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Polizeivideos von Einsatz gegen Ex-"Mr. Germany" im Netz


Einsatz gegen Reichsbürger
Schüsse und Schreie – Polizei-Videos sorgen für Aufsehen

t-online, Lars Wienand

08.01.2018Lesedauer: 4 Min.
Mit den Pistolen im Anschlag nähern sich die Polizisten dem Haus von Adrian Ursache, der den Mini-Staat Ur ausgerufen hatte und bundesdeutsche Gesetze nicht akzeptiert.Vergrößern des BildesMit den Pistolen im Anschlag nähern sich die Polizisten dem Haus von Adrian Ursache, der den Mini-Staat Ur ausgerufen hatte und bundesdeutsche Gesetze nicht akzeptiert. (Quelle: Screenshot)
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Schreie, Schüsse, Kommandos: 47 Minuten Polizei-Videos von einem Einsatz bei Reichsbürger und Ex-Mister-Germany Adrian Ursache stehen im Netz. Behörden haben wenig Handhabe, die Anwälte stört es nicht.

Auf YouTube veröffentliche Polizeivideos von einem Einsatz bei dem Reichsbürger Adrian Ursache haben Wirbel in sozialen Netzwerken ausgelöst. Zu sehen sind Bilder, die zumindest zwei Einsatzkräfte mit ihren Bodycams aufgenommen haben – polizeiinterne Videos also. Zuletzt hochgeladen wurden sie in einem Account, der dem Reichsbürgerspektrum zumindest nahe steht. Die Quelle ist unklar.

Zwangsvollstreckung im selbst ausgerufenen "Staat Ur"

Es ist 7.48 Uhr am 25. August 2016, als die Polizisten die Kameraaufzeichnung zum ersten Mal starten. "Einsatzanlass ist Zwangsvollstreckung bei einem Bürger", hört man einen Polizisten erklären. Der "Bürger" ist ein Reichsbürger, es ist Adrian Ursache (gesprochen: "Ursakke"), Mr. Germany von 1998 und Gründer des "Staates Ur" auf seinem Grundstück in der Alten Poststraße im Örtchen Reuden, das er nach einer Zwangsversteigerung nicht räumen will.

Sympathisanten von Ursache sind an dem Tag aus halb Deutschland angereist und campieren in Zelten. Auch deshalb sind 200 Polizisten angerückt. Die Behörden hatten auch eine deutliche Warnung in einem Video bekommen: "Wenn irgendeine Sau versuchen sollte, uns hier von unserem heiligen Boden zu entfernen, wird das mit Blut bezahlt werden, (...) Der Staat Ur gehört den Menschen in Ur."

Tatsächlich wird an diesem Tag Blut fließen, die fünf Schüsse sind in zwei Videos zu hören. Was an dem Tag passiert, hat Adrian Ursache eine Anklage wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingebracht. Er wurde schwer, zwei Polizisten wurden bei dem Einsatz leicht verletzt. 17 Minuten am Stück zeigt ein Video, ein zweites hat Unterbrechungen, es gibt auch Bilder von einer anschließende Begehung des Hauses.

Staatsanwaltschaft unternimmt nichts wegen Leak

Zu sehen ist, wie die Polizei vorrückt, wie Beamte sich austauschen, wie Hektik aufkommt, als sie Ursache mit Waffe entdecken. Und auch, wie sich Polizisten beinahe stoisch von Angehörigen des selbst ernannten Staatsgründers beschimpfen lassen, die sich Aufforderungen widersetzen. Im Netz gibt es auch viel Verwunderung, wie geduldig die Polizisten sind.

Woher kommen die Bilder? Verfahrensbeteiligte erhalten mit der Akteneinsicht auch das Material, erläutert auf Anfrage Wolfgang Ehm, Sprecher des Landgerichts Halle, wo der Prozess gegen Ursache läuft. Ob sie dann dort weitergegeben wurden, spiele für den Prozess keine Rolle mehr. Die Bilder gebe es im Netz erst, seit die Szenen auch im Prozess gegen Adrian Ursache gezeigt wurden, also dort veröffentlicht wurden.

Ursache-Verteidiger Mario Lüdtke weist zurück, dass die Anwälte die Bilder zur Veröffentlichung weitergegeben haben. Dazu habe er auch seine Kollegen gefragt, sagte er zu t-online.de. Es gebe aber in den Ermittlungsakten Hinweise, dass die Videos bereits früher geleakt worden sein könnten, "aus den Reihen der Polizei", so Lüdtke zu t-online.de. Von den aktuell abrufbaren wurde eines am 29. Dezember hochgeladen, eine andere Perspektive am 2. Januar. Möglich ist aber, dass ältere Versionen bereits gelöscht sind. Am Montag zogen sie Kreise, nachdem Moderator Jan Böhmermann einen Tweet mit dem Link zu einem Video verbreitet hatte.

Bei den Behörden gibt es nach Angaben von Heike Geyer, Leiterin der Staatsanwaltschaft, keine Ermittlungen zu den Polizeivideos. "Wir haben aber die Polizei gebeten, sich darum zu kümmern. Nicht strafrechtlich, sondern, um das Video aus dem Netz zu bekommen." Sie räumt selbst ein, dass das fast aussichtslos sei. Die Veröffentlichung könnte einen Verstoß gegen das Kunsturheberrecht darstellen, das Recht am eigenen Bild.

Stimme im Video: "Erschießt mich doch"

Ohne die Angehörigen von Ursache gezielt gefragt zu haben, vermutet Anwalt Lüdtke, dass sie keine Probleme damit haben, dass sie im Netz zu sehen sind. "Die hatten bislang eher das Gefühl, dass sie nicht gehört werden." Er sieht in den Bildern Material, das Zweifel am Einsatzgeschehen nähren könnte. Über den Prozess hat die "Mitteldeutsche Zeitung" bereits geschrieben, er zeige ein "Festival des Versagens". Tatbeteiligte Beamte seien nicht oder in Gegenwart von Vorgesetzten vernommen worden und hätten "immer gerade woanders hingeschaut", was "beißend nach Korpsgeist zu riechen beginne", so die Zeitung.

Nur im Video ist zu hören, wie die Schüsse fallen. Erst zwei, dann nach einer kurzen Pause drei vergleichsweise schnell. Im Prozess gegen ihn hat Ursache inzwischen ausgesagt, er sei mit der Waffe vor das Haus gegangen, um zu sterben "und damit den Rechtsbankrott zu beweisen". Er will nicht zuerst geschossen haben. "Erschießt mich doch", hört man im Video. Für den Reichsbürger sind auch Staatsanwalt und Gericht Teile eines Faschistensystems, er war in engem Kontakt mit dem bayerischen Reichsbürger Wolfgang P., der nach tödlichen Schüssen auf einen Polizisten zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist.

Am 25. August 2016 soll Ursache seine Pistole auf einen Polizisten gerichtet und zuerst geschossen haben, heißt es in der Anklage. Im Polizeivideo dagegen empört sich die Schwiegermutter: "Ihr habt angefangen, ihr Säue, ihr". Ein Bekannter provoziert einen Beamten in den Bildern mit dem Satz: "Jetzt müsst Ihr mich auch erschießen, ich habe alles gesehen." Anders als die Beamten mit Kamera. Anwalt Lüdtke wundert sich: "Es ist Aufgabe der Dokumentationspolizisten, den Einsatz zu filmen. Und die entscheidende Szenen halten sie nicht fest." Was die Bilder zeigen und nicht zeigen sei geeignet, Fragen aufzuwerfen.

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