Zu wenige Ermittler? Gigantischer Steuerbetrug droht straffrei zu bleiben

Es ist der wohl größte Steuerskandal in der Geschichte der Bundesrepublik, womöglich in der Geschichte Europas: Steuerzahler sollen um 55 Milliarden Euro gebracht worden sein. Doch Täter könnten offenbar straffrei ausgehen.
Die juristische Aufarbeitung eines riesigen mutmaßlichen Steuerbetrugs gerät ins Stocken: Nach Informationen des WDR und der "Süddeutschen Zeitung" drohen zahlreiche Fälle zu verjähren, da offenbar zu wenig Ermittler an der Aufklärung arbeiten. Unter Berufung auf Behördenkreise berichten die Medien von insgesamt 15 Steuerfahndern und einer Handvoll Kriminalbeamter, die mit insgesamt rund 50 Ermittlungskomplexen gegen 200 Beschuldigte beauftragt sein sollen. Jedes einzelne dieser Verfahren soll ähnlichen Umfang haben, wie die bislang größten Wirtschaftsverfahren insgesamt.
Gewerkschaft: "Es fehlen 30 bis 40 Kräfte"
Seit Jahren fordern dem Bericht zufolge Beteiligte mehr Personal. Und auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter schließt sich an. "Unserer Schätzung zufolge fehlen 30 bis 40 zusätzliche Kräfte. Das müssen hochspezialisierte Fahnder sein", sagte Vorsitzender Sebastian Fiedler gegenüber "tagesschau.de". Er warnt vor der drohenden Verjährung der Straftaten. Insider bestätigten gegenüber "tagesschau.de" diese Gefahr. Die zuständigen Ministerien in Nordrhein-Westfalen widersprechen allerdings und bewerten die Personalausstattung als "auskömmlich", "angemessen" und "ausreichend".
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In den sogenannten "Cum-Ex"-Fällen ließen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mithilfe ihrer Bank mindestens zweimal erstatten. So soll Steuerzahlern europaweit ein Schaden von rund 55 Milliarden Euro entstanden sein – in Deutschland vermutlich in Höhe von rund 5 Milliarden Euro. Steuerexperten hatten "Cum-Ex" lange als legalen Steuertrick erachtet, seit einigen Jahren bewerten Ermittler und Strafverfolger das Vorgehen aber beinahe einhellig als Steuerhinterziehung. Nach Einschätzung einiger Ermittler dürften mehrere Verantwortliche nur schwer belangt werden können, weil sie sich ins Ausland abgesetzt haben.
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Der ehemalige Finanzminister Norbert Walter-Borjans vermisst ein deutliches Zeichen an mutmaßliche Täter: "Natürlich setzen diese Kreise darauf, dass der Staat so lange braucht, dass sie ungeschoren davonkommen. Das ist ein fatales Signal, das wir auf jeden Fall verhindern sollten", sagte er "tagesschau.de".
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