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Donald Trump nach US-Wahl: Seine Macht schrumpft und schrumpft und schrumpft


Donald Trump nach der Wahl
Er schrumpft und schrumpft und schrumpft

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold, Washington

Aktualisiert am 04.12.2020Lesedauer: 4 Min.
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Donald Trump am kleinen Tisch im Weißen Haus (Ende November): Der Präsident muss um Aufmerksamkeit kämpfen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump am kleinen Tisch im Weißen Haus (Ende November): Der Präsident muss um Aufmerksamkeit kämpfen. (Quelle: Erin Scott/reuters)

Donald Trump zieht unbeirrt gegen die US-Wahl ins Feld. Doch der Mann, der seine Präsidentschaft als Show inszeniert, hat ein neuartiges Problem: Das Publikum wendet sich ab.

Es ist nun ein Monat seit der US-Wahlnacht vergangen und in Washington standen die 30 Tage ganz im Zeichen der Anpassungsstörung des Donald Trump.

Weil das zarte Ego des Wahlverlierers bloß keinen Schaden nehmen soll, wurden in der Hauptstadt das Anerkennen des Ergebnisses, der Prozess der Machtübergabe, ja gar manche Staatsgeschäfte ausgebremst. Das Resultat: Nicht nur der Präsident selbst, sondern auch Hauptstadt und Nation hängen seit einem Monat in einem seltsamen Schwebezustand fest – und ich tue das irgendwie auch.

Und doch vollzieht sich dahinter eine große Entwicklung, die bedeutsam ist. Wer genauer hinschaut, sieht, wie Trumps Macht beginnt zusammenzuschrumpfen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Donald Trump ist natürlich noch Präsident – und kann auch als lahme Ente auf den letzten Metern noch sehr viel bewegen bzw. anstellen, wenn er will.

Doch seine Macht speist sich nicht nur aus dem Amt, sondern auch aus der Aufmerksamkeit, die er stets binden konnte wie kein anderer. Und diese zweite Quelle der Macht versiegt gerade von Tag zu Tag etwas mehr. Das gilt nicht in der Parallelwelt seiner Jünger, die im Angesicht eines vermeintlichen Wahlbetrugs noch näher an ihn heranrücken. Ich spreche von seiner Beachtung in der breiten Öffentlichkeit.

Es begann, kurz nachdem Bidens Sieg am 7. November ausgerufen wurde. Der nächste Präsident rückte ins Zentrum, der schlechte Verlierer Tag für Tag weiter in den Hinterkopf. Die Tweets bekamen weniger Aufmerksamkeit, das Treiben Trumps rutschte weiter nach hinten in den Abendnachrichten. Hinzu kam eine Corona-Eskalation, zu der sich der amtierende Präsident einfach nicht äußern will.

Trump ist noch allgegenwärtig, aber nicht mehr so mächtig. Ich habe in diesem Monat oft den Eindruck, ich sehe dabei zu, wie der überlebensgroße Donald Trump schrumpft und schrumpft und schrumpft.

Jeder hat seine eigene Art, mit dieser neuen Realität umzugehen. Für die Medien, die sich nicht nur vier, sondern fünfeinhalb Jahre um ihn drehten, ist das eine Herausforderung.

Stephen Colbert, der giftigste der großen amerikanischen Late-Night-Komiker, verfolgt einen skurrilen Ansatz: Er spricht immer noch pausenlos über Trump, nennt diesen aber nicht mehr beim Namen. Lässt er in seinem Monolog Zeitungsberichte einblenden, wird dort in den Ausschnitten aus dem Nachnamen des Präsidenten einfach T****.

Ich merke es auch an mir selbst: Als ich das letzte Mal im Weiße Haus war, erschrak ich fast ein wenig, als vor der Tür zum West Wing plötzlich ein Marinesoldat stand. Dieser bezieht dort immer dann Position, wenn der Präsident im Oval Office ist. Ach, dachte ich, kommt er doch noch ins Büro!

Denn Trump ist seit einem Monat im Weißen Haus abgetaucht. Kaum Termine, keine Reisen, bis auf eine Kranzniederlegung und einige Runden Golf. Der Commander-in-chief befehligt derzeit vor allem Fernbedienung und Telefon. Rund um den West Wing ist es spürbar leerer als sonst.

Als ich den Komplex gerade wieder verlassen hatte, veröffentlichte Trump überraschend ein Video, in dem er sich 46 Minuten lang über den vermeintlichen Wahlbetrug auslässt.

Zurück am Schreibtisch schaute ich mir das Werk an, das mit dem Satz begann, es sei seine "vielleicht wichtigste Rede", doch schnell klar machte, dass der Präsident erneut nur die immer gleichen unbelegten oder längst widerlegten Vorwürfe wiederkäut, die ich schon von Rudy Giuliani und Co. mehrfach gehört habe. Ich hatte Schwierigkeiten, die Dreiviertelstunde an Trump-Verzerrungen durchzuhalten.

Ich bin natürlich trotzdem drangeblieben, das ist mein Job, und habe seinen Behauptungen die Fakten gegenübergestellt. (Falls Sie Bedarf haben, bitte hier entlang.) Interessant war, dass CNN keine Szene des ausführlichsten Auftritts des Präsidenten seit der Wahl zeigte – das hätte sich der Sender noch vor Kurzem wohl nicht getraut. Die Rede tauchte am Donnerstag dann auch nicht auf den Titelseiten der großen Blätter auf. Trump, der Aufmerksamkeitsmagnet, verliert an Kraft.

Das Wechselspiel von Trump und Medien beschränkt sich, wenn es um die Erzählung von einem vermeintlichen großen Wahlbetrug geht, jetzt oft darauf, dass der Präsident Videoclips der Nischensender OAN und Newsmax verbreitet, die seine Fantasien weiterstricken.

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Natürlich: Noch immer starren die Amerikaner und die Weltöffentlichkeit auf seine Tweets und Auftritte, hier mit Horror, dort mit Ekstase, aber auf fast allen Seiten mit einer gewissen Faszination. Doch die Dringlichkeit nimmt ab. Corona tobt, ein neuer Präsident ist gewählt, doch während ich beim Schreiben einmal durch Trumps Tweets scrolle, entdecke ich nur Botschaften zum vermeintlichen Wahlbetrug. Diese Show ist etwas daneben.

Dass der Präsident mit allen Mitteln die Wahl stehlen will, ist gar nicht mehr die größte Geschichte in Washington. Das klingt zwar verrückt, aber ich glaube, das ist auch gut so.

Donald Trump wird auch die letzten knapp 50 Tage seiner Präsidentschaft nutzen, um zu sabotieren und Grenzen auszutesten. Er könnte sein Umfeld begnadigen – und womöglich sich selbst. Er wird Joe Biden noch ein paar Steine in den Weg legen, ihm vielleicht die Show am Tag der Amtseinführung stehlen wollen, indem er eine Kandidatur für 2024 ankündigt – die Sucht nach Aufmerksamkeit wird gerade nach dem nun beginnenden Entzug wohl voll durchschlagen.

Natürlich werden wir weiter darauf schauen, was der Präsident macht. Es ist aber in Ordnung, wenn wir weniger darauf schauen, was er sagt.

Das war aus meiner Sicht stets der größte Fehler in der Berichterstattung über Trump: Dass die Öffentlichkeit auf jede Provokation Donald Trumps angesprungen ist. Dass viel mehr darauf geguckt wurde, was er sagt, und weniger darauf, was er macht.

Schon der erste Monat nach der Wahl zeigt, dass auf ihn eine neue Herausforderung wartet und auf uns eine Chance: Trump ernst zu nehmen, ohne jedes abgekartete Spielchen mitzumachen, wie das Märchen von der gestohlenen Wahl.

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