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Türkei-Talk bei Plasberg: Nazi-Vorwürfe und gestellter Applaus


Türkei-Talk bei Plasberg
Nazi-Vorwürfe und gestellter Applaus

t-online, von Marc Merten

14.03.2017Lesedauer: 4 Min.
TV-Sendung "hart aber fair".Vergrößern des BildesTV-Sendung "hart aber fair". (Quelle: Oliver Ziebe/WDR/dpa)
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Hier in Freiheit leben, dort Erdogan wählen - wie passt das zusammen? Jedenfalls nicht ohne hitzige Diskussion. Das wurde am Montagabend auch bei Frank Plasberg wieder deutlich.

Die Gäste

  • Thomas de Maiziere, CDU-Bundesinnenminister
  • Fatih Zingal, Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD)
  • Cem Özdemir, Bundesvorsitzender B'90/Grüne
  • Daniel Zimmermann, Bürgermeister Monheim am Rhein
  • Düzen Tekkal, Journalistin

Das Thema

Erdogan, wie sollte es auch sonst sein. Was will er? Was darf er? Wie soll die deutsche Regierung vorgehen? Wie nicht? Und wo kommt die Unterstützung der Deutsch-Türken her, die Erdogan mit seinen Wahlkampf-Auftritten in Deutschland erreichen will?

Die Fronten

Frank Plasberg bekam, was er und seine Redaktion mit der Besetzung der Diskussionsrunde - vor allem mit der Einladung Fatih Zingals - geplant hatten: eine Mischung aus Hetze, Propaganda, unkontrollierbarer Aussagen und Beispiele, gepaart mit naiven Forderungen sowie ab und an inhaltsvollen Aussagen, die aber nichts ändern werden.

Beispiel gefällig? Es ging um die Nazi-Äußerungen Erdogans. Cem Özdemir forderte, Zingal als Vize-Vorsitzender der Union Europäisch-Türkischer Demokraten solle sich im Namen seiner Organisation von den Nazi-Aussagen Erdogans distanzieren. Zingals Antwort war eine Gegenfrage: "Distanzieren Sie sich vom Nazi-Vergleich, den Jürgen Trittin mit Erdogan gezogen hat?"

Zingal sollte der Böse in der Runde sein, und er spielte die Rolle perfekt. Er drückte der Journalistin Düzen Tekkal die maximale Verachtung aus, indem er sie schlichtweg nicht für voll nahm. Er bezichtigte Deutschland und Cem Özdemir höchstpersönlich der Kooperation mit Terroristen. Er unterstellte Wolfgang Schäuble ähnliche Nazi-Vergleiche wie Trittin. Und in all dem schwang er sich empor zur Forderung, man solle sich doch endlich auf die türkisch-deutsche Freundschaft konzentrieren.

"Beschimpft man so Freunde?", fragte da Thomas de Maiziere ungläubig und entlarvte Zingal in dessen Rolle. "Sie ziehen hier eine raffinierte Propaganda-Show ab. Sie schwingen sich zum Vertreter aller Deutsch-Türken auf, stellen den deutschen Rechtsstaat in Frage und katapultieren sich in eine Opferrolle hinein, die die Ausfälle rechtfertigen sollen." Er nannte dies "perfide". Die ARD machte derweil ihren Job. Sie entlarvte noch während der Sendung Zingals Vorwurf gegen Schäuble als Lüge. Es dürfte nicht die einzige gewesen sein, die an diesem Abend zu hören war. Der Faktencheck der Sendung lohnte sich.

Moderatoren-Moment

Es ist üblich, dass jeder Diskutant an einem solchen Abend seine Unterstützer im Publikum unterbringt. Etwa jener eine einzelne Mann, der nach einer Aussagen Zingals so lange und ganz alleine applaudierte, dass sich der UETD-Vize umdrehte und sagte: "Ich habe einen Fan. Immerhin einen." Plasberg erlaubte sich daraufhin allerdings eine etwas zweifelhafte Aussage: "Mich langweilt es unglaublich, wenn jeder seine Claqueure in Gang setzt. Dieses Fraktionsklatschen ist blöd - von allen Seiten." Als der einzelne Zingal-Unterstützer sich später beschwerte, er dürfe nicht klatschen, sagte der Grünen-Chef: "Klatschen Sie! Es wird Ihnen nichts passieren. Sie sind in Deutschland." Eins zu null für die Demokratie.

Moderatoren-Frage des Abends

Plasberg hatte sich an diesem Abend offenbar vorgenommen, mit einigen Konventionen zu brechen. Nicht nur mit dem Fraktionsklatschen. So sprach er an Zingal gerichtet: "Die Spaltung und Spannung unter den Türken in Deutschland kann man nicht wegdiskutieren. Wer ist der Verursacher?" Auf den ersten Blick eine normale Frage. Doch Zingal antwortete: "Sie wollen wahrscheinlich von mir hören, dass Herr Erdogan dafür verantwortlich ist." Darauf polterte der Moderator los: Er habe das Gefühl, dass immer, wenn ein türkischer Vertreter der Erdogan-Seite zu Gast sei, dieser "unglaublich schnell beleidigt ist". Er habe nur eine offene Frage gestellt.

Tiefpunkt des Abends

Alles andere als offen müssen die Ohren des Bundesinnenministers gewesen sein, als Plasberg eine Sondergast interviewte. Erdogan Aktürk, ein studierter Architekt, der seit 44 Jahren in Deutschland lebt, hier zur Schule und auf die Universität gegangen ist, erzählte von seinem Leben zwischen Wunsch und Realität, zwischen Familie und Job, zwischen Deutschland und der Türkei. Doch Thomas de Maiziere lobte den Mann hinterher als erstes für seine "Sprachkenntnis", für sein "hohes Sprachniveau". Nach 44 Jahren in Deutschland. So kann man Menschen auch beleidigen.

Fakt des Abends

Einen wichtigen Fakt brachte der Abend dann doch. Die ARD erklärte den Zuschauern die Venedig-Kommission. Eine unabhängige Vereinigung internationaler Top-Juristen für Verfassungsfragen, deren Mitglieder aus den 47 Mitgliedsstaaten des Europarats entstammen - und damit auch aus der Türkei. Diese unabhängige Kommission hat ein Urteil gefällt, wie sie die Pläne Erdogans für dessen Präsidialdemokratie bewertet. Das Urteil fällt vernichtend aus. Die Pläne seien "ein gefährlicher Schritt rückwärts in der demokratischen Verfassungstradition der Türkei" und würden die Gefahr bergen, "in Richtung eines autoritären Ein-Mann-Regimes abzugleiten".

Was offen bleibt

Neben der Frage, warum man Polittalks immer häufiger mit Hetzrednern besetzen muss, stellte sich zum Schluss die Frage, wie es alternativ gehen könnte. Dafür war Daniel Zimmermann geladen worden. Der Bürgermeister von Monheim am Rhein hat jüngst zwei Moscheen-Bauten genehmigt. Zwischen "Naivität" und "Weltoffenheit" schwankten die Reaktionen in der Runde. Und man hätte gerne mehr darüber gehört, wie sich der junge Politiker mit Vernunft der eskalierenden Situation in der deutsch-türkischen Beziehung stellen würde. In Sachen Wahlkampf erklärte er zumindest: "Man tut sich keinen Gefallen, solche Veranstaltungen unter Vorwänden zu verbieten. Wir sollten die demokratische Spielregeln, die wir einfordern, selbst hochhalten." Doch genau da drehte sich die Diskussion schon wieder im Kreis: Bis zum welchem Punkt ist es noch Meinungsfreiheit, wann eine Beleidigung?

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