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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Gastbeitrag zum Klimaschutzbericht 2025 Nur dann zahlt sich all das Geld aus

Deutschland wird in den kommenden Jahren seine Treibhausemissionsziele im Verkehrssektor bis 2030 verfehlen. Das wird sich wirtschaftlich rächen, schreibt Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende, in seinem Gastbeitrag.
Klimaschutz spielte weder im Vorfeld der Bundestagswahl noch bei der Regierungsbildung eine entscheidende Rolle. Doch für den Erfolg der Bundesregierung wird er entscheidend sein. Denn Sondervermögen, Investitionsoffensiven für Infrastruktur, Steuererleichterungen und Planungsbeschleunigungen, wie sie die Regierungskoalition angekündigt hat, zahlen sich nur dann aus, wenn sie politisch mehrfach Mehrwert schaffen.
Im Verkehrssektor sind die politischen Herausforderungen besonders groß. Erstens steckt das Kraftzentrum des Industriestandorts Deutschland, die Automobil- und Mobilitätswirtschaft, im größten Strukturwandel seit ihrem Bestehen. Zweitens schwindet das Vertrauen in staatliches Handeln, wenn Brücken bröckeln und Bahnen und Busse nicht verlässlich fahren. Drittens weicht der Verkehrssektor immer mehr vom Weg zur Klimaneutralität bis 2045 ab.
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Zur Person
Christian Hochfeld ist Direktor von Agora Verkehrswende. Von Mitte 2022 bis Anfang 2025 war er Mitglied im Expertenkreis Transformation der Automobilwirtschaft beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Nach Schätzungen des Expertenrats für Klimafragen wird Deutschland sein CO₂-Ziel im Verkehr bis 2030 kumuliert um 167 Millionen Tonnen verfehlen. Das ist mehr, als der Sektor zuletzt in einem ganzen Jahr ausgestoßen hat. Dass andere Sektoren wie Energie und Industrie Mehremissionen des Verkehrs in der Gesamtbilanz aktuell ausgleichen, wird nicht mehr lange anhalten. Manche Einsparungen aus den Jahren 2021 bis 2024 gehen auf die Covid-19-Pandemie und eine schwache Wirtschaft zurück. Springt die Wirtschaft bald wieder an, ohne zusätzliche Beiträge zum Klimaschutz zu liefern, wird dieser Puffer bis 2030 längst aufgebraucht sein.
Klimaschutz gehört zum Wachstum dazu
Setzt die Politik auf ein starkes Wirtschaftswachstum, sollte sie ihre Maßnahmen deshalb umso mehr mit Klimaschutz verbinden. Ein Euro kann nur einmal ausgegeben werden – egal ob für Straßen, Schienentrassen, Radwege, Pkw, Lkw, Busse oder Schienenfahrzeuge. Investitionen, die auf fossile Technologien und emissionsfördernde Infrastrukturen setzen, drohen rasch an Wert zu verlieren und Folgekosten zu verursachen.
Im Koalitionsvertrag bekennen sich CDU, CSU und SPD zum Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Dabei betonen sie, dass sie Klimaschutz mit wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Ausgewogenheit zusammenbringen wollen. Dieses Zieldreieck wird allerdings nur im Klimakapitel hervorgehoben. Das legt die Interpretation nahe: Klimaschutz soll dem wirtschaftlichen Aufschwung nicht im Weg stehen, aber für das Wirtschaftswachstum gilt freie Fahrt, ungeachtet der Klimakrise.
Die Verkehrswende ist ein Zukunftsprojekt
Für einen tragfähigen wirtschaftlichen Aufschwung müssen aber alle drei Aspekte – Wirtschaft, Klima und Soziales – im Gleichgewicht gehalten werden. Gerade im Verkehr verspricht dies viele Vorteile. Die Verkehrswende – also die Umstellung auf elektrische Antriebe und erneuerbare Energien (Antriebs- und Energiewende) sowie die Verlagerung von Verkehr auf umweltverträglichere Fahrzeuge und Fortbewegungsformen (Mobilitäts- und Logistikwende) – ist weit mehr als ein Klima- oder Verkehrsprojekt. Sie ist ein Zukunftsprojekt für Staatsfinanzen und Infrastrukturinvestitionen, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze, Energieversorgung und Kaufkraft, Lebensqualität und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Automobil- und Mobilitätswirtschaft lässt sich zum Beispiel am ehesten mit einer schnellen Transformation zur Elektromobilität sichern. Fahrzeugbatterien können als flexible Lade- und Speichereinheiten den Betrieb des Stromnetzes erleichtern und Kosten senken. Kreislaufwirtschaft mit kritischen Rohstoffen hat das Potenzial zur Hightech-Branche. Erneuerbare Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff werden in großen Mengen im Luft- und Seeverkehr gebraucht. Autonomes Fahren kann vor allem im ländlichen Raum als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr mehr soziale Teilhabe ermöglichen.
Dann winkt eine dreifache Dividende
Für all dies braucht es langfristig verlässliche Investitionsbedingungen. Im Koalitionsvertrag finden sich Ansätze, die in diese Richtung weisen, aber eine klare Linie ist bislang nicht zu erkennen. Je mehr bei Investitionen im Verkehrssektor auf langfristig wertsichernde Faktoren wie Klimaschutz und soziale Ausgewogenheit geachtet wird, desto eher lässt sich eine dreifache Dividende realisieren – für Wirtschaft, Gesellschaft und Klima.
- Gastbeitrag von Christian Hochfeld, Direktor Agora Verkehrswende.