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Sänger Marteria bei "Markus Lanz": "Ich war immer ein Putin-Verteidiger"


Marteria bei Lanz
"Ich war immer ein Putin-Verteidiger"

Von Markus Brandstetter

Aktualisiert am 14.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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Der Rapper Marteria bei einer Preisverleihung (Archivbild): Er sprach mit Campino bei Lanz über deutsche Geschichte und aktuelle Ereignisse.Vergrößern des Bildes
Der Rapper Marteria bei einer Preisverleihung (Archivbild): Er sprach mit Campino bei Lanz über deutsche Geschichte und aktuelle Ereignisse. (Quelle: Lakomski/imago-images-bilder)

Die beiden Musiker Marteria und Campino sprechen bei "Markus Lanz" über die Kluft zwischen Ost- und Westdeutschen – und persönliche Erfahrungen. Einer der beiden lässt mit einem Bekenntnis aufhorchen.

Vor kurzem veröffentlichten die Düsseldorfer Rockband "Die Toten Hosen" und der Rostocker Rapper Marteria zwei thematisch wie auch musikalisch zusammenhängende Singles: In "Scheiß Wessis" und "Scheiß Ossis" machen sich die beiden Acts über Ost-West-Klischees lustig. Bei "Markus Lanz" sprachen Tote-Hosen Sänger Campino (bürgerlich Andreas Frege) und Marteria (bürgerlicher Name: Marten Laciny) Mittwochabend über die schwierige gesamtdeutsche Geschichte, die Gründe für das West-Ost-Gefälle sowie den Ukraine-Krieg.

Die Gäste:

  • Campino, Sänger von den Toten Hosen
  • Marteria, Rapper

Der Krieg in der Ukraine hat sowohl bei Campino als auch bei Marteria ein Umdenken mit sich gezogen – nicht nur, was eine letztlich abgeänderte PR-Kampagne für die beiden Singles betrifft. Marteria erklärte, er habe die von Russland ausgehende Gefahr oft relativiert. "Ich war immer ein Putin-Verteidiger", so der ostdeutsche Musiker. Er habe "instinktiv immer diese Ostseite ein bisschen verteidigt", die Worte des russischen Präsidenten oftmals für eine Art Säbelrasseln gehalten. Man habe immer gedacht, es passiert ja nichts, meinte er. "Und dann ist es halt passiert – und man merkt: Oh Gott, diese Wahnsinnigkeit".

"Ganz egal, ob links oder rechts: Sobald du Autokraten oder Extremisten an der Macht hast, wird es ungemütlich. Davor muss sich die Welt schützen – und nicht vor irgendeinem System", erklärte Campino, der betonte, dass sich auch der Westen in der Vergangenheit durchaus einiges zuschulden kommen ließ.

Im Rahmen dessen sei die Veröffentlichung als Plädoyer für Zusammenhalt, Gemeinsamkeiten und Freundschaft zu verstehen, erläuterte der Sänger. "Es soll zum Nachdenken bringen, dass die deutsche Wiedervereinigung ohne Blut, ohne Terror, ohne Waffengewalt vonstattenging". Dies sei keine Selbstverständlichkeit.

Campino würde Wehrdienst heutzutage möglicherweise nicht mehr verweigern

Auch das Thema Aufrüstung wurde an diesem Abend diskutiert. "Es geht um ein Gleichgewicht. Man musste auf üble Weise feststellen, dass man ohne ein Kräftegleichgewicht nicht nebeneinanderher leben kann", meinte Campino, der auch von Meinungsverschiedenheiten mit seinem Vater – einem ehemaligen Offizier der Reserve im Zweiten Weltkrieg erzählte.

"Ich war als Jugendlicher sehr streng mit Deutschland, weil ich auch streng war mit meinem Vater", so der 59-Jährige. Sein Vater habe nach dem Zweiten Weltkrieg die Einstellung gehabt: "So etwas darf nie wieder passieren. Wir brauchen eine freie, wehrhafte Armee, die solche Zustände nicht mehr zulässt. Zu dieser Zeit habe ich meinen Vater aber auch für einen Ewiggestrigen gehalten, der aus seinen Denkmodellen nicht rauskommt", erklärte er. Dann folgte ein durchaus überraschendes Bekenntnis: "Natürlich habe ich den Wehrdienst verweigert und würde vielleicht heute aus dieser Situation heraus anders entscheiden".

Ähnlich sieht das Marteria – der selbst bei der Bundeswehr diente. Auf die Frage, was er machen würde, wenn in Deutschland ein Krieg ausbrechen würde, antwortete er: "Ich glaube, ich würde nicht abhauen. Ich glaube, ich würde mich stellen. Für die Freiheit, die man hat und die ich erleben darf".

Deutsche Wiedervereinigung und Ausschreitungen in Lichtenhagen

Campino sprach auch über seine Begeisterung über die Wiedervereinigung ("Mir war in dem Moment klar, dass ich den schönsten geschichtlichen Moment erlebe, der zu meinen Lebzeiten passieren würde") – und seine Enttäuschung über die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Lichtenhagen nur wenige Jahre später. "Wir mussten miterleben, dass viele Demagogen, die in den alten Bundesländern keine Chance mehr gehabt hätten, sehr schnell in den Osten sind – wo in den Zeiten des Übergangs keine alten Autoritäten mehr das Sagen hatten, die Neuen waren aber noch nicht da". So wurde von diesen Demagogen ein Machtvakuum ausgenutzt.

Es sei ein Schock gewesen, wie schnell sich die Stimmung gewandelt habe. Seine Band reagierte darauf unter anderem mit dem Lied "Sascha — ein aufrechter Deutscher", für das es jede Menge Solidarität, aber auch Todesdrohungen hagelte. "Die Republikaner – das, was die AfD heute ist – haben versucht, uns wegen Volksverhetzung zu verklagen. Es kamen Bombendrohungen rein, meine Eltern wurden bedroht". Dass es dabei durchaus handgreiflich wurde, beschreibt er folgendermaßen: "In diesen Tagen in den 1990ern hat es reichlich gescheppert und wir haben uns nicht rausgehalten. Weil das in dem Moment das Gebot der Stunde war. Damals gab es da kaum eine Alternative".

Wut in der ostdeutschen Bevölkerung

Marteria beschrieb die Zeit vor dem Anschlag in drastischen Worten. "Es ging Monate davor schon los", erzählte er – und berichtete von einer brodelnden, immer weiter zunehmenden Wut in Teilen der ostdeutschen Bevölkerung. "Es war eine anarchische Zeit, wie bei Mad Max. Du hast das Gefühl keinen Schutz haben, du warst auf dich allein gestellt", so der Rapper. Diese sei quasi weitervererbt worden. "Landwirtschaft, Überseehäfen, alle haben ihren Job verloren". Außerdem habe es im Westen eine wahre Goldgräberstimmung gegeben: "Man geht in den Osten und kauft sich Sachen. Da ist viel Unrecht passiert."

Über den Wandel seiner Heimatstadt Rostock zeigt Marteria sich stolz: "Was wir da erlebt haben an Wahnsinn und wie stolz ich darauf bin, was aus dieser Stadt geworden ist", schwärmte er. "Diese Stadt ist jetzt so eine geile, offene Stadt geworden, die sich total herausgeputzt hat".

Mit den Songs "Scheiß Wessis" und "Scheiß Ossis" möchten die beiden Musiker auf humorvolle Weise auf alte Klischees anspielen – die für ihre Söhne heute ohnehin kein Thema mehr sind, wie die beiden eng befreundeten Musiker beiden abschließend erklärten.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 13. April 2022
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