Großeinsatz in Bayern Kühlschrankstreit führt zu Tumult in Asylunterkunft
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Belagerungszustand an einer Erstaufnahmeeinrichtung im oberbayerischen Waldkraiburg. Begonnen hatte der Polizei-Großeinsatz damit, dass Bewohnern Kühlschränke abgenommen wurden.
Die Polizei hat in Waldkraiburg im bayerischen Landkreis Mühldorf am Inn nach Tumulten und Auseinandersetzungen die Erstaufnahmeeinrichtung durchkämmt. Bereits Mittwochmittag waren die ersten Polizeikräfte dort im Einsatz, im Verlaufe des Tages rückten immer mehr Kräfte zur Verstärkung an.
Nachdem ein Mann dort durch ein Messer schwer verletzt wurde, habe die Polizei weitere Verletzte in Zimmern befürchtet und das Gebäude durchsucht, berichtet das lokale Portal innsalzach24.de. Der Schwerverletzte wurde mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen, die Polizei ermittelt wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes und drei weitere Bewohner wurden leicht verletzt.
Auf Videos von Nachbarn ist zu sehen, dass im Gebäude nacheinander mehrere Fenster zertrümmert werden. Es seien auch Stühle aus den Zimmern geworfen worden, berichteten Augenzeugen gegenüber innsalzsach24.de. Das ist auf Videos jedoch nicht zu erkennen. Videobilder zeigen Aufruhr vor dem Gebäude auf der Straße. Die Polizei berichtet, Beamte seien mit Steinen und Flaschen beworfen worden. Polizisten wurden jedoch nicht verletzt.
Im Einsatz war auch ein Großaufgebot der Feuerwehr, da im Gebäude ein Feueralarm ausgelöst wurde. Auch das ließ die Emotionen höher kochen. Nach Medienberichten waren auch alle hauptamtlichen Rettungskräfte der Umgebung sowie die verfügbaren Bereitschaftskräfte des Bayerischen Roten Kreuzes an dem Großeinsatz beteiligt.
Zahlreiche abgebaute Kühlschränke im Foto
In sozialen Netzwerken verbreitete sich schnell, dass die Stimmung aufgeheizt gewesen sei, weil die Behörden den Bewohnern Kühlschränke weggenommen hätten. innsalzsach24.de zeigte ein Foto zahlreicher im Freien abgestellter Kühlschränke. Einer der Verantwortlichen des Portals mimikama.at, das Falschmeldungen im Internet aufspürt und richtig stellt, richtete die Frage direkt an den bayerischen MInisterpräsidenten Markus Söder.
Die Polizei erklärte gegenüber t-online.de, dass es in der Unterkunft mit 330 Menschen Streit bei dem Thema gegeben hat. Die Regierung in Oberbayern bestätigte, dass in dieser Woche 55 Kühlschränke abgebaut wurden. Dabei habe es sich um die letzten von ursprünglich 350 Kühlschränken gehandelt, die in dem angemieteten Wohnheim vorhanden waren – ungewöhnlich für Flüchtlingsunterkünfte.
Nach einem Kurzschluss durch nasse Wäsche über einem Kühlschrank sei im November 2017 begonnen worden, die Kühlschränke aus Sicherheitsgründen zu entfernen. Das sollte verknüpft werden mit Wechseln der Bewohner. Doch dann gab es ein neues Problem. Pressesprecher Dr. Martin Nell: "Es kam zu einem Streit zwischen Bewohnern anlässlich der noch vorhandenen Kühlschränke. Aus diesem Grund wurden in dieser Woche auch die restlichen Kühlschränke entfernt."
Wütende 24-Jährige sollte in andere Unterkunft
Die Proteste dagegen sind laut Polizei von einer 24-Jährigen angestachelt worden, die dann in eine andere Einrichtung gebracht werden sollte. Dies habe die Stimmung weiter angeheizt und die Situation eskalieren lassen, so die Polizei in einer Mitteilung. Es habe "massive Ausschreitungen" gegeben. Harald Picket, Vize-Präsident des Polizeipräsidiums in Rosenheim, erklärte in einer Mitteilung, die Polizei werde "Gewaltexzesse wie am Abend in Waldkraiburg in keinster Weise dulden". In engem Austausch mit der Regierung von Oberbayern werde das weitere Vorgehen in der Unterkunft in Waldkraiburg abgestimmt. Die Stadt liegt rund 50 Kilometer östlich von München.
Mit großem Polizeiaufgebot war es der Polizei nach ihren Angaben zunächst gelungen, die Lage zu befrieden und die 24-jährige Bewohnerin in Gewahrsam zu nehmen. Am Abend habe sich die Lage aber erneut zugespitzt. Bei Auseinandersetzungen kam es den Angaben zufolge auch zu Messerstichen.
Der Schwerverletzte erlitt laut Polizei eine Stichverletzung am Oberkörper. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes habe eine Schnittwunde am rechten Arm erlitten, ein weiterer sei nur auf Grund der getragenen Schutzweste unverletzt. Drei Bewohner mussten mit leichten Verletzungen ambulant behandelt werden.
Empörung groß – auch über die Behörden
Die Spekulationen über Kühlschränke als Auslöser wurde bereits in der Nacht in sozialen Netzwerken diskutiert – mit gegensätzlichen Blickwinkeln. Der örtliche AfD-Kreisverband erklärte, für diese Einrichtung sei die Zeit abgelaufen, die Zustände seien den Anwohnern und Bürgern der Stadt Waldkraiburg nicht länger zuzumuten. In Kommentaren auf anderen Seiten drückt sich viel Unmut von Bürgern der Stadt aus.
Zum Teil ist das Unverständnis groß, dass Kühlschränke als Erklärung für Krawalle herangezogen werden. Es gibt aber auch Verständnis für die Proteste und Vorwürfe, mit der Maßnahme im Ramadan habe die bayerische Landesregierung gezielt eine Eskalation herbeigeführt.
Tobias Huch, Journalist und Vorsitzender der "Liberalen Flüchtlingshilfe", schrieb auf Twitter, die bayerische Landesregierung habe faktisch "den Ramadan verboten". Im Ramadan wird bis zum Sonnenuntergang gefastet. Die Bewohner der Unterkunft nutzten offenbar die Kühlschränke, um sich dann selbst Essen zuzubereiten.
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Aus dem Umfeld der Einrichtung heißt es, die Lage in der beengten Unterkunft sei sehr angespannt, die Kühlschrank-Frage nur ein Aspekt. Die Menschen hätten nun keine Möglichkeit mehr, etwa Milch für die Kinder kühl zu lagern.
Die Regierung von Oberbayern stellt das völlig anders dar: "Es besteht von kein Bedarf für eigene Kühlschränke. In Aufnahmeeinrichtungen gibt es generell keine Kühlschränke", so Sprecher Dr. Nell. In Aufnahmeeinrichtungen gilt nach dem Gesetz das Sachleistungsprinzip: Für Bewohner wird Vollverpflegung angeboten. Frühstück, warmes Mittagessen und Abendessen nach den Vorgaben der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Die Pressestelle erklärte auf Anfrage, dass im Ramadan das Essen ab Sonnenuntergang gemäß des Ramadankalenders ausgegeben werde – und das so lange, bis keine Person mehr komme. Ausgabeort sei nicht wie beim gewöhnlichen Abendessen die Kantine, sondern die Aula.
In der Unterkunft hatte es Ende März eine Kontrollaktion mit 300 Polizisten gegeben, die weitgehend friedlich verlaufen war. Das Polizeipräsidium Rosenheim hatte erklärt, Ziel sei gewesen, den friedliebenden Bewohnern den Rücken zu stärken und ein Signal an die zu senden, die sich nicht an Spielregeln halten. "Es ist uns ein großes Anliegen, auch künftig der Bildung von Brennpunkten oder von Situationen entgegenzuwirken, die ein positives Zusammenleben innerhalb und außerhalb einer Unterkunft unnötig erschweren.“ In der Unterkunft kommen 80 bis 90 Prozent der Menschen aus Nigeria, die zweitgrößte Gruppe sind Afghanen.
Dieser Text wurde nach zwei Stellungnahmen der Regierung von Oberbayern jeweils aktualisiert.
- Eigene Recherchen
- Pressemitteilung Polizei zum Einsatz
- Bericht innsalzach24.de
- Pressemitteilung der Polizei zum Einsatz im März