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Brände auf Griechenlands Urlaubsinseln | Droht das auch in Deutschland?


Flammen auf griechischen Urlaubsinseln
"Das ist eine lebensgefährliche Falle"


Aktualisiert am 24.07.2023Lesedauer: 4 Min.
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Einsatzkräfte der Feuerwehr in Kleinmachnow (Archivbild): Immer wieder kommt es in Deutschland gerade in Nadelwäldern zu Waldbränden.Vergrößern des Bildes
Einsatzkräfte der Feuerwehr in Kleinmachnow (Archivbild): Immer wieder kommt es in Deutschland gerade in Nadelwäldern zu Waldbränden. (Quelle: Andreas Friedrichs/imago-images-bilder)

Auf den griechischen Urlaubsinseln Rhodos und Euböa sind zahlreiche Waldbrände außer Kontrolle geraten. Könnte ein solches Szenario auch in Deutschland drohen?

In Griechenland herrscht Ausnahmezustand: Die Feuerwehren kämpfen derzeit in insgesamt 64 Regionen des Landes gegen verheerende Waldbrände. Auf den Inseln Rhodos, Korfu und Euböa wüten die Flammen am schlimmsten. So mussten auf Rhodos zuletzt 30.000 Menschen vor den Bränden fliehen, Hotelanlagen verbrannten, Touristen mussten mit Schiffen und Bussen evakuiert werden (hier lesen Sie mehr zur aktuellen Lage auf der Ferieninsel).

Auch in Deutschland steigt die Gefahr von Waldbränden mit der Klimakrise zunehmend. Doch wie hoch ist das Risiko eines ähnlichen Szenarios? Und wie wäre Deutschland gegen mögliche Brände gewappnet?

Video | "Das ist ein Teufelskreislauf"
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Quelle: t-online

"Dass wir so schnell so dynamische und große Brände bekommen wie in Rhodos, halte ich für nahezu unmöglich", sagt Ulrich Cimolino, Vorsitzender des Arbeitskreises Waldbrand des Deutschen Feuerwehrverbandes, zu t-online. Anders sieht es Alexander Held, Senior-Experte für forstliches Risikomanagement am European Forest Institute (EFI): "Wir haben in Deutschland durchaus das Potenzial für katastrophale Brände", sagt der Waldbrandexperte zu t-online.

"Dann steht die Feuerwehr auf verlorenem Posten"

Weil Deutschland produktivere Waldfläche hat als Griechenland, gebe es theoretisch mehr Brennmaterial als in Spanien oder Griechenland, sagt Held und verweist auf die noch immer verbreiteten Monokulturen aus Kiefern. Die menschlich angelegten Forste erstrecken sich vom Norden bis hin zur Mitte Deutschlands. Warum das Waldbrandrisiko bei den Kiefernforsten besonders hoch ist und wie sie in Zukunft vermieden werden sollen, lesen Sie hier.

Laut Held sorge das regenreichere Wetter bislang dafür, dass aus den Nadelhölzern nicht zu hundert Prozent reines Brennmaterial werde. "Mit der Klimakrise wird sich das aber ändern", warnt Held. Zunehmende und längere Hitzeperioden könnten die Wälder trockener werden lassen und das Waldbrandrisiko erhöhen.

Allerdings seien die Winde normalerweise nicht so stark wie auf Rhodos oder in anderen Mittelmeerregionen, gibt Cimolino vom Deutschen Feuerwehrverband zu bedenken. Die griechische Insel gilt mit üblichen Windgeschwindigkeiten von bis zu 100 Kilometern die Stunde als beliebtes Reiseziel zum Windsurfen. Auch am Sonntag fachten plötzliche Windböen von 55 Kilometer pro Stunde die Waldbrände weiter an.

Held sieht dennoch die Gefahr für größere Brände. Besonders aufgrund der dichten Infrastruktur und Besiedelung in Deutschland sei das ein Problem. "So groß wie in Rhodos müssen die Waldbrände dann gar nicht werden, um hier Chaos auszulösen", sagt Held. Zwar könnten die Feuerwehren bislang viele Brände löschen. "Bei größeren Waldbränden steht die Feuerwehr aber auf verlorenem Posten", sagt Held.

"Deutschland tut zu wenig", mahnt der Experte. Förster, Landwirte, Tourismusbranche und Naturschutzbehörden müssten enger zusammenarbeiten. Auch brauche es unabhängige Kompetenzzentren, die über das Thema der Waldbrandprävention aufklärten.

Dichteres Netz aus Feuerwehren in Deutschland

Brände wie auf Rhodos fürchtet Cimolino vom Deutschen Feuerwehrverband zwar nicht, aber dass es zu großen Bränden kommen kann, glaubt er dennoch. So wüteten etwa im Sommer vergangenen Jahres in den Nationalparks Böhmische und Sächsische Schweiz verheerende Brände. Er sieht die Feuerwehr allerdings gut gerüstet.

Deutschland sei durch ein dichtes Netz an Freiwilligen Feuerwehren besser aufgestellt als Griechenland. "Wir sind viel schneller vor Ort", sagt Cimolino. So wurden in Deutschland im Jahr 2020 für eine Einwohnerzahl von etwa 83 Millionen Menschen zuletzt 43.401 Standorte von Freiwilligen Feuerwehren, Jugendfeuerwehren und Berufsfeuerwehren gezählt. Insgesamt waren mehr als 1,3 Millionen Feuerwehrleute registriert.

"Wir verfügen zudem über ein breites Spektrum an Einsatzfahrzeugen, von denen einige auch für die Brandbekämpfung im Freien spezialisiert sind", sagt Cimolino. Hinzu kämen über 70 Helikopter, um Brände aus der Luft zu bekämpfen, sowie drei Löschflugzeuge, stationiert in verschiedenen Bundesländern.

Griechenland setzt auf Brandbekämpfung aus der Luft

Zum Vergleich: Griechenland hat mit knapp 10 Millionen Einwohnern zwar eine geringere Einwohnerzahl, aber auch weitaus weniger Einsatzkräfte. Laut der International Association of Fire and Rescue Services (CTIF) wurden 2019 lediglich 15.927 Feuerwehrleute an 285 Standorten in ganz Griechenland gezählt. Das entspräche etwa 10.000 Einsatzkräften für ganz Deutschland.

Gerade in ländlichen Regionen Griechenlands sind die Einwohner somit auf überregionale Hilfe angewiesen. Dazu setzt das Land auf Hilfe aus der Luft: Mit 93 Flugzeugen und Hubschraubern hat die griechische Feuerwehr mehr Möglichkeiten, Waldbrände effektiv aus der Luft zu bekämpfen, als Deutschland. Allein auf Rhodos waren laut Behördenangaben am Sonntag neben 43 Einsatzwagen der Feuerwehr zehn Löschflugzeuge und acht Hubschrauber im Einsatz.

"Das ist eine lebensgefährliche Falle für die Feuerwehr"

Doch laut Cimolino lässt sich auch in Deutschland die Waldbrandbekämpfung noch verbessern, denn einem Problem stehen die Einsatzkräfte nahezu machtlos gegenüber: Waldbränden in Gebieten, die durch die Weltkriege noch immer munitionsbelastet sind. "Da müssen wir das Feuer laufen lassen", so Cimolino. Eine konventionelle Brandbekämpfung sei in diesen Gebieten nicht möglich. Zu gefährlich sei der Einsatz für die Feuerwehrkräfte.

Cimolino fordert darum eine einheitliche Einsatztaktik und Ausbildung. Zudem müssten mindestens zehn gepanzerte Feuerlöschfahrzeuge bereitgestellt werden – am besten bei der Bundeswehr, da diese damit kein Zulassungsproblem bekomme. Auch sollten sich die zuständigen Behörden in den Gemeinden über eine geeignete Schutzkleidung für ihre Feuerwehren informieren und diese zur Verfügung stellen. Zudem müssten die munitionsbelasteten Gebiete in Karten eingetragen und wenn möglich beräumt werden.

Unabhängig davon müsse bei der Renaturierung von Wäldern abgewogen werden, so Cimolino. Die Bundesregierung unterstützt Förster und Waldbesitzer beim sogenannten Umbau ihres Waldes. Für den Klimaschutz sollen dabei zunehmend wieder natürliche Mischwälder entstehen. Uneinigkeit herrscht unter Experten jedoch beim Thema Totholz: Während manche Forstwissenschaftler dazu raten, es im Wald liegenzulassen, da es Wasser speichere, plädiert etwa Cimolino dafür, es wie traditionell üblich zu räumen, zumindest dort, wo es überhandnehme.

In niederschlagsreichen Wäldern könne man das tote Holz sicher liegen lassen, so Cimolino, in niederschlagsarmen Regionen wie etwa Brandenburg oder der Sächsischen Schweiz aber wirke es wie ein Brandbeschleuniger. "Dann ist das eine lebensgefährliche Falle für die Feuerwehr", sagt Cimolino. Für ihn ist jeder stehende tote Stamm "ein Witwenmacher".

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Alexander Held, Senior-Experte für forstliches Risikomanagement am European Forest Institute (EFI)
  • Gespräch mit Ulrich Cimolino, Vorsitzender des Arbeitskreises Waldbrand des Deutschen Feuerwehrverbandes
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Weltfeuerwehrverband CTIF, 2021
  • Eigene Recherche
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