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Bundeswehr: Darf jeder den Kriegsdienst verweigern? | Fragen und Antworten


Einsatz im Ernstfall
Darf jeder den Kriegsdienst verweigern?

Von Liesa Wölm

Aktualisiert am 28.10.2022Lesedauer: 3 Min.
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Bundeswehrsoldaten (Archivbild): Mehr Menschen verweigern den Kriegsdienst.Vergrößern des Bildes
Bundeswehrsoldaten bei einer Übung (Archivbild): In Deutschland gilt das Recht, den Kriegsdienst verweigern zu dürfen. (Quelle: Florian Gaertner/photothek.de/imago images)

In Deutschland ist die Zahl der Kriegsdienstverweigerer gestiegen. Aber hat jeder das Recht, einen Antrag darauf zu stellen? Was Sie über das Verfahren wissen müssen.

Immer mehr Soldaten und Reservisten in Deutschland verweigern den Kriegsdienst. Das Bundesverteidigungsministerium nennt für diesen Trend keine Gründe – aber wie die Langzeitstudie "Ängste der Deutschen" herausgestellt hat, haben 43 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Sorge vor einer Beteiligung Deutschlands an einem Krieg. Zum Vergleich: 2021 lag der Anteil noch bei 26 Prozent.

"Nach vielen Jahrzehnten Frieden erschien ein Krieg mit deutscher Beteiligung für viele undenkbar. Russlands Angriff auf die Ukraine hat diesen Glauben zerstört. Nun wächst die Befürchtung, Deutschland werde in einen Krieg verwickelt", heißt es zur Erklärung in der Studie.

Womöglich steigt deshalb auch der Anteil der Deutschen, die im Ernstfall nicht eingezogen werden wollen, um das Land zu verteidigen. Aber wie kann man überhaupt den Kriegsdienst verweigern?

t-online gibt den Überblick:

Was bedeutet Kriegsdienstverweigerung?

In Deutschland wurde 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt. Das heißt, ein deutscher Staatsbürger ist nicht mehr dazu verpflichtet, für einen gewissen Zeitraum der Bundeswehr zu dienen. Unabhängig davon, gibt es das Recht, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) erläutert: "Der Staat darf niemanden zwingen, im Krieg zu kämpfen." Dieses Recht ist in Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes verankert. Wenn eine Person nicht an der Front eingesetzt werden möchte, ist es jedoch möglich, dass sie im Ernstfall etwa in einem Krankenhaus aushelfen muss. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. Das regelt Artikel 12a, Absatz 2 des Grundgesetzes.

Das Kriegsdienstverweigerungsrecht galt nicht immer in Deutschland. Es wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) eingeführt.

Wie viele Kriegsdienstverweigerer gibt es in diesem Jahr bislang?

Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in Deutschland ist in diesem Jahr deutlich angestiegen, sie bleibt insgesamt aber auf niedrigem Niveau. Das geht aus einer Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine Anfrage aus dem Verteidigungsausschuss des Bundestags hervor, die der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch vorlag. Die Zahl der Verweigerungen erhöhte sich von 209 im Gesamtjahr 2021 auf 810 in den ersten acht Monaten des Jahres 2022.

Der Mitteilung zufolge ging die Zahl der Verweigerungen aus den Reihen der aktiven Soldaten dabei im Jahresvergleich von 176 auf 136 zurück, während sie bei Reservisten und insbesondere bei Ungedienten sehr deutlich zunahm. Bei den Reservisten gab es einen Anstieg von 10 auf 190. Bei den Ungedienten waren nach 23 Anträgen im Vorjahr bis Ende August dieses Jahres bereits 484 Anträge eingegangen.

Was sind Reservisten und Ungediente?

Jeder, der mindestens einen Tag in der Bundeswehr gedient hat und seinen Dienstgrad nicht verloren hat, gilt als Reservist. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst erhält jeder automatisch den Status "Reservist", heißt es vonseiten des Reservistenverbandes. Zudem hat jeder Bürger die Möglichkeit, sich als Reservist ausbilden zu lassen. Ein Ungedienter hat zu Zeiten der Wehrpflicht (1956-2011) keinen Wehrdienst geleistet.

Wer kann den Kriegsdienst verweigern – und wann?

In Deutschland dürfen alle Soldaten, Berufssoldaten und Reservisten einen Antrag darauf stellen, den Kriegsdienst zu verweigern. Das gilt nicht erst dann, wenn tatsächlich ein Krieg ausbricht – sondern auch, wenn kein Krieg herrscht.

Die Verweigerung muss begründet werden, da sich Bundeswehrsoldaten und Reservisten freiwillig zum Dienst beziehungsweise Kriegsdienst an der Waffe haben verpflichten lassen. "Mit ihrem Eid verpflichten sich die Soldaten, unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens, Deutschland zu dienen", erklärt das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) auf seiner Website. Im Kampf müssten diese also auch bereit sein zu töten.

Wie rechtfertigt man eine Kriegsdienstverweigerung?

Gründe, den Kriegsdienst verweigern zu dürfen, sind divers. So gilt es etwa als Rechtfertigung, wenn eine Person davon überzeugt ist, dass es falsch ist, im Krieg zu kämpfen. Eine andere Erklärung könnte sein, dass die Religion es der Person nicht erlaubt, in den Kampf zu ziehen. Jemand anders sagt womöglich, dass er oder sie keinen Menschen töten dürfe, auch dann nicht, wenn man angegriffen wird. Für diese Personen sei es gegen das Gewissen, im Krieg zu kämpfen, erläutert die BPB.

Wie läuft das Kriegsdienstverweigerungsverfahren?

Ob eine Person den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern darf, entscheidet das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). Dafür muss ein schriftlicher Antrag beim Karrierecenter der Bundeswehr (ehemals Kreiswehrersatzamt) gestellt werden.

Nachdem die gesundheitliche Eignung festgestellt worden ist, wird das Schreiben ans Bundesamt weitergeleitet. Ein vollständiger tabellarischer Lebenslauf und eine persönliche ausführliche Begründung für die Gewissensentscheidung müssen beigelegt werden. "Der Lebenslauf sollte die wichtigsten Lebensdaten ohne größere zeitliche Lücken enthalten", rät das BAFzA.

Das Bundesamt gibt dem Antrag statt, wenn dieser vollständig ist, die dargelegten Beweggründe geeignet sind, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu begründen und es keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben gibt.

Bestehen wiederum Zweifel an der Wahrheit der Angaben, hat die Antragstellerin beziehungsweise der Antragsteller einen Monat Zeit, sich schriftlich dazu zu äußern. "Bestehen die Zweifel weiterhin, kann eine mündliche Befragung (Anhörung) erfolgen", erklärt das BAFzA. Im Falle einer Ablehnung des Antrags kann Widerspruch eingelegt werden – bis hin zur Klage.

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