t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAusland

Tod von Shinzo Abe: Wie der japanische Ex-Premier sein Land veränderte


Tod von Shinzo Abe
Zu Merkel hatte er ein kühles Verhältnis

Von Miriam Hollstein

Aktualisiert am 08.07.2022Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Shinzo Abe: Der frühere Premierminister Japans ist nach einem Attentat gestorben.Vergrößern des Bildes
Shinzo Abe: Der frühere Premierminister Japans ist nach einem Attentat gestorben. (Quelle: Shizuo Kambayashi/ap-bilder)

Japans Ex-Premier Shinzo Abe ist den Folgen eines Attentats erlegen. Wer war der Mann, der sein Land zu neuer Stärke führte und trotzdem scheiterte?

Wie sehr Shinzo Abe Japan geprägt hat, lässt sich in einem Wort fassen: Abenomics. So nannten die japanischen Medien die tiefgreifenden Wirtschaftsreformen, die der frühere Premierminister seinem Land verordnete und zu der unter anderem zahlreiche Deregulierungen, eine Lockerung der Geldpolitik und auf Pump finanzierte Konjunkturprogramme gehörten. Das Mischwort setzt sich aus dem Namen Abes und dem englischen Begriff für Wirtschaft ("economics") zusammen.

Abe, geboren am 21. September 1954 in Tokio, hat länger als jeder andere Japan regiert. Und er war gleich zweimal Premierminister: von 2006 bis 2007 und von 2012 bis 2020. Am Freitag wurde er auf einer Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Nara im Süden Honshus angegriffen. Ein 41-jähriger früherer Soldat erschoss ihn gegen 11.30 Uhr aus nächster Nähe mit einer selbst gebauten Waffe. Abe hatte seinen Parteifreund, Premierminister Fumio Kishida von der Liberaldemokratischen Partei LDP, bei den anstehenden Oberhauswahlen unterstützen wollen.

Bei dem Anschlag erlitt er schwere Verletzungen und einen Herzstillstand. Nur wenige Stunden später vermeldeten japanische Medien seinen Tod. Mehr dazu lesen Sie hier.

Erfolgreich erst im zweiten Versuch

Als Abe 2012 zum zweiten Mal Premierminister wurde, steckte die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt in der Krise, kämpfte mit Schulden und Deflation. Seine Abenomics sollten Japan Selbstvertrauen zurückgeben. Abe versprach einen "Raketenstart". Zugleich legte er bei der Energiepolitik eine Kehrtwende hin, indem er die Rückkehr zur Kernkraft ankündigte. Die Vorgängerregierung hatte einen Ausstieg bis 2040 beschlossen.

Seine erste Amtszeit war wenig erfolgreich gewesen. Da hatte Abe nach nur einem Jahr und einer Reihe von Skandalen zurücktreten müssen. Er tat es mit einer bemerkenswerten Begründung: Stressbedingte "Verdauungsstörungen" hätten ihn zu diesem Schritt bewogen. Tatsächlich litt er unter einer chronischen Darmerkrankung.

Das hielt ihn nicht von einem zweiten Anlauf ab. Geholfen haben dürfte, dass er das Politmetier aus der eigenen Familie kannte: Bereits sein Großvater und sein Großonkel waren Premierminister gewesen.

Diesmal lief es besser: Unter seiner Führung erlebte Japan eine lange Wachstumsphase und wurde auch in der internationalen Politik zu einem Schwergewicht. 2018 wählte das Magazin "Forbes" Abe unter die 100 einflussreichsten Menschen der Welt.

Abe wollte mehr Nationalstolz im Unterricht

Allerdings spaltete sein nationalistischer Kurs das Land. Abe hatte angeordnet, im Schulunterricht müsse mehr "Nationalstolz" vermittelt werden. Auch setzte er auf eine Remilitarisierung des Landes, was 2015 zu Massenprotesten führte.

Mit Angela Merkel war das Verhältnis pragmatisch-kühl. Von allen G7-Staats- und Regierungschefs konnte sie mit Abe am wenigsten anfangen. Weder mit seiner Finanzpolitik, mit einer Geldschwemme die Wirtschaft anzukurbeln, noch mit seiner Rückkehr zur Atomkraft, an der Abe auch nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima festhielt.

Näher stand Abe der amerikanischen Regierung. Doch unter Donald Trump sollte auch dieses Verhältnis an seine Grenzen geraten, obwohl sich der japanische Premier wie kaum ein anderer um den damaligen US-Präsidenten bemühte. Zahlreiche Videos von bizarren Händeschüttelszenen zwischen den beiden belegen, wie schwer er sich trotzdem mit ihm tat.

2019 geriet Japan in eine Rezession. Hinzu kam eine neue Serie von Skandalen; in einen war auch Abes Frau Akie verwickelt. Eine nationalistisch ausgerichtete Privatstiftung hatte vom Staat für einen Spottpreis ein Grundstück für den Bau eines Kindergartens erworben. Dessen Ehrendirektorin war niemand anderes als Abes Frau. Er selbst bestritt jegliche Beteiligung. Weil er viele Vorwürfe aussitzen konnte, erwarb er sich den Ruf eines "Teflon-Politikers".

Das Ende seiner Karriere im August 2020 kam nicht ganz unerwartet, aber dennoch überraschend. Im Alter von 65 Jahren trat Abe zurück, kurz nach dem er den Rekord seines Großonkels für die längste Amtszeit eines japanischen Ministerpräsidenten gebrochen hatte. Erneut gab er gesundheitliche Gründe an. Abe blieb auch nach seinem Ausscheiden aus dem offiziellen Amt der Strippenzieher im Hintergrund – bis zu seinem Tod.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website