die sich in dem Konflikt weitestgehend neutral verhalten, die aber unter den negativen Folgen von Putins Krieg auf die Weltwirtschaft leiden.

Damit gemeint sind vor allem Staaten wie China, Indien oder Brasilien. Brasiliens Präsident Lula etwa versuchte vergeblich, Putin von einer Teilnahme an den Gesprächen zu überzeugen. Er habe mit dem Kremlchef telefoniert, erklärte Lulas Büro. "Es kostet mich nichts zu sagen: 'Hey, Kamerad Putin, fahr nach Istanbul und verhandle verdammt noch mal'", erklärte Lula vor dem Telefonat.

Die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer haben sich gegenüber Russland in den vergangenen Tagen in eine bessere Position gebracht. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass bisher nichts Putin an den Verhandlungstisch zwingen konnte. Dass der Ball in der russischen Hälfte liegt, stimmt deshalb nur bedingt. Denn die Nato-Mitglieder ringen nun um Maßnahmen, um die Ukraine zu stärken und den Druck auf Russland zu erhöhen.

Zur bitteren Realität gehört auch, dass die Ukraine heute einem Frieden nicht näher ist als gestern. Auch wenn der Schuldige daran nun noch einfacher zu erkennen ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Begleitung der Reise von Außenminister Wadephul in die Türkei
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