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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Linke-Politiker van Aken wehrt sich Krach bei Illner: "Das ist eine ganz miese Unterstellung"

Beim Thema Iran gaben sich Linken-Chef Van Aken und Außenminister Wadephul noch solidarisch. Dann aber kam es bei "Maybrit Illner" zu einer heftigen Auseinandersetzung.
Der Angriff der USA auf den Iran sorgt weiter für Diskussionen, auch unter westlichen Verbündeten. Während die Regierung von Donald Trump die Militäroperation als großen Erfolg bezeichnet und skeptische Journalisten kritisiert, ist man sich andernorts nicht so sicher über den tatsächlichen Effekt. Außenminister Johann Wadephul sprach den USA nicht ab, Gründe für den Militärschlag gehabt zu haben. "Bedauerlicherweise hat es jetzt diese militärische Aktion gegeben, die wohl notwendig war aus Sicht der USA", sagte er.
Gäste
- Johann Wadephul, Bundesaußenminister (CDU)
- Jan van Aken, Parteivorsitzender der Linken
- Alfons Mais, Generalleutnant und Inspekteur des Heeres
- Ben Hodges, US-General a.D. und ehemaliger Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa
- Florence Gaub, Politikwissenschaftlerin und Militärstrategin
Wadephul glaubt dennoch an Diplomatie. Dafür bekam er an diesem Abend sogar Schützenhilfe von Linken-Chef Jan van Aken. "Ich hoffe, dass Herr Wadephul Erfolg hat mit den Verhandlungen, weil sonst sieht es düster aus", so van Aken. Daraufhin merkte Moderatorin Illner an: "Jetzt wird Herr Wadephul schon von den Linken umarmt." Dessen Antwort: "Politische Unterstützung für Verhandlungen ist immer gut." Später, als es ums Thema Russland ging, sollte die Harmonie zwischen den beiden jedoch enden.
Hodges: "Eine gute Chance mit wenig Risiko"
In den Augen von Ben Hodges verfolgte Donald Trumps Angriff auf iranische Atomanlagen keine durchdachte militärische Strategie – vielmehr sei es eine politische Entscheidung gewesen. "Er hat den Erfolg gesehen. Und natürlich hat er Fox News dabei geschaut. Und er hat gesehen, wie die Israelis gelobt wurden noch und nöcher", sagte der frühere US-General bei "Maybrit Illner".
Aus seiner Sicht war Trump überzeugt, dass das iranische Regime in diesem Moment geschwächt sei: "Ich glaube, dass der Präsident in dem Augenblick dann dachte, dass das iranische Regime vielleicht sogar kurz vor dem Zusammenbruch stand." Deshalb, so Hodges weiter, habe Trump die Situation als günstige Gelegenheit gesehen: "Ich glaube ganz ehrlich, dass er einfach gesehen hat, dass das eine gute Chance war – mit wenig Risiko – und dass es einmal getan werden kann."
Alfons Mais: "Eine Machtdemonstration"
Wie effektiv die Bombardierung gewesen sei, könne man derzeit kaum abschätzen: "Es ist sehr, sehr schwer, genau zu wissen, was passiert ist. Ich denke, wir werden noch ein paar Tage brauchen, bevor wir es genau wissen." Dass nachrichtendienstliche Informationen inzwischen politisiert würden, mache die Lage zusätzlich unübersichtlich.
Alfons Mais, Generalleutnant der Bundeswehr, betonte, dass der Angriff für Europa eine deutliche Botschaft enthalten habe: "In der passiven Perzeption können wir sagen: Wir haben hier militärische Fähigkeiten gesehen, über die nur die USA verfügen und die die Europäer nicht bereitstellen können. Aus einer rein militärischen Perspektive ist das natürlich eine Machtdemonstration."
Für Linken-Chef Jan van Aken steht fest: Der US-Angriff auf iranische Atomanlagen habe die Lage eindeutig verschlechtert. "Wir hatten 2003 das Ende des Atombombenprogramms. Dann gab es sehr gute diplomatische Bemühungen. Da waren die Deutschen auch wirklich führend in diesen Gesprächen", erinnerte van Aken. Der sogenannte Atomdeal habe damals verhindert, dass der Iran überhaupt zur Bombe komme: "Das hat wirklich verhindert, dass der Iran die Bombe bauen konnte – wegen der Kontrolleure." Durch den jüngsten Angriff, so van Aken weiter, sei dieser Kontrollmechanismus massiv beschädigt worden. "Jetzt ist es viel schwerer, den Iran zu kontrollieren. Die Gefahr ist größer geworden."
Gaub: "Das nennt man Muskelflexing"
Die Politikwissenschaftlerin Florence Gaub, die am Nato Defense College in Rom tätig ist, interpretierte den Angriff als demonstrative Machtausübung: "Das nennt man Muskelflexing – einfach nur zeigen, was haben wir eigentlich für Fähigkeiten? Gibt es auch eine Signalwirkung an Teheran: Bitte hört auf damit, denn wir wollen auch gar nicht weitergehen. Das kann man auch so interpretieren." Ob der Schlag langfristig Erfolg bringe, sei aber offen: "Ich kann jetzt auch nicht abschließend sagen: Ist es jetzt ein Gewinn oder nicht? Denn ich glaube tatsächlich, ob es das ist, wird sich am Verhandlungstisch zeigen."
Zugleich äußerte sie Zweifel an der rein zivilen Nutzung des iranischen Atomprogramms: "Das Material, das man da sieht, lässt schon den Schluss zu, dass es um mehr geht als nur zivile Forschung. Das ist ganz schön nah dran an dieser Grauzone." Dem Iran wird vorgeworfen, an einer militärischen Nutzung seiner Atomanlagen zu arbeiten, auch wenn dies bislang nicht nachgewiesen wurde.
Wadephul betonte, dass sich die USA nach eigener Aussage zum Angriff "genötigt" sahen. Er verwies mehrfach auf die Bedeutung einer Verhandlungslösung – ein Ziel, das auch von Washington formuliert worden sei: "Das haben wir jetzt von Präsident Trump und von Herrn Witkoff [Sondervermittler der USA] und von Außenminister Rubio gehört: Sie wollen eine Verhandlungslösung. Und das ist das, was E3 – also Deutschland, Frankreich, Großbritannien – letzte Woche gesagt haben, was wir diese Woche sagen. Wir bleiben dabei."
Wadephul: "Wir haben einen echten Trumpf"
Die Rolle der europäischen Verhandler hob er dabei besonders hervor: "Wir sind diejenigen, die mit den Iranern sprechen, Kontakte haben, und wir stellen die her. […] Die Europäer können den sogenannten Snapback-Mechanismus auslösen. Das heißt, dass Sanktionen wirksam würden gegenüber dem Iran, wenn er nicht zu einer Verhandlungslösung käme." Sein Fazit: "Wir haben einen echten Trumpf. Das weiß man in Washington."
So richtig hitzig wurde es beim zweiten Themenblock der Sendung – dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Hier gingen die Meinungen weit auseinander. Jan van Aken sah das in Europa vorherrschende Narrativ als gefährlich einseitig an. "In Moskau läuft jeden Abend eine Talkshow, wo über die Bedrohung durch die Nato geredet wird. Wir sitzen hier gerade in einer Talkshow, reden über die Bedrohung durch Russland. Wissen Sie, was die Erzählung da drüben sein wird? Jeden Abend in Russland: Der Westen rüstet auf. Wir müssen uns schützen. Wir machen hier das Gleiche." Van Aken warnte vor einer "Rüstungsspirale mit offenem Ende" – und vor einem möglichen "Atomkrieg aus Versehen".
Daraufhin reagierte Wadephul mit scharfer Kritik: "Machen Sie sich nicht zum Sprachrohr, Moskaus." Van Aken entgegnete: "Ich bitte Sie, Herr Wadephul. No way". Und legte nach: "Das ist eine ganz miese Unterstellung."
Auch in einem anderen Punkt widersprach Van Aken dem CDU-Minister: Die Nato sei nicht nur ein Verteidigungsbündnis. "Die Türkei ist ein Nato-Land. Sie führt gerade einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Syrien", sagte der Linken-Chef. "Darüber wird kaum geredet. Aber es muss benannt werden." Wadephul widersprach vehement: "Vorsicht an der Bahnsteigkante, wo ist das eine Nato-Planung?"
Auf die Frage, ob sich Europa künftig mehr selbst verteidigen müsse, sagte Florence Gaub: Ohne die USA sei man sehr verletzlich und eine "sitting duck", ein englischer Begriff für eine leichte Beute. Dass sich Nato-Generalsekretär Mark Rutte beim Gipfel demonstrativ loyal zeigte, verteidigte sie ausdrücklich: "Man kann lachen über Mark Rutte und dass er sich da irgendwie quasi demütigt – aber er macht es für uns, damit wir hier in Sicherheit leben können. Am Ende sollte er nach dem Ergebnis beurteilt werden."
In puncto Nato-Aufrüstung mahnte Gaub, man solle diese mehr als Versicherung sehen: "Wenn es zu einem riesigen Krieg kommt, dann ist mit Sozialausgaben nichts mehr, mit Infrastruktur, nichts mehr mit Gesundheit. Dann sind alle Lebensentwürfe für die Tonne."
- zdf.de: "Maybritt Illner" vom 26. Juni 2025