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Projekt "Sozialer Arbeitsmarkt" | Wie sich die Koalition um Abgehängte kümmern will


Wie sich die Koalition um Abgehängte kümmern will

dpa, Basil Wegener

04.05.2018Lesedauer: 3 Min.
Langzeitarbeitslose bei der Gartenarbeit in Leipzig: Warnung vor der Entstehung eines Parallelarbeitsmarktes.Vergrößern des BildesLangzeitarbeitslose bei der Gartenarbeit in Leipzig: Warnung vor der Entstehung eines Parallelarbeitsmarktes. (Quelle: Waltraud Grubitzsch/dpa-bilder)
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Die Joblage ist gut, die Konjunktur brummt – dennoch sind in Deutschland sogar mehr Menschen als früher seit Jahren arbeitslos. Kann ein "sozialer Arbeitsmarkt" helfen?

Christa Gall arbeitete rund zweieinhalb Jahrzehnte als Altenpflegerin. Doch als ihr Mann krank wurde, pflegte sie ihn und hörte auf zu arbeiten. Fast zehn Jahre ging das so, bis er 2015 starb. "Und dann saß ich auf der Straße, wohnungslos", sagt sie. Einen Job hat sie seither nicht wieder bekommen. So wie ihr geht es Hunderttausenden in Deutschland. Es sind die Abgehängten, im Behördendeutsch: die Langzeitarbeitslosen. Jetzt will die Koalition sie wieder in die Normalität führen. Was ist geplant – und wie realistisch ist das Vorhaben?

Eine Wohnung hat Christa Gall zwar mittlerweile wieder, mit einer anderen Arbeitslosen, wie sie in einer MDR-Reportage erzählt. Doch einen Job weiter nicht. Die beiden Frauen gehen Pfandflaschen sammeln – aus Scham erst wenn es dunkel ist. "Und das in so einem reichen Land wie Deutschland", sagt Gall. "Eine Schande ist das."

In die Altenpflege kann Gall aus Gesundheitsgründen nicht zurück, wie sie der Deutschen Presse-Agentur sagt. Schon als Jugendliche erlernte sie den Beruf – über die Jahre der Arbeit und Pflege ihres Manns wurden ihre Wirbelsäule und Hüfte beschädigt. Leichtere Arbeiten könnte sie erledigen, wenn auch nicht in Vollzeit. "Als Auslieferungsfahrerin etwa, das möchte ich schon." Aber dazu fehlt ihr ein Auto.

"Sozialer Arbeitsmarkt" als Ausweg?

Bei Union und SPD kamen bei den Koalitionsverhandlungen zwei Ziele zusammen. CDU und CSU hatten im Bundestagswahlkampf Vollbeschäftigung in Deutschland bis 2025 versprochen. Angesichts von 809.000 Langzeitarbeitslosen mit mehr als einem Jahr ohne Job im Jahresschnitt 2017 im Hartz-IV-Bereich war klar: Für Vollbeschäftigung muss dieses Problem angegangen werden, auch wenn die Zahl der Betroffenen etwas gesunken ist. Die SPD wollte mit einem sozialen Arbeitsmarkt ohnehin neue Perspektiven für Langzeitarbeitslose ohne realistische Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen.

So einen sozialen Arbeitsmarkt will die Koalition nun errichten: Mit Lohnkostenzuschüssen sollen rund 150.000 Jobs in der freien Wirtschaft, gemeinnützigen Einrichtungen und Kommunen entstehen. Es geht um jene, die über Jahre ohne Arbeit sind, deren Chancen von Jahr zu Jahr sinken, die zunehmende Isolation spüren. Vier Milliarden Euro sind dafür vorgesehen, startend mit 300 Millionen im Haushalt 2018.

Die Zahl der Menschen mit mehr als drei Jahren ohne Job stieg von 298.000 im Jahr 2011 auf nun 317.000 Menschen. Da hört es sich zwar bescheiden an, nur etwas mehr als die Hälfte auf einem sozialen Arbeitsmarkt unterzubringen. Doch das ist es nicht: So einen Jobmarkt ohne Folgeschäden zu errichten, ist alles andere als einfach.

Koalition will Parallelarbeitsmarkt verhindern

"Wir wollen keinen abgeschotteten Parallelarbeitsmarkt oder Sonderwelten schaffen", sagt der Chef der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion, Uwe Schummer.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist sich der Schwierigkeiten bewusst: "Wir wollen eine Lösung finden, die tatsächlich nicht verpufft, sondern praxisgerecht die Weichen so stellt, dass die Betroffenen aus dieser Situation herauskommen."

Die geplanten Lohnkostenzuschüsse sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren gewährt werden – und "an der einen oder anderen Stelle abgesenkt werden über die Jahre", erläutert Heil. Verfestigte Subventionierung soll vermieden werden. Doch was soll das sein, ein sozialer Arbeitsmarkt im Deutschland des Jahres 2018?

Gefahr der Verdrängung regulärer Arbeitsplätze

"Für einen sozialen Arbeitsmarkt braucht man Zeit, hier wachsen die Bäume nicht in den Himmel", sagt der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele. "Wir können nicht alle Parks öffentlich gefördert reinigen lassen, das würde reguläre Arbeitsplätze verdrängen."

Einsatzmöglichkeiten bei frühkindlicher Bildung, Erziehung, Pflege sieht Scheele eher nicht. "Die Personengruppe ist ja eher schlecht ausgebildet, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit müssen häufig erst wieder eingeübt werden." Aber mit einfacheren Handwerks- oder Ausbautätigkeiten könnte es gehen. "Es gibt passende Aufgaben", sagt der BA-Chef.

Scheele meint: Man muss sich an der Lage in der jeweiligen Stadt orientieren. "Wenn es in einer Region beispielsweise 30.000 Maler gibt, könnte man dort wohl unbeschadet 15 zusätzliche Stellen als Maler einrichten." Die Preise dürften jene des Handwerks dann nicht unterbieten. Schwerpunkte sieht der BA-Chef etwa im Ruhrgebiet, Bremerhaven und einigen Regionen in Ostdeutschland.

Das Ziel laut Scheele: Rückkehr der Betroffenen in die Normalität. "Die Integration in den regulären Arbeitsmarkt steht bei diesem Personenkreis zunächst nicht im Vordergrund."

Widerspruch kommt da von der Union. "Unser Ziel ist, die Betroffenen wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln", sagt der CSU-Sozialexperte Stephan Stracke. Heil will bis Sommer einen Sozialer-Arbeitsmarkt-Gesetzentwurf vorlegen. "Wir orientieren uns auf Vermittlung und Teilhabe, weil beides richtig ist", sagt er. Die Debatte bleibt.

Verwendete Quellen
  • dpa
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