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Armenien: Bischof soll Staatsstreich geplant haben – Spur führt nach Moskau


Plante Erzbischof Staatsstreich?
Die Spur des "Heiligen Kampfes" führt nach Moskau


26.06.2025 - 09:19 UhrLesedauer: 3 Min.
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Bagrat Galstanjan (Archivbild): Dem Erzbischof wird die Planung eines Staatsstreichs vorgeworfen. (Quelle: IMAGO/Alexander Patrin/imago)
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Armeniens Regierung erhebt schwere Vorwürfe gegen den einflussreichen Erzbischof Galstanjan. Er soll einen Staatsstreich geplant haben. Die Spur führt nach Moskau.

In der Südkaukasus-Republik Armenien haben die Sicherheitsbehörden den politisch einflussreichen Erzbischof von Tawusch, Bagrat Galstanjan, wegen des Vorwurfs eines versuchten Staatsstreichs festgenommen. "Die Sicherheitsorgane haben einen großangelegten und heimtückischen Plan der kriminellen Oligarchie zur Destabilisierung der Lage in der Republik Armenien und der Machtergreifung verhindert", kommentierte Regierungschef Nikol Paschinjan bei Facebook den Vorgang.

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Maskierte Polizeibeamte führten Galstanjan am Mittwochvormittag aus seiner Residenz ab, wie armenische Medien berichteten. Neben Galstanjan wurden den Berichten zufolge weitere Geistliche und Politiker der Opposition festgenommen. Es gab demnach auch mehrere Hausdurchsuchungen, bei denen zahlreiche Waffen und Sprengkörper gefunden wurden.

Die Ermittler werfen Galstanjan und seinen Anhängern die Vorbereitung von Terroranschlägen vor. So sei die Bildung von rund 200 Stoßtrupps mit je 25 Mann geplant worden. Diese sollen etwa geplant haben, im ganzen Land Autounfälle zu inszenieren, Sprengsätze zu zünden, Straßen zu blockieren und das Internet zu stören. Ziel laut der Ermittler: eine "unkontrollierbare Situation" herbeizuführen und Chaos zu stiften.

Unter anderem sollen mehrere abgehörte Telefonate von Galstanjan den geplanten Staatsstreich beweisen. Die Opposition bezeichnete einen solchen Plan als Fälschung. Das Vorgehen solle Paschinjans Kritiker mundtot machen, heißt es.

Lage in Armenien angespannt nach Niederlage in Bergkarabach

Galstanjan führt die Bewegung "Heiliger Kampf" an, die den Sturz des liberalen Regierungschefs Paschinjan anstrebt. Schon im Vorjahr galt er als Wortführer der teilweise gewalttätigen Proteste im Land, die sich gegen Paschinjan richteten. Bereits damals blockierten er und seine Anhänger etwa eine Schnellstraße.

Armenien steckt in einer schweren politischen Krise, nachdem es im Herbst 2023 die militärische Auseinandersetzung mit dem hochgerüsteten und ölreichen Nachbarstaat Aserbaidschan um die Konfliktregion Bergkarabach verloren hat und mehr als 100.000 ethnische Armenier von dort ins Mutterland fliehen mussten.

Zudem hält Aserbaidschan den militärischen Druck auf Armenien aufrecht und fordert weitere Gebiete. Paschinjan hat die Bereitschaft angedeutet, im Gegenzug für einen Friedensvertrag die Kontrolle über mehrere Grenzdörfer an das Nachbarland zu übergeben.

Viele Armenier lehnen territoriale Zugeständnisse an den als Erzfeind empfundenen Nachbarn strikt ab – auch Galstanjan. Der Geistliche nennt Paschinjan einen "Schwächling", wegen der möglichen territorialen Zugeständnisse an Aserbaidschan.

Galstanjans Anhänger gelten als kremlnah

Anders als Premier Paschinjan gilt Galstanjan – wie viele seiner Anhänger – als kremlnah. Direkte Unterstützung aus Moskau für den Staatsstreich gibt es zwar offenbar nicht. Dennoch ließen die ideologische Ausrichtung, die Koordinationsmuster und die Propagandasynchronisation mit den Narrativen des Kreml "zumindest auf eine stillschweigende Billigung" schließen, schreibt der Thinktank Robert Lansing Insitute in einer aktuellen Analyse.

Viele der Anhänger Galstanjans seien ehemalige Militäroffiziere, die in Russland ausgebildet wurden. Mehrere Putschisten unterhielten "persönliche Verbindungen zu russischen Militärakademien, orthodoxen Netzwerken und dem FSB angeschlossenen 'Militärbruderschaften'", heißt es weiter. Die Beziehungen zwischen der Armenisch-Apostolischen und der Russisch-Orthodoxen Kirche gelten als freundschaftlich.

Mit der armenischen Staatskirche steht der liberale Regierungschef Paschinjan indes auf Kriegsfuß, was mitunter kuriose Auswüchse hat. So warf der Sprecher des Kirchenoberhaupts Karekin II. Paschinjan vor, beschnitten und somit kein "echter Christ" zu sein. Paschinjan reagierte prompt: Er bat an, er könne die Kirchenleute gern "vom Gegenteil überzeugen".

Russlands zwiespältige Rolle im Bergkarabach-Konflikt

Die Verbindungen des Geistlichen Galstanjans zum Kreml gehen noch weiter. Mehrere armenische Oligarchen mit Nähe zu Moskau stehen im Verdacht, die Putschisten finanziert zu haben, schreibt das Lansing Institute. Dazu passt, dass auch der Geschäftsmann Samwel Karapetjan, der die russische Staatsbürgerschaft besitzt, verhaftet wurde. Der Kreml äußerte sich zurückhaltend zu Karapetjans Festnahme und betonte, Moskau sei an der Stabilität Armeniens interessiert.

Dies könne jedoch infrage gestellt werden, schreibt das Lansing Institute. Immerhin gilt der prowestliche Kurs Paschinjans – der unter anderem eine Annäherung an die EU anstrebt – dem Kreml als Dorn im Auge.

Die Rolle Russlands im Bergkarabach-Konflikt kann derweil als zwiespältig bezeichnet werden: So galt Russland lange Zeit als Schutzmacht Armeniens. Doch nach dem aserbaidschanischen Überfall ließ der Kreml das kleine Land im Kaukasus fallen.

So hatten russische Friedenstruppen in Bergkarabach die Vertreibung der dort lebenden Armenier nicht verhindert. Russland hatte sowohl Aserbaidschan als auch Armenien während des Konflikts unterstützt. Armenien kündigte daraufhin den Austritt aus der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit an, ein Militärbündnis von früheren Sowjetstaaten.

Prorussische Eliten hätten in Armenien an Einfluss verloren, heißt es in der Analyse des Lansing Institute. Die Denkfabrik schreibt weiter, eine innenpolitische Destabilisierung Armeniens könnte dem Kreml in jedem Fall helfen, seine Macht in der Südkaukasus-Republik wieder zu festigen. Insbesondere vor dem Hintergrund anderer geopolitischer Krisen. Es gehe dem Kreml wohl darum, in Armenien "eine unumkehrbare Neuausrichtung zu verhindern".

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