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USA: Donald Trump gegen Joe Biden gegen Bernie Sanders – alles ist möglich


Republikaner gegen Demokraten
Die Wiederwahl Trumps steht längst fest? Quatsch!

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 06.03.2020Lesedauer: 4 Min.
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Donald Trump spricht bei einer "Town Hall"-Veranstaltung des Senders Fox News in Pennsylvania: Er glaubt, dass Joe Biden sein Herausforderer wird.Vergrößern des Bildes
Donald Trump spricht bei einer "Town Hall"-Veranstaltung des Senders Fox News in Pennsylvania: Er glaubt, dass Joe Biden sein Herausforderer wird. (Quelle: Matt Rourke/ap)

Joe Biden ist am Ende? Donald Trump wird ganz sicher wiedergewählt? Nach den "Super Tuesday"-Überraschungen können Sie solche Prognosen ignorieren.

Guten Tag aus Washington!

Der Wahlkampf ums Weiße Haus ist, grob gesagt, eine Sache von zwei Jahren, so lang sind die Zyklen in der US-Politik, doch manchmal kippt das Rennen innerhalb von drei Tagen.

So geschah es in dieser atemberaubenden Woche. Ich war zum "Super Tuesday" in Kalifornien. Der bevölkerungsreichste Staat war der größte Preis, den es am Superwahltag zu gewinnen gab. Ich wollte den Triumph von Bernie Sanders aus der Nähe studieren, den hier schließlich alle Beobachter fest erwarteten. Die Frage war vor allem, wie groß er ausfallen würde: Würde er hier schon seinen Konkurrenten enteilen und sich die Präsidentschaftskandidatur nicht mehr nehmen lassen? So war die Lage, als ich am Sonntagmittag aus dem Flugzeug stieg.

Drei Tage später stand ich am Wahlabend in Los Angeles dann tatsächlich vor einem großen Wahlsieger, nur hieß der Mann nicht Sanders, sondern Joseph Rubinette Biden Jr.

Ich bin zu jung, um das Box-Comeback von Muhammad Ali erlebt zu haben, aber nun war ich Zeuge der größten Wiederauferstehung der jüngeren US-Politikgeschichte.

Vom anfänglichen Favoriten zum verspotteten Totgesagten und dann wieder zum strahlenden Sieger: Ich hatte Joe Bidens Monate in einem früheren Text als Achterbahnfahrt beschrieben, aber das war noch maßlos untertrieben.

Biden lud am Wahlabend auf ein Basketballfeld in Los Angeles im Stadtteil Baldwin Hills ein, ich erlebte ihn dort als einen Mann, der sein Glück selbst kaum fassen konnte. Als er die Staaten aufzählte, in denen er gewonnen hatte, schrie er "Minnesota" mit solcher Verve, als wolle er selbst gleich dort hinziehen. Kein Wunder: Er hatte in Minnesota nicht einmal Wahlkampf gemacht. Er hatte in Texas nur einen Bruchteil der Werbeanzeigen von Sanders und gewann dort ebenfalls. Kalifornien gewann er nicht, dafür aber 10 der anderen 13 Bundesstaaten.

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Das Zauberwort lautet endorsement. Konkurrent Pete Buttigieg schied am Sonntag aus, Amy Klobuchar am Montag und gemeinsam mit dem schon im Herbst ausgeschiedenen Beto O'Rourke riefen sie ihre Anhänger auf, für Biden zu stimmen. Ohne diese Endorsements hätte Biden weder Klobuchars Heimatstaat Minnesota noch Texas, dessen Demokraten O'Rourke verehren, gewonnen.

Ich hatte Sie in der Kolumne in der vergangenen Woche ein wenig darauf vorbereitet, dass Biden zurück im Rennen sein wird. Doch mit welcher Wucht sich moderate Kandidaten nach seinem Sieg in South Carolina am Samstag hinter ihm versammeln würden und wie das Bidens Nachteile am "Super Tuesday" (weniger Geld, weniger Werbung, weniger Helfer) wettmachen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Bernie Sanders übrigens auch nicht ...

Biden wurde gewählt von den Afroamerikanern im Süden, von der vom Trump-Chaos ermüdeten Mittelschicht in den Vorstädten, sowie von älteren Bürgern – das ist eine Wählerkoalition, die einen weit tragen kann.

Interessieren Sie sich für die US-Wahl 2020? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. , die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Lange wurde im Vorwahlkampf der Demokraten vor allem die Unterschiedlichkeit der Kandidaten bestaunt: Mehrere Afroamerikaner waren im Rennen, eine Handvoll Frauen, ein Latino, ein Homosexueller, ein Sohn taiwanischer Einwanderer, der jedem Bürger 1.000 Dollar Grundeinkommen zahlen wollte.

Doch übrig geblieben sind zwei alte weiße Männer.

Bernie Sanders (78) ist der Kandidat für alle, die finden, dass etwas grundsätzlich im Lande schiefläuft. Sein Versprechen: Alles wird anders. Er macht nicht nur Wahlkampf gegen die Republikaner und die "Klasse der Milliardäre", sondern gegen das Parteiestablishment der Demokraten. Deshalb kommt ihm der Umstand, dass sich die Parteigranden hinter Biden versammeln, also nicht nur ungelegen – es passt in seine Erzählung "Ich gegen die Mächtigen".

Joe Biden (77) ist der Mann für alle, die zurückwollen in ruhigere Zeiten, die die Obama-Jahre (die plötzlich Obama-Biden-Jahre heißen) in guter Erinnerung haben und denen ein Sozialist auf dem Wahlzettel zu links ist. Sein Versprechen: Alles wird wie früher, nur ein bisschen besser. Er hat nun auch den Klassensprecher der Milliardäre, Mike Bloomberg und dessen Ressourcen, an seiner Seite.

Das Duell ist offen, und wer gewinnt, legt den Kurs der Partei fest – hier in den USA gibt es ja keine Programmparteitage, sondern nur Krönungsparteitage für den Kandidaten. Und wer gekrönt ist, legt fest, wo es langgeht. Am Dienstag stimmen die nächsten sechs Bundesstaaten ab.

Mit Sanders als Gegner hätte Trump es leicht, einen Wahlkampf gegen die, salopp formuliert, "linken Spinner" zu führen. Ein Sozialist, der Wohlstand und Konjunktur gefährdet, ist ein hervorragendes Schreckgespenst für viele ältere Wähler oder für jene in der Mitte, die sich um die Wirtschaft sorgen. Doch Sanders verfügt, ähnlich wie Trump, über eine begeisterte Basis, die ihrem Kandidaten treu ergeben ist – egal was die Gegner sagen oder die Medien berichten. Ein Riesenpfund im Wahlkampf.

Biden hat keine begeisterte Wählerbasis und ich habe Zweifel, ob er wirklich einen guten Wahlkampf hinlegen kann. Doch Biden ist attraktiv für Wechselwähler in der Mitte. Ich habe in Iowa und New Hampshire bei seinen kleinen Veranstaltungen Anhänger der Republikaner entdeckt, die mir erzählt haben, dass Biden der einzige Demokrat wäre, für den auch sie stimmen würden. Kein Wunder, dass Biden in Schlüsselstaaten wie Pennsylvania oder Michigan im direkten Vergleich vor Trump liegt. Und kein Zufall, dass Trump ja in den ganzen Ukraine- und Impeachment-Schlamassel nur deshalb geraten ist, weil er Biden mithilfe Kiews schaden wollte. Er wird schon wissen, warum.

Trump selbst ist ein begnadeter Wahlkämpfer, der anders als vor vier Jahren jetzt auch noch auf Unmengen an Geld und eine schlagkräftige Wahlkampfmaschinerie zurückgreifen kann. Er ist ein mächtiger Gegner.

Doch wenn ich jetzt Prognosen lese, dass die Wiederwahl Trumps doch längst feststehe und die Demokraten chancenlos seien, dann halte ich das für Quatsch. Es gibt so viele Unbekannte in der Gleichung. Um nur zwei zu nennen:

Was fördern diejenigen aus den Wahlkampfteams, die eifrig nach Schmutz über Biden, Sanders und Trump graben, noch zu Tage?

Wie stark wird das Coronavirus die US-Konjunktur schädigen, die Trumps Wahlkampfthema Nummer eins sein sollte?

Allzu selbstsichere Prognosen verbieten sich allein schon nach den Fehlschüssen vor der Wahl 2016 – und nach diesen denkwürdigen Tagen ohnehin. Nichts ist sicher in der US-Politik und in diesem Wahljahr ist alles möglich. Ist das nicht eine wunderbare Nachricht?

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