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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Karl Lauterbach "Wir müssen jetzt reagieren, um nicht die Kontrolle zu verlieren"

Der Virologe Christian Drosten rechnet fest mit neuen Einschränkungen im Herbst und belebt damit die Corona-Debatte neu. Auch der SPD-Experte Karl Lauterbach ist besorgt – und kritisiert die Politik.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dringt auf neue Corona-Vorkehrungen für den Herbst – rechnet aber derzeit nicht mit Einschränkungen für Geimpfte. "Wir müssen jetzt reagieren, um nicht die Kontrolle zu verlieren", sagte Lauterbach t-online.
Lauterbach reagiert damit auf ein Interview mit dem Virologen Christian Drosten im Deutschlandfunk, das die Debatte um neue Corona-Maßnahmen befeuert hatte. Mit Blick auf den Herbst zeigte sich Drosten in dem Gespräch besorgt – vor allem angesichts des stockenden Impffortschritts.
Lauterbach spricht sich für 2G-Regelung aus
Drosten erklärte, den Modellierungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge müsse man im Herbst "gesamtgesellschaftlich die Zahl der Kontakte wieder einschränken" – allerdings ohne explizit die politische Forderung aufzustellen, auch Geimpften neue Einschränkungen aufzuerlegen.
Solche Einschränkungen hält Karl Lauterbach ebenfalls nicht für realistisch. "Kontaktbeschränkungen für alle, auch für die Geimpften, halte ich für sehr unwahrscheinlich", sagte er t-online. "Ich gehe davon aus, dass wir im Falle stark steigender Infektionszahlen dazu übergehen werden, in vielen Bereichen die 2G-Regel einzuführen."
Bei der sogenannten 2G-Regel wird nur noch Geimpften und Genesenen der Zutritt zu bestimmten Einrichtungen und der Gastronomie erlaubt. Ein Negativtest reicht nicht mehr aus, anders als derzeit noch an den meisten Orten.
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Hamburg etwa stellt es Veranstaltern und Wirten inzwischen explizit frei, nur Geimpfte und Genesene hineinzulassen. Sie können aber auch weiter das 3G-Modell nutzen – also auch aktuelle Tests akzeptieren. Bei 2G-Veranstaltungen können dann allerdings die Einschränkungen zu weiten Teilen entfallen – ein durchaus gewünschter Anreiz, um auf 2G umzusteigen.
Drosten weist auf Schwächen der aktuellen Modellierung hin
Lauterbach kritisierte außerdem den Einfluss des Wahlkampfs auf die Corona-Bekämpfung. "Mein Eindruck ist, dass wir in vielen Bundesländern zu wenig machen, um nicht den Bundestagswahlkampf zu stören", sagte er t-online.
Dabei ist die Lage aus Sicht des Virologen Drosten de facto schlechter, als sie für die aktuelle Modellierung des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem Juli angenommen wird. Denn wahrscheinlich sei im Modell die "Übertragungsrate für das Delta-Virus zu niedrig" und womöglich auch die Hospitalisierungsrate, äußerte sich Drosten. Zudem wisse man inzwischen viel deutlicher, "dass Geimpfte nach ein paar Monaten – nach vier, fünf, sechs Monaten – deutlich den Übertragungsschutz verlieren". Darüber hinaus sei die Impfquote im Modell zu optimistisch angesetzt.
Doch selbst aus dieser Modellierung folgert das RKI, dass die Kontakte in der Bevölkerung im Oktober um 10 und im November um 30 Prozent gesenkt werden müssten. Drosten sagte deshalb, mit Kontaktbeschränkungen im Herbst, "damit rechne ich fest".
Vor allem aber appellierte der Virologe, die Impfquote zu steigern. Die derzeit 61 Prozent vollständig Geimpfter in Deutschland reichten "absolut nicht aus". Drosten stellte klar: "Mit dieser Impfquote können wir nicht in den Herbst gehen."
- Eigene Recherchen
- Interview von Christian Drosten im Deutschlandfunk