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Urteil in Augsburg | Betrunken Asylbewerber angegriffen: Polizist bleibt Beamter


Betrunken Asylbewerber angegriffen: Polizist bleibt Beamter

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 28.03.2019Lesedauer: 3 Min.
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Einsatz wegen Kollegen: In Augsburg hatten Polizisten auf Kneipentour grundlos einen Senegalesen angegriffen. Das Urteil bedeutet, dass sie ihren Beamtenstatus zunächst nicht verlieren.Vergrößern des Bildes
Einsatz wegen Kollegen: In Augsburg hatten Polizisten auf Kneipentour grundlos einen Senegalesen angegriffen. Das Urteil bedeutet, dass sie ihren Beamtenstatus zunächst nicht verlieren. (Quelle: Imago)

Betrunkene Polizisten außer Dienst beleidigen einen Asylbewerber rassistisch und greifen ihn tätlich an. Jetzt wurde der Haupttäter verurteilt – und könnte dennoch im Polizeidienst bleiben.

Das Landgericht Augsburg hat zwei Polizisten zu Bewährungsstrafen verurteilt, nachdem sie betrunken einen Asylbewerber aus dem Senegal attackiert und verfolgt hatten. Noch in erster Instanz war ein Urteil gefallen, das den Rauswurf des Haupttäters aus dem Staatsdienst bedeutet hätte.

Was sich im September 2016 in Augsburg zugetragen hat, ist in Prozessen vor Amtsgericht und Landgericht aufgearbeitet worden, über die die "Augsburger Allgemeine" berichtet: Eine Gruppe Polizisten aus Baden-Württemberg zog im September 2016 durch Augsburgs Kneipen und machte dabei Station in einem Schnellimbiss.

"Schwarzer Mann, geh nach Hause"

Dort saß ein Senegalese, und das passte einem 43-jährigen Oberkommissar des Polizeireviers Giengen (Kreis Heidenheim) offenbar nicht. Er rempelte den Mann an, schmierte ihm einen Hamburger an den Kopf und zischte: "Black man go home." ("Schwarzer Mann, geh’ nach Hause.")

Der Beamte auf Sauftour ging dem Asylbewerber auch noch nach, als der das Lokal verlassen hatte, versuchte, ihn mit einem Plastiktablett zu schlagen. Er verpasste dem Afrikaner auch einen Faustschlag und versuchte mit einem Kollegen, dem flüchtenden Mann in die Hacken zu treten.

Die Polizisten hatten das zunächst bestritten, die örtliche Polizei hatte aber offenbar schnelle und gute Arbeit geleistet: Sie fand mehrere unbeteiligte Zeugen, die die Version des Afrikaners bestätigten. Er selbst ist der "Augsburger Allgemeinen" zufolge untergetaucht, weil er nun Angst habe.

Kriminologe: Verurteilung ist bemerkenswert

Für Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, zeigt der Fall, dass die Strafverfolgung auch bei Polizisten funktioniert. "Volkes Gedanke trügt. Ermittlungen gegen Polizeibeamte werden auch immer von Beamten geführt, die keinen dienstlichen Bezug zueinander haben."

Der Kriminologie-Professor Tobias Singelnstein von der Ruhr-Universität Bochum, der auch zu Polizeigewalt forscht, findet es dagegen "bemerkenswert, dass es bei der Konstellation von mehreren Polizeibeamten einerseits und einem Geflüchteten andererseits zu einer Verurteilung von Polizisten kommt." Seine Erfahrung: "Solche Verfahren werden meist eingestellt."

In Augsburg verhängte das Amtsgericht gegen den Oberkommissar ein Urteil, das den dreifachen Familienvater hinter Gitter gebracht und seinen Beamtenstatus gekostet hätte: 14 Monate ohne Bewährung.

Bei der Berufung Geständnis abgelegt

In der Berufung änderte der Mann seine Taktik: Hatte er vor dem Amtsgericht von einem Missverständnis gesprochen, so gab er nun die Vorwürfe zu. "Mein Verhalten war inakzeptabel und durch nichts zu entschuldigen.“ Das Landgericht verurteilte ihn dann zu einer Bewährungsstrafe von elf Monaten. Elf Monate bedeuten eine Strafe unter der Grenze von einem Jahr, die den zwingenden Rauswurf aus der Polizei bedeutet.

"Ein solches Strafmaß hat das Landgericht offenbar vermeiden wollen", kommentiert Singelnstein. Die unterschiedliche Strafhöhe an Amts- und Landgericht sei aber nachvollziehbar, weil das Landgericht das jetzt abgelegte Geständnis strafmildernd würdigen kann. Urteile in solchen Fällen hätten aber auch immer eine Signalwirkung, so Singelnstein. "im Guten wie im Bösen."

Er sagt deshalb: "Wenn man sich die Umstände in diesem Fall und beide Urteile anschaut, würde es naheliegen, dass im Disziplinarverfahren die Entfernung aus dem Beamtenstatus überlegt wird. Es ist wichtig, dass es eine klare Grenzziehung gibt."

Polizeipräsidium Ulm muss entscheiden

Das liegt nun am Polizeipräsidium Ulm, das für ein Disziplinarverfahren verantwortlich ist. Am Donnerstag konnte ein Sprecher auf Anfrage aber nur eine völlig allgemeine Aussage treffen: Wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, wird auch ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Polizei hat offenbar die Befürchtung, durch konkretere Aussagen das Disziplinarverfahren zu gefährden.

Im Disziplinarverfahren kann der Dienstherr Polizeibeamte auch aus dem Dienst entfernen, wenn die Strafe unter einem Jahr liegt und die Umstände das rechtfertigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat etwa entschieden (BVerwG 2 C 19.14), dass ein Hauptkommissar wegen des privaten Besitzes von Kinderpornos aus dem Dienst entfernt werden durfte, obwohl er "nur" zu 90 Tagessätzen verurteilt worden war. Singelnstein: "Bei Kinderpornografie gibt es sicher weniger Toleranz als bei Körperverletzung."


GdP-Vorsitzender Malchow sagte t-online.de, dass im Disziplinarverfahren auch Aspekte eine Rolle spielen, die strafrechtlich nicht zwingend relevant seien. "Theoretisch gesprochen, weil ich den Fall im Detail nicht kenne: Wenn es hier so gewesen sein sollte, dass die Motivlage rassistisch war, würde das im Disziplinarverfahren zusätzlich eine Rolle spielen."

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