Christopher Clark Historiker verteidigt Scholz: "Ein bisschen pervers"

Für zurückhaltendes Agieren im Ukraine-Krieg steht Kanzler Scholz in der Kritik. Der Historiker Christopher Clark hält diese "Zögerlichkeit" für "absolut richtig" – und wirbt für Gespräche mit Moskau.
Der australische Historiker Sir Christopher Clark hält das vorsichtige Agieren von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Ukraine-Krieg für angemessen. "Was Olaf Scholz angeht: Ich finde diese Zögerlichkeit absolut richtig, und sie geziemt sich auch für den Staatsmann einer friedliebenden Nation", sagte der in Cambridge lehrende Wissenschaftler und Buchautor der Deutschen Presse-Agentur in Aachen.
Es sei "ein bisschen pervers", wenn von den Deutschen jetzt erwartet werde, ihre bisherige Politik quasi über Nacht aufzugeben. "Das braucht natürlich Zeit. Und ich finde, der Prozess ist schon unterwegs." Er könne nicht beurteilen, ob die Waffenlieferungen schneller hätten erfolgen können, aber die generelle Linie von Olaf Scholz unterstütze er.
Viele Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine argumentieren derzeit mit Christopher Clarks Buch "Die Schlafwandler" (2012) über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Doch Clark selbst stellte im Interview klar: Er selbst sieht diese Parallele nicht.
"Richtigen Ton getroffen"
"Ich finde, Olaf Scholz hat den richtigen Ton getroffen", sagte Clark. "Ich denke da auch an seine Rede in Düsseldorf, als er vom Gejohle der Menge übertönt wurde, da hat er gesagt: Es muss einem Staatsbürger der Ukraine zynisch vorkommen, wenn man ihm sagt, er soll sein Land ohne Waffen verteidigen. Das war ein toller Augenblick."
Für "absolut unabdingbar" halte er, dass Scholz weiterhin mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Gespräch bleibe. "Es gibt keinen anderen Weg." Clark war am Donnerstag in Aachen mit der Karlsmedaille ausgezeichnet worden.
- Nachrichtenagentur dpa