Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Eiertanz bei der Nato Ein Land kommt unter die Räder

Auf dem Nato-Gipfel in Den Haag haben sich Europas Staats- und Regierungschefs dem Diktat Donald Trumps gebeugt. Das nahm stellenweise fast komische Züge an.
Florian Harms berichtet aus Den Haag
Die Welt ist unsicherer geworden, auch Europas Demokratien sind bedroht. Kremlchef Putin hat seine Eroberungsgelüste vor wenigen Tagen öffentlich wiederholt: "Wo der Fuß eines russischen Soldaten steht, das gehört uns", sagte er auf dem Wirtschaftsform in Sankt Petersburg. Die russischen Waffenfabriken produzieren gegenwärtig mehr Schießgerät als alle europäischen Nato-Staaten zusammen.
In den vergangenen Jahrzehnten konnten sich die Europäer unter dem amerikanischen Schutzschirm ausruhen. Das ist vorbei. Präsident Donald Trump hat mehrfach mit dem Austritt der USA aus der Militärallianz gedroht, sollten die Europäer ihren selbstgewählten Verpflichtungen nicht nachkommen.
Deshalb starten die Staats- und Regierungschefs der europäischen Nato-Länder nun ein gigantisches Aufrüstungsprogramm, um ihre Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen. Spätestens ab 2035 sollen alle Mitglieder der Allianz jedes Jahr fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung und dafür nötige Infrastruktur investieren – eine Steigerung um gewaltige 150 Prozent. Dazu haben sie sich auf dem heutigen Nato-Gipfel in Den Haag verpflichtet, was ein historisches Ereignis ist.
Aber nicht nur mit enormen Geldsummen versuchen die Europäer, Trump zu besänftigen. Auch Ablauf und Inszenierung dieses Gipfels waren vollständig auf den Amerikaner und dessen Eigenwilligkeit zugeschnitten:
- So stutzte Generalsekretär Mark Rutte das Treffen auf wenige Stunden, um Trumps bekanntermaßen kurze Aufmerksamkeitsspanne zu schonen.
- Kurz vor Gipfelbeginn schickte Rutte Trump eine SMS, die von vielen Beobachtern als unterwürfig empfunden wurde: "Du hast uns zu einem wirklich wichtigen Moment für Amerika, Europa und die Welt geführt. Du wirst etwas erreichen, was seit Jahrzehnten KEIN amerikanischer Präsident geschafft hat. Die Europäer werden einen HOHEN Preis zahlen, so wie es sein soll, und das wird dein Sieg sein." Man kann es auch so übersetzen: Donald, du führst, wir folgen.
- Als Trump Dienstagabend zum festlichen Dinner im Königspalast schritt, wehte der heftige Seewind prompt den roten Teppich weg. Eine Schrecksekunde – oder gar ein schlechtes Omen? Hektisch eilten Helfer herbei, um den störrischen Läufer zu bändigen und dem Amerikaner den Weg zu bereiten. Innen angekommen, wurde Trump von König Willem-Alexander und dessen elegant gewandeter Gattin Máxima umgarnt. Es ist bekannt, dass Trump so etwas mag.
- Am Mittwoch gingen die Ehrerbietungen weiter: Als sich die Regierungschefs, ihre Außen- und Verteidigungsminister zur ersten und einzigen Arbeitssitzung versammelten, dominierte Trump erneut. Kaum hatte er den Saal betreten, scharten sich die Delegationen um ihn, versuchten wenigstens kurz seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Mancher Regierungschef wirkte wie ein stolzer Schulbub, als er endlich Trumps Hand schütteln durfte. Es wirkte stellenweise wie ein Eiertanz.
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- In seinen Eröffnungsworten pries Rutte erneut Trumps Führungsstärke: Nur ihm sei es zu verdanken, dass nun alle Mitgliedsländer ihre Verteidigungsversprechen erfüllten. Trump lauschte wohlwollend.
Es war offensichtlich: Bei diesem Gipfel ging es im Kern nur darum, die Vorgaben Washingtons zu erfüllen und Trump zu schmeicheln, um die Amerikaner in der Allianz zu halten. Ohne die USA wäre die Nato nicht mehr das mächtigste Militärbündnis der Welt.
Ein Land hingegen kam in Den Haag unter die Räder: Trump verhinderte persönlich, dass sich der Gipfel mit der Ukraine beschäftigte. Die oft beschworene Nato-Mitgliedschaft des überfallenen Landes ist praktisch vom Tisch. Präsident Wolodymyr Selenskyj durfte im Gegensatz zum Nato-Treffen im Vorjahr – damals noch unter der Führung Joe Bidens – diesmal nur am Katzentisch Platz nehmen. Da können die Europäer Merz, Macron, Starmer und Co. noch so oft ihre Unterstützung der Ukraine betonen. Wenn Trump nicht mitspielt, ziehen sie den Kürzeren.