Held oder Nazi-Kollaborateur? Das ist ΓΌber Stepan Bandera bekannt

Seit der ukrainische Botschafter behauptete, der Nationalist war "kein MassenmΓΆrder", herrscht helle Aufregung. Hat Andrij Melnyk recht?
Sein Name ist plΓΆtzlich in aller Munde β und sorgt fΓΌr viel Aufregung. "Bandera war kein MassenmΓΆrder von Juden und Polen", hatte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, zuletzt in einem Interview mit dem Journalisten Tilo Jung erklΓ€rt. Seitdem steht der Botschafter stark in der Kritik. Nicht nur aus Polen wurden Melnyks Aussagen als "inakzeptabel" kritisiert. Auch das AuΓenministerium in Kiew ging auf Distanz zu dem Botschafter. Doch wer genau ist Stepan Bandera?
Stepan Bandera ist in der Ukraine eine β allerdings nicht unumstrittene β Symbolfigur des Strebens nach einem eigenen Staat in der ersten HΓ€lfte des vergangenen Jahrhunderts. Er wurde 1909 als Sohn eines griechisch-katholischen Priesters in Ostgalizien, der ΓΆstlichsten Provinz der Habsburger Monarchie, geboren. Schon seine Kindheit war geprΓ€gt vom Streben ethnischer Ukrainer nach einem eigenstΓ€ndigen Staat β auch nach dem Ersten Weltkrieg, als anderswo Nationalstaaten neu entstanden, lebten etwa 80 Prozent von ihnen in der sowjetischen Ukraine und etwa 20 Prozent in Polen.
Bandera engagierte sich frΓΌh in der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und stieg rasch zu einem ihrer AnfΓΌhrer auf. Nach Darstellung des Historikers Grzegorz Rossolinski-Liebe organisierte er mehrere Attentate. Wegen seiner Mitverantwortung am Tod des polnischen Innenministers Bronislaw Pieracki landete er fΓΌr Jahre im GefΓ€ngnis. Die zu lebenslanger Haft umgewandelte Todesstrafe stΓ€rkte seinen Ruhm als MΓ€rtyrer der ukrainischen Sache noch weiter.
BrΓΌder starben in Auschwitz
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs fand Bandera, der aus dem polnischen GefΓ€ngnis ausgebrochen war, VerbΓΌndete in den deutschen Nationalsozialisten. Seine radikale OUN-Fraktion war laut Rossolinski-Liebe maΓgeblich an antijΓΌdischen Ausschreitungen beteiligt. Eine UnterstΓΌtzung fΓΌr eine unabhΓ€ngige Ukraine fand der Ultra-Nationalist Bandera bei den Nazis aber nicht: Er wurde verhaftet und bis Herbst 1944 als SonderhΓ€ftling in Berlin und im Konzentrationslager Sachsenhausen festgehalten. An den ethnisch motivierten Vertreibungen und der Ermordung Zehntausender polnischer Zivilisten im Westen der Ukraine war er deshalb 1943 nicht persΓΆnlich beteiligt β er wird aber fΓΌr die Taten nationalistischer Partisanen mitverantwortlich gemacht. In der Westukraine sollen rund 800.000 Juden ermordet.
Bandera ΓΌberlebte die Haftzeit in Sachsenhausen β einige seiner Mitstreiter, darunter seine BrΓΌder, wurden dagegen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Nach dem Krieg soll Bandera im Kontakt mit westlichen Geheimdiensten von Deutschland aus weiter fΓΌr eine UnabhΓ€ngigkeit der Ukraine von der Sowjetunion gekΓ€mpft haben. 1959 wurde er in MΓΌnchen von einem Agenten des sowjetischen Geheimdienstes KGB ermordet.
- Nachrichtenagentur dpa
- bpb.de: "Stepan Bandera, der ukrainische Nationalismus und der transnationale Faschismus"