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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Diskussion um Grenzkontrollen Manche Länder unterstützen auch den deutschen Kurs

Polen reagiert auf die deutschen Grenzkontrollen mit eigenen Maßnahmen. Das Land ist längst nicht mehr allein damit.
Überraschend konnte der Schritt von Donald Tusk nicht mehr sein. "Ich habe die deutsche Seite bereits im März vorgewarnt und mehrfach mit dem neuen Kanzler darüber gesprochen", sagte der polnische Ministerpräsident am Montag nach einer Kabinettsitzung in Warschau. Als Reaktion auf die deutschen Grenzkontrollen wird Polen ab dem kommenden Montag auch an seiner Grenze zu Deutschland Kontrollen einführen. Gleiches gilt für die Grenze zwischen Polen und Litauen. Die Kontrollen sollen vorerst bis zum 5. August bestehen bleiben.
Polen ist der erste Staat, der explizit mit Gegenmaßnahmen auf die deutschen Kontrollen reagiert hat. Allerdings sind Grenzkontrollen in den deutschen Nachbarstaaten keine Seltenheit mehr. Denn grundsätzlich ist es EU-Staaten möglich, trotz des Schengen-Abkommens die Grenzen zu kontrollieren.
Dafür muss ein Staat erklären, dass die "öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit" innerhalb eines Landes gefährdet sei. Die Kontrollen können nicht dauerhaft verhängt werden, auch in Deutschland sind sie aktuell bis zum 15. September befristet. Die EU-Kommission kann allerdings auch kein Veto gegen die Kontrollen einlegen.
Doch wie genau haben die deutschen Nachbarländer abgesehen von Polen bislang auf die Ankündigungen aus Deutschland reagiert und wo gibt es bereits Grenzkontrollen? t-online gibt einen Überblick:
Frankreich: Am 1. Mai hat das größte deutsche Nachbarland eigene Grenzkontrollen eingeführt. Die französische Regierung begründete die Maßnahme unter anderem mit dschihadistischen Bedrohungen und der gewachsenen Zahl von antisemitischen Angriffen.
Ferner begründete Frankreich die Kontrollen mit der Bekämpfung illegaler Migration, vor allem im Norden des Landes sowie an der Seegrenze nach Großbritannien. Allerdings gelten die Kontrollen sowohl für die Land-, Luft- und Seegrenzen aller Nachbarländer, also auch für die mit Deutschland. Die Kontrollen sind befristet bis zum 31. Oktober.
Mit Kritik an den deutschen Kontrollen hat sich die französische Regierung bislang zurückgehalten. Allerdings hatten sich die Bürgermeister der Grenzstädte Straßburg und Kehl in einem Brief über die Kontrollen bei Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beschwert. Bislang soll es darauf laut einem Bericht des SWR allerdings keine Antwort aus Berlin gegeben haben.
Niederlande: Bis zum 8. Dezember gelten in dem Land stichprobenartige Kontrollen an den Land- und Luftgrenzen zu Belgien und Deutschland. Die Niederlande hatten die Maßnahme mit der Bekämpfung illegaler Migration begründet.
Auf die verschärften Kontrollen in Deutschland hat die niederländische Regierung bislang nicht explizit reagiert. Das liegt aber auch daran, dass die Regierung jüngst durch den Rückzug der rechtspopulistischen Partei PVV von Geert Wilders zerbrochen war. Infolgedessen kam es Anfang Juni zu eigenmächtigen Fahrzeugkontrollen durch niederländische Privatpersonen an der deutschen Grenze. Mehr dazu lesen Sie hier.
Wilders sprach im Anschluss von einer "fantastischen Initiative", die auf die gesamte Grenze ausgeweitet werden sollte. Der kommissarische Migrationsminister David van Weel rief dagegen die Bevölkerung dazu auf, das Recht nicht in die eigene Hand zu nehmen.
Luxemburg: Der kleinste deutsche Nachbarstaat hat zuletzt keine Grenzkontrollen eingeführt. Allerdings hatte das dortige Innenministerium die Ankündigung von Kontrollen bereits im Bundestagswahlkampf kritisiert. "Wir sind gegen Kontrollen an den internen Grenzen der EU", sagte Luxemburgs Innenminister Léon Gloden am Rande eines Treffens der EU-Innenminister in Warschau. Laut dem Minister kämen täglich rund 250.000 Pendler aus Belgien, Frankreich und Deutschland nach Luxemburg.
Zuletzt hatte auch der luxemburgische Ministerpräsident Luc Frieden bei seinem Besuch in Berlin betont, wie wichtig die Aufrechterhaltung des Schengen-Raumes sei. Gleichzeitig habe man allerdings auch Verständnis für "einige Maßnahmen", die Deutschland ergriffen habe. Die Innenministerien beider Länder seien in engem Austausch, "damit wir eine verstärkte Polizeikooperation haben, die auch dazu führen kann, dass die Grenzkontrollen durch die verstärkte Polizeikooperation vermindert oder abgeschafft werden können", sagte Frieden am Montag in Berlin.
Belgien: Aktuell hat das Land noch keine Kontrollen eingeführt. Ende Juni kündigte allerdings die dortige Regierung an, dass entsprechende Maßnahmen geplant seien. In diesem Sommer sollen die Kontrollen anlaufen: Im Fokus stehen dabei vor allem Zufahrtsstraßen, der internationale Busverkehr sowie bestimmte Zug- und Flugverbindungen.
Ein Beispiel sind laut der Regierung etwa Flüge aus Italien und Griechenland, die generell unter "hohem Migrationsdruck" leiden. Die Kontrollen sollen auf sechs Monate befristet sein.
Dänemark: In Deutschlands nördlichstem Nachbarland werden noch bis zum 11. November die Land- und Seegrenzen nach Deutschland kontrolliert. Dänemark begründet den Schritt mit der Bedrohung durch mögliche russische Sabotageakte oder mögliche Anschläge durch islamistische Terrorgruppen wie den "Islamischen Staat" (IS). Die Regierung behält sich allerdings vor, die Kontrollen auf weitere Nachbarstaaten auszuweiten.
Österreich: Aktuell kontrolliert das Land die Grenzen zu allen Nachbarstaaten außer Deutschland, also nach Tschechien, Ungarn, Slowenien und der Slowakei. Die österreichische Regierung begründet das mit irregulärer Migration, dem anhaltenden Krieg zwischen der Ukraine und Russland und der verschärften Sicherheitslage im Nahen Osten.
Gegenmaßnahmen zu den deutschen Kontrollen sind bislang allerdings nicht vorgesehen. Im Gegenteil begrüßte das österreichische Innenministerium die Maßnahme. Innenminister Gerhard Karner sprach zwar davon, dass man illegale Zurückweisungen nach Österreich nicht dulden werde. Allerdings sagte Karner Mitte Mai beim Antrittsbesuch seines deutschen Kollegen Alexander Dobrindt (CSU) in Wien, dass es bislang keine Indizien für solche Praktiken gebe. Die Lage an der Grenze nach Deutschland sei weiterhin ruhig, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Wien t-online.
Tschechien: Das Land hat aktuell keine Grenzkontrollen verhängt. Allerdings sieht die Regierung die deutschen Maßnahmen kritisch. Innenminister Vit Rakusan forderte beim Besuch von Innenminister Dobrindt Ende Mai, dass Deutschland die Kontrollen bald beende und sprach von einer "Ausnahmesituation", in der sich aktuell Deutschland befinde.
Ein Sprecher des Innenministeriums in Prag sagte t-online, dass die Lage an der Grenze weiter beobachtet werde: "Im Falle einer Zunahme der illegalen Migration sind wir bereit, Maßnahmen zu ihrer Eindämmung zu ergreifen, im Extremfall auch in Form der Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen."
Schweiz: In dem Nicht-EU-Staat gibt es Kontrollen an allen Binnengrenzen. Diese gelten allerdings nicht flächendeckend, sondern werden nur stichprobenartig durchgeführt. Auf die deutschen Kontrollen folgte aus der Schweiz Kritik. "Wir teilen das Ziel mit Deutschland, irreguläre Sekundärmigration zu verhindern. Aus Sicht der Schweiz ist die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen allerdings kein geeignetes Mittel dazu", sagte ein Sprecher des Staatssekretariats für Migration t-online. Man erwarte zudem, dass sich Deutschland an das geltende Recht halte. Dazu zählten das Dublin-Abkommen, die Schengen-Regeln und die Genfer Flüchtlingskonvention.
Bei einem Besuch des zuständigen Vorstehers des Departements, Beat Jans, Ende Mai in Berlin betonten der Schweizer und Dobrindt, dass eine gemeinsame europäische Lösung nötig sei, um die illegale Migration einzudämmen. Das unterstrich auch das zuständige Staatssekretariat.
Konkrete Gegenmaßnahmen ergriff das Land bislang allerdings nicht. Der Sprecher sagte, dass man schon seit Langem eng mit der deutschen Bundespolizei zusammenarbeite. Seit Deutschland die Kontrollen eingeführt hat, könne das Staatssekretariat zudem keine grundlegenden Änderungen der Situation an der Grenze feststellen.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- home-affairs.ec.europa.eu: "Temporary Reintroduction of Border Control" (Englisch)
- news.admin.ch: "Bundesrat Beat Jans trifft deutschen Innenminister Alexander Dobrindt in Berlin"
- tagesschau.de: "Beschwerde über Grenzkontrollen aus Kehl und Straßburg: Bislang keine Antwort von Kanzler Merz"
- br.de: "4 Wochen 'Aktion scharf' an der Grenze: Wie sieht es in Österreich aus?"
- x.com: Beitrag von @EJPD_DFJP_DFGP
- bmi.gv.at: "Österreich und Deutschland: Gemeinsam gegen Schleppermafia und illegale Migration"