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Wetter-Kolumne: Jetzt hab ich sogar schon Narzissen entdeckt


Deutschland ohne Winterwetter
Jetzt hab ich sogar schon Narzissen entdeckt

MeinungEine Kolumne von Michaela Koschak

31.01.2020Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Narzissen nach einem milden Winter in England: Auch in Deutschland lässt Winterwetter weiter auf sich warten.Vergrößern des Bildes
Narzissen nach einem milden Winter in England: Auch in Deutschland lässt Winterwetter weiter auf sich warten. (Quelle: imago-images-bilder)

Der Winter will sich in Deutschland einfach nicht einstellen. Kinder haben schon vergessen, wie Schnee aussieht. Wenn nichts mehr kommen sollte, ist das durchaus bedenklich.

Nun ist schon der zweite Wintermonat vorbei und von Winter kann man bisher immer noch nicht sprechen. Im Januar gibt es eigentlich den Hochwinter mit strengem Frost, weiß gezuckerten Feldern, tief verschneiten Bergen, Eiszapfen an Dachrinnen und zugefrorenen Seen, aber davon waren wir weit entfernt. In Teilen von Schleswig-Holstein gab es zum Teil gar keinen Frost, weder tagsüber noch nachts. Auch das Wort "Eistag" fiel in den Wetterberichten fast nie.

So etwas gab dieses Mal noch gar nicht

An einem Eistag liegt die Höchsttemperatur unter null Grad Celsius und das ist eigentlich ganz normal im Januar. Entweder es gibt dann blauen Himmel und Sonnenschein, nachts zweistellige Minusgrade und tagsüber herrliches sonniges eisiges Winterwetter oder es herrscht Inversion, das heißt eine graue dicke Hochnebeldecke liegt über uns und darunter ist es nass-kalt mit Schneegriesel bei maximal minus 2 Grad.

Beides ist Winter und beides ist typisch für den Januar, aber so etwas gab es in diesem Winter fast noch gar nicht, stattdessen kletterte das Thermometer teils in den zweistelligen Bereich und blieb nachts bei Tiefstwerten von 11 Grad hängen. Schon Anfang Januar konnte man die ersten Winterlinge und Schneeglöckchen sprießen sehen. Jetzt hab ich sogar schon Narzissen entdeckt, die eigentlich erst zu Ostern aus der Erde kommen.

"Wie sieht nochmal eine Schneeflocke aus?"

Eine Schneeflocke haben zur Trauer aller Kinder viele von uns diesen Winter noch nicht gesehen und auch in den Mittelgebirgen, teils sogar auf 1.000 Meter sind die Wiesen grün und nicht schneebedeckt. Die Langlaufski und Schlitten in den Kellern vieler Familien stauben ein und setzen Rost an und die Gesichter unserer Kinder werden länger und trauriger, denn sie lieben den Schnee, den es bisher noch nicht gab.

Mein sechsjähriger Sohn fragte mich letzte Woche: "Mama, wie sieht eigentlich nochmal eine Schneeflocke aus, du hast mal erzählt, da ist keine wie die andere – kannst du mir das nochmal zeigen?" Leider musste ich den kleinen Kerl ein Buch vor die Nase halten und es ihm dort erklären und nicht, wie es ja eigentlich normal im Januar wäre, einfach mit ihm eingemummelt in Schal und Mütze in den Garten gehen und es ihm live und in Farbe erklären.

Weiter kein Winterwetter in Sicht

Wie geht es nun weiter? 29 Tage ist für uns Wetterfrösche offiziell noch Winter, kommt er denn noch, fragen sich sicher viele von Ihnen? Also an diesem Wochenende definitiv nicht. Auch da werden die Frühblüher wieder einen neuen Schub bekommen, denn das Quecksilber in unseren Thermometern klettert auf 10 bis 14 Grad, dazu können unsere Pflanzen mal wieder ordentlich ihre Wasservorräte auffüllen, denn jede Menge Regenwolken fühlen sich über Deutschland wohl.

Aber von Frost, Rauhreif, schneebedeckten Bergen und Eiskratzen sind wir weit entfernt. Nächste Woche wird es zwar etwas kälter, aber auch da kann man noch nicht von Winterwetter sprechen. Welche Wetterlage sich dann ab Mitte Februar einstellt ist jetzt noch nicht absehbar, auch der berühmte Märzwinter ist nicht aus der Welt, aber jetzt noch nicht vorherzusagen.

Dabei steht die Einschätzung für den kompletten Winter noch aus und kann wirklich erst im März gegeben werden, aber zu kalt im Mittel wird er auf alle Fälle nach den Warmduscher-Wintermonaten Dezember und Januar nicht ausfallen.

Das sagen die Bauernregeln dazu

Der ein oder andere von Ihnen hat jetzt vielleicht in Erinnerung, dass nach einem milden Winter, der Sommer auch oft ins Wasser gefallen ist – beziehungsweise nicht besonders warm und sonnig wurde. Damit liegen Sie gar nicht so falsch, da gibt es sogar einige Bauernregeln zu. Beispielsweise "Ist der Winter hart und weiß, wird der Sommer schön und heiß." oder "Der Winter sieht oft dem Sommer in die Karten" oder "Auf hartes Winters Zucht folgt gute Sommerfrucht."

Wenn man sich da zum Beispiel den Winter 2013/14 oder 2015/16 anschaut und die darauffolgenden Sommer 2014 und 2016 dann stimmen diese Bauernregeln wie die Faust aufs Auge. Und das würde für den Sommer 2020 nichts heißes, trockenes und sommerliches verheißen. Aber zu 100 Prozent stimmen Bauernregeln ja nicht und der vergangene Winter 2018/19 war auch etwas zu mild und brachte alles andere als einen bescheidenen unterkühlten Sommer. Wer erinnert sich nicht an die Tage über 40 Grad im Juli.

In Klartext besprochen heißt das, wir können natürlich jetzt noch keine Vorhersage für den Sommer 2020 geben. Das kann niemand: kein Klimamodell, kein Wetterfrosch, der aus dem Glas klettert, und auch kein seriöser Meteorologe.

Aber Gedanken über das Klima sollten wir uns dennoch machen. Die letzten Jahre waren allesamt zu mild, fast jeden Monat werden irgendwo neue Temperaturrekorde aufgestellt, dieser Winter präsentiert sich überhaupt nicht winterlich, Bauernregeln wie die Eisheiligen werden nicht mehr eisig... die Liste könnte man noch seitenweise verlängern. Somit ist es kein einzelnes Wetterereignis, was sich hier auftut, sondern eine Häufung von Signalen einer Erderwärmung, die deutlich schneller geht, als das bisher in der 4,6 Milliarden alten Erdgeschichte auf natürlichem Weg je passiert ist.

Mein Bauchgefühl sagt mir und ehrlich gesagt wünsche ich es mir sehr, dass es im Februar wenigstens noch ein paar Tage wirkliches Winterwetter mit Minusgraden und strengen Frost geben wird. Das war bisher jedes Jahr so und gehört zum deutschen Winter. Wenn das nicht passiert, wäre das natürlich auch nicht unnormal: Das Wetter wird in der Atmosphäre gemacht, die ein chaotisches System ist und wo theoretisch alles möglich ist. Aber bedenklich würde auch ich es als Meteorologin sehen, denn dann geht das mit dem Klimawandel doch schneller als die meisten vermuten.

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