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Corona-Infektionsrisiko über den Wolken: Sollten wir eine Flugreise wagen?


Was heute wichtig ist
Die unsichtbare Gefahr über den Wolken

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 29.05.2020Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Lufthansa-Mitarbeiter mit Atemmaske: Wie groß ist das Infektionsrisiko in der Flugzeugkabine wirklich?Vergrößern des Bildes
Lufthansa-Mitarbeiter mit Atemmaske: Wie groß ist das Infektionsrisiko in der Flugzeugkabine wirklich? (Quelle: imago images)

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WAS WAR?

Jeder große Schauspieler hat eine Geheimwaffe. Etwas, das ihn oder sie selbst in unterschiedlichen Rollen unverkennbar macht und uns Zuschauer auch dann noch fesselt, wenn wir einen Film oder eine Theateraufnahme Jahrzehnte nach der Premiere wieder sehen. Bei manchen ist es das Mienenspiel, bei anderen der Blick oder eine charakteristische Geste. Bei Irm Hermann war es die Stimme. Wie ein Eiszapfen, den man aus der Tiefkühltruhe zieht: So klirrend kalt konnte sie mit einem einzigen Satz ein Gegenüber verbal erdolchen. Sei es als emotionslose Krista in Fassbinders "Angst essen Seele auf", als mürrische Irmgard im "Händler der vier Jahreszeiten" oder als besserwisserische Tante Hedwig in Loriots "Pappa ante portas". Mit ihren Kleinbürgerrollen in den Filmen des ungeheuerlichen Genies Rainer Werner Fassbinder reifte sie zur Berühmtheit, aber sie fand sich später ebenso mühelos in Komödien und Krimis zurecht. Warmherzig und lustig konnte sie spielen, aber wenn es die Rolle erforderte, genügte ein Satz aus dem Eisfach, um das Publikum erstarren zu lassen. Mit dem kaum weniger ungeheuerlichen Christoph Schlingensief brachte sie die Theaterwelt als herrische Kanzlergattin in der "Berliner Republik" zum Beben.

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Nun ist die große Schauspielerin Irm Hermann im Alter von 77 Jahren gestorben. Als ich die Nachricht gestern sah, wurde mir erst kalt ums Herz. Was, sie auch schon tot? Die Trauer um eine unvergleichliche Künstlerin, die uns ganz besondere Momente im Kino und im Theater bescherte – und ein wenig auch die Bestürzung darüber, wie schnell die Zeit vergangen ist und man selbst trotz aller Gegenwehr auch schon gealtert ist. Aber dann wich die Eiseskälte der Dankbarkeit und Wärme breitete sich aus: Irm Hermann und ihre Geheimwaffe sind ja nicht verloren, wir können sie auch jetzt und in vielen Jahren noch bewundern. Höchste Zeit also, sich mal wieder vor die Flimmerkiste zu setzen, "Angst essen Seele auf" anzuschauen und uns von dieser einzigartigen Stimme fesseln zu lassen!


WAS STEHT AN?

Auf einfache Fragen wünschen wir uns einfache Antworten. Bald beginnt die Urlaubszeit, können wir es also wieder wagen, uns in ein Flugzeug zu setzen? Na, das ist simpel. Endlich mal keine komplizierten Expertenkommentare à la "das kommt drauf an" und "wir wissen es nicht". Eine Röhre, dicht an dicht vollgepackt mit Menschen und dann für mehrere Stunden versiegelt: Wollte man sich ein Experiment ausdenken, in dem perfekte Übertragungsbedingungen für das Coronavirus geschaffen werden sollen – so sähe es aus.

Aber halt. Trüge der Erreger menschliche Züge, dann hätte er jetzt ein hämisches Grinsen aufgesetzt, sich bei ein paar Airline-Lobbyisten untergehakt und riefe uns zu: Nichts ist hier klar! Die Airline-Lobbyisten wedeln schon hektisch mit einer Untersuchung der europäischen Luftfahrtaufsichtsbehörde EASA, in der zu lesen ist, dass der Mief am Boden – egal ob im Büro, im Kindergarten oder in der Wohnung – viel schlimmer ist als in der Passagierkabine. Und sie berufen sich auch noch schnell auf das Robert Koch-Institut, um festzustellen, es sei "kein einziger Fall bekannt geworden, bei dem eine Ansteckung mit Covid-19 an Bord eines Flugzeugs erfolgt ist".

So weit, so erwartbar. Von den Interessenvertretern der Luftfahrtbranche eine farbenfrohe Schilderung der Ansteckungsrisiken beim Fliegen zu erwarten, wäre vielleicht ein bisschen viel verlangt. Aber gab es wirklich keine Übertragung in einem Flugzeug? Bei der Einschleppung des Coronavirus nach Deutschland konnten wir schon froh sein, wenn sich im Einzelfall die Verbindung zu einer Reise nach Norditalien feststellen ließ. Nur weil sich Infektionen nicht punktgenau zum Sitzplatz in der fliegenden Röhre zurückverfolgen lassen, heißt das noch lange nicht, dass es dort keine gibt. Und die zitierten Luftqualitätstester im Auftrag der EASA hatten sich eh für chemische Verunreinigungen anstatt für Viren, Bakterien und Infektionsrisiken interessiert.

Dennoch sind die fliegenden Kisten keine simplen Zirkulationskammern für Tröpfchen und Keime. Im Lüftungssystem sind Filter verbaut, an denen Erreger nicht vorbeikommen. Auch für hinreichend Frischluftzufuhr von draußen ist gesorgt. Als Risikozone für eine Infektion gelten deshalb nur die unmittelbar angrenzenden Sitzreihen, und insbesondere natürlich die Nachbarn auf dem Nebenplatz. Auch ausgedehnte Aufenthalte im Gang – zum Beispiel in Warteposition vor der Toilette – geben dem Erreger eine Chance. Die schlechteste Nachricht von allen ist jedoch infiziertes Bordpersonal.

Diese Risiken kann man immerhin eindämmen, wenn man konsequent eine Maske trägt – übrigens nicht nur im Flugzeug selbst, sondern spätestens dann, wenn man den Flughafen betritt. Denn die Prozeduren bei Check-in, Sicherheitskontrolle und Boarding sind möglicherweise sogar riskanter als der Aufenthalt an Bord. Experten empfehlen den Airlines außerdem, nicht alle Plätze zu besetzen und insbesondere den Mittelplatz freizulassen. Die Richtlinien der EU raten ebenfalls dazu – schreiben es aber nicht vor. Das ist auch kein Wunder, denn so fände in den meisten Maschinen einer von drei Passagieren keinen Platz mehr an Bord. Ein teures Vergnügen. So bleibt es bei der unverbindlichen Empfehlung. Die Wirtschaft geht vor.

Aber mit Maske und zusätzlichem Platz wäre dann alles okay? Oh, wir haben die Praxis vergessen! Die Kollegen von "Report Mainz" sind gerade zu einem Dreh nach Portugal geflogen und haben die Flugreise auch gleich gefilmt. Sehen Sie sich das doch schnell noch an, bevor sie kurzfristig den Urlaubsflug buchen. Vielleicht verbringen Sie die Ferien dann doch lieber in Deutschland.


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WAS LESEN UND HÖREN?

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Ich wünsche Ihnen einen fantasievollen Tag. Wenn Sie den Tagesanbruch als E-Mail abonniert haben, bekommen Sie morgen die Wochenendausgabe geschickt. Mein Kollege Marc Krüger hat wieder zwei anregende Themen für Sie (und mich) vorbereitet.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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