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Studium in dritter Corona-Welle: Wenn die Geduld nur einen Lockdown reicht


Studium in der dritten Welle
Wenn die Geduld nur einen Lockdown lang reicht

  • Marianne Max
Von Marianne Max

15.04.2021Lesedauer: 3 Min.
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Studentin Zuhause vor ihrem Laptop: Das WG-Zimmer ist gerade für viele Mensa, Hörsaal und Bibliothek in einem (Symbolbild).Vergrößern des Bildes
Studentin zu Hause vor ihrem Laptop: Das WG-Zimmer ist gerade für viele Mensa, Hörsaal und Bibliothek in einem (Symbolbild). (Quelle: Westend61/imago-images-bilder)

Unsere Autorin ist Studentin im dritten Corona-Semester. Auch wenn ihr zwischen Bücherstapeln und Zoom-Calls manchmal die Decke auf den Kopf fällt, ist sie für vieles

Mit einem energischen Surren reißt mich mein Handywecker aus dem Schlaf. Ich schlage die Augen auf, seufze. Wieder ein neuer Tag in meinem kleinen WG-Zimmer. Das ist nicht nur mein Schlaf- und Wohnzimmer. Auf fünfzehn Quadratmetern ist es seit dem ersten Lockdown vor einem Jahr auch meine kleine Bibliothek, meine Mensa, mein Hörsaal, mein Seminarraum und meine Cafeteria. Denn seitdem hat meine Uni so gut wie geschlossen.

Ich sollte dankbar dafür sein, dass mein WG-Zimmer so viel kann. Auch wenn die Decke mit der weißen Raufasertapete manchmal gefährlich nah zu kommen scheint. Dankbar dafür, dass ich einen Arbeitgeber habe, der mich in meinem kleinen WG-Zimmer arbeiten lässt, anstatt mich ins Großraumbüro zu zwingen. Dankbar dafür, dass ich so meine Miete und meine Semestergebühren bezahlen kann und nicht, wie einige meiner Mitstudierenden, wieder nach Hause ziehen muss. Dankbar dafür, dass ich keine Corona-Lücke im Lebenslauf habe, mein Studium nicht aussetzen oder meinen Semesterbeitrag durch Spenden eintreiben muss.

Keine Euphorie mehr für Zoom-Calls

Einigen meiner Mitstudierenden geht es so. Andere haben im engsten Kreis geheiratet, sind umgezogen, haben ein Baby bekommen, ihre Bachelorarbeit beendet oder ein Start-up gegründet. Das alles weiß ich, denn wenn auch vieles anders ist: Durch Instagram kann man noch immer scrollen.

Ich putze die Zähne und setze mich an den Schreibtisch. Der steht gleich neben meinem Bett. Einige würden jetzt sagen, wie praktisch das ist, weil ich mir den Weg zur Uni sparen kann. Ob man aber wirklich ausgeschlafener und wacher ist, wenn man jeden Morgen vom Bett auf den Schreibtischstuhl fällt, wage ich mittlerweile zu bezweifeln. Es ist aber hundertmal besser als mit einem Schlauch im Hals auf der Intensivstation zu liegen.

So denken viele meiner Freunde und Freundinnen – glaube ich, denn so oft sprechen wir nicht mehr. Die Euphorie, mit der man sich in der ersten Welle zu Videocalls verabredet und über die Kamera mit einem Glas Wein angestoßen hat, ist abgeebbt. Man fühlt sich nicht mehr heldenhaft, man verschiebt sie, vergisst sie oder muss sie abblasen – Verbindung zu schlecht. Zurück bleiben zwei Lager: Die einen, denen die Decke langsam auf den Kopf fällt und die anderen, wie meine Mitbewohnerin. Wenn sie am Sonntag nach Hause kommt, weiß ich, dass sie feiern war. Ihre Geduld hat nur für einen Lockdown gereicht. Darüber sprechen wir nicht. Wir müssen uns aushalten können.

Dann eben ohne Kamera

Ich klappe den Laptop auf, gehe ins Zoom-Meeting, und warte darauf, dass es auch mein Dozent geschafft hat. Zoom ist auch nach einem Jahr immer noch neu für einige Dozierende. Sie blicken verzweifelt, inzwischen genervt in die Kamera. Wir hören mitleidig, auch genervt, wie anstrengend das ist, wie gut doch eine flüssige Diskussion von Angesicht zu Angesicht wäre und überhaupt, wenn doch wenigstens alle die Kameras anmachen würden. Aber das geht nicht, denn nicht alle haben eine Internetverbindung, mit der die ganze WG in vier verschiedenen Zoom-Calls hängen kann. Erklärt man das den Dozierenden, ziehen sie die Augenbrauen nach oben, runzeln die Stirn und schauen ungläubig nach unten. Dann eben ohne Kamera. Es muss ja weitergehen.

Es geht auch weiter. Ich werde dieses Semester zwischen Homeoffice und Einkaufen meine Bachelorarbeit schreiben. Meine Pausen werde ich mit sehr viel herumtigern in meinem kleinen WG-Zimmer verbringen. Manchmal gehe ich auch spazieren, aber wer will das schon noch hören. Wenn die Bachelorarbeit im September endlich im Briefkasten ist, wird es keine große Abschiedsfeier geben, keine große Party. Aber vielleicht, wenn die Politik ihr Impfversprechen hält, kann ich dann mit meinen Freunden vor der Uni anstoßen. Auf meine Bachelorarbeit und darauf, dass wir es irgendwie trotzdem geschafft haben.

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