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Skandal in Österreich: Ist das Strache-Video illegal aufgezeichnet worden?


Österreich-Skandal
Ist das Strache-Video illegal aufgezeichnet worden?

  • Jonas Mueller-Töwe
InterviewVon Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 22.05.2019Lesedauer: 3 Min.
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Videofalle auf Ibiza: FPÖ-Chef Strache (r.) und Wiens Vizebürgermeister Gudenus sprechen mit einer vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen (nicht im Bild).Vergrößern des Bildes
Videofalle auf Ibiza: FPÖ-Chef Strache (r.) und Wiens Vizebürgermeister Gudenus sprechen mit einer vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen (nicht im Bild). (Quelle: Spiegel/Süddeutsche Zeitung/dpa-bilder)

Die Veröffentlichung des Strache-Videos sei gerechtfertigt, heißt es, die Aufnahmen selbst allerdings möglicherweise illegal. Stimmt das? So einfach ist es nicht, sagt Medienrechtsexperte Tobias Gostomzyk.

Die heimlichen Aufnahmen des nun ehemaligen österreichischen Vize-Kanzlers und FPÖ-Chefs haben Österreich erschüttert. Das Video zeigt Heinz-Christian Strache und Fraktionschef Johann Gudenus in Verhandlungen mit einer Frau, die vorgibt, eine russische Oligarchen-Nichte zu sein. Die Politiker versprechen unter anderem politische Gefälligkeiten und Staatsaufträge im Gegenzug für Wahlkampfunterstützung. Doch die Frau ist ein Lockvogel, die Situation in einer Villa auf Ibiza eine Inszenierung.

Grenzen der verdeckten Recherche

Spiegel und Süddeutsche Zeitung hatten das Video am Freitag veröffentlicht. Informanten hatten es ihnen zugespielt. Um wen es sich dabei handelt, ist unklar: ob Journalisten, Aktivisten, Geheimdienste, politische Gegner oder Kriminelle. Die Medien schützen ihre Quellen, haben aber nach eigenen Angaben selbst keine gesicherten Belege zu ihrer Identität.

Strache selbst und die FPÖ betonen in ihrer Verteidigungsstrategie immer wieder, die Aufnahmen seien "illegal" und "kriminell". Auch Baden-Württembergs Datenschutzbeauftragter bewertete die Aufzeichnung als "kriminelles Unrecht". Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall, sagte, Journalisten dürften solche Aufnahmen zwar verwerten – aber nicht selbst produzieren, das sei "undenkbar".

Stimmen all diese Aussagen?

Medienrechtsexperte Tobias Gostomzyk zeichnet ein differenzierteres Bild. Er lehrt am Institut für Journalistik der Technischen Universität Dortmund. Die Veröffentlichung des sogenannten "Ibiza-Videos" sei zweifelsfrei gerechtfertigt, sagt Gostomzyk. Die rechtliche Bewertung der Aufnahmesituation sei hingegen schwierig – er erläutert es am Beispiel verdeckt recherchierender Journalisten.

Herr Gostomzyk: Es heißt, die Aufnahmen von Strache in einer Villa auf Ibiza seien illegal gewesen. Wie sieht das in der deutschen Rechtsprechung aus?

Tobias Gostomzyk: Die Anfertigung des Videos und seine Veröffentlichung sind rechtlich zu unterscheiden. Die Journalisten haben die Aufnahmen zugespielt bekommen. Sie können also allenfalls für seine Veröffentlichung verantwortlich sein.

Wovon hängt es dann ab, ob die Veröffentlichung rechtmäßig ist?

Es ist entscheidend, ob das öffentliche Informationsinteresse an dem Video das allgemeine Persönlichkeitsrecht der gefilmten Personen überwiegt. Das ist hier zweifelsfrei der Fall. Es ist von erheblicher Relevanz, ob ein Vizekanzler gewillt ist, illegale Parteispenden anzunehmen oder gegen Gefälligkeiten staatliche Aufträge zu vergeben.

Das heißt: Die Veröffentlichung kann gerechtfertigt sein, selbst wenn die Aufnahmen unter illegalen Voraussetzungen zu Stande gekommen sind?

Ja, ein absolutes Verwertungsverbot solcher Aufnahmen gibt es nicht. Die Gerichte entscheiden von Einzelfall zu Einzelfall. In einem Fall wurde beispielsweise einem Minister der Laptop gestohlen. Informationen daraus wurden an die Presse weitergegeben – und der Bundesgerichtshof entschied, dass die Veröffentlichung rechtmäßig sei.

Welche Informationen waren das?

Aus dem Schriftverkehr ging hervor, dass er er eine außereheliche Beziehung zu einer Mitarbeiterin und ein Kind mit ihr hatte. Er weigerte sich, seine Vaterschaft anzuerkennen und Unterhalt zu zahlen – obwohl er gesetzlich dazu verpflichtet war. Stattdessen zahlte die Staatskasse. Schon hier überwog also das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung.

Ist das Strache-Video denn illegal zu Stande gekommen? Kann man das so pauschal sagen?

Bei der Anfertigung des Videos kommen mehrere Straftatbestände in Betracht: Die heimlichen Tonaufnahmen verstoßen beispielsweise gegen die Vertraulichkeit des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes. Auch das heimliche Filmen im privaten Bereich ist grundsätzlich strafbar. Auch Hausfriedensbruch wäre möglich.

Würden sich Journalisten bei einer solcher verdeckten Recherche rechtswidrig verhalten?

Journalisten sind bei verdeckten Recherchen enge Grenzen gesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu 1984 eine Leitentscheidung getroffen: Undercover-Reporter Günther Wallraff hatte sich bei der Bild-Zeitung eingeschleust, um über fragwürdige Praktiken aufzuklären. Das durfte er laut der Entscheidung auch – grundsätzlich.

Es sind allerdings bestimmte Voraussetzungen zu beachten: Es muss ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse gegeben sein und die Informationen dürfen nicht auf anderem Wege zu erhalten sein. Und Tonaufnahmen sind grundsätzlich rechtswidrig – die bleiben nur höchst ausnahmsweise straflos.

Hätten also Journalisten in der Causa Strache zulässigerweise verdeckt recherchieren dürfen?

Ausgeschlossen ist das nicht. Die Informationen sind von erheblichem öffentlichen Interesse. Aber: Sie hätten sich sehr sicher sein müssen, dass solche Aussagen von Herrn Strache wahrscheinlich wären. Dafür hätten sie vorab also belastbare Indizien haben müssen. Wir wissen nicht, ob es die gab. Eine Recherche ohne begründeten Anfangsverdacht wäre rechtlich sehr riskant.

Verwendete Quellen
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