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Ägypten: Pharao Echnaton errichtete seine Stadt mit dem Blut seiner Untertanen


Geheimnisse Ägyptens
Mit dem Blut der Untertanen errichtete der Pharao seine Stadt

Von Angelika Franz

Aktualisiert am 19.09.2021Lesedauer: 5 Min.
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"Kopf" des Amenophis IV.: Als Ketzerkönig ist der Pharao bis heute bekannt.Vergrößern des Bildes
"Kopf" des Amenophis IV.: Als Ketzerkönig ist der Pharao bis heute bekannt. (Quelle: Oliver Berg/dpa)

Mit Schweiß und Blut ließ Pharao Echnaton einst eine Stadt im Nichts errichten. Gewidmet einem Gott, der keine Gnade kannte. Nach dem Tod des gehassten Herrschers verfiel seine Metropole.

Nachdem der "Ketzerkönig" Echnaton sich von den alten Göttern abgewendet und die Sonnenscheibe Aton zum obersten Gott Ägyptens erhoben hatte, erschien ihm die alte Königsresidenz in Theben nicht mehr gut genug.

Seit Jahrhunderten hatten die ägyptischen Herrscher und ihr Volk hier andere Götter verehrt, deren prächtige Tempel Pharao wie Bevölkerung ständig an die ungeliebte übernatürliche Konkurrenz des Aton erinnerten. Also ließ sich der Herrscher ein Stück den Nil hinaufbringen, bestieg seinen Streitwagen aus Elektrum – einer Legierung aus Gold und Silber – und fuhr in die Wüste hinein.

"Herz gefüllt mit Entzücken"

Dort, so schildert es eine Inschrift, die später vor Ort gefunden wurde, erblickte Echnaton eine Felsformation, die ihm wie die Hieroglyphe achet erschien. Achet steht für Horizont, kann aber auch "Anfang und Ende" bedeuten. Der Pharao war sich sicher: Dies ist ein Zeichen Atons, dies ist der Ort! Der Stadt, die an dieser Stelle entstehen soll, gab er den Namen Achetaton: Anfang und Ende des Aton. "Und der Himmel freute sich, die Erde war froh, jedes Herz gefüllt mit Entzücken", schildert die Gründungslegende das Ereignis.

Bald wurde es laut am Nilufer. Hämmern, Meißeln, die Befehle der Aufseher und das Keuchen der Arbeiter erfüllten die heiß flirrende Luft. Es war kein natürlicher Ort für eine Stadt. Keine Handelswege führten dort durch, keine alte Infrastruktur erleichterte den Transport von Material. Die ersten Bewohner – unter ihnen auch der Pharao höchstpersönlich – hausten in Zelten.

In nur drei Jahren wuchs aus dem Wüstensand dann eine Stadt. Das hohe Tempo war möglich, weil die Arbeiter vorgefertigte Baublöcke, die sogenannten Talatat, verbauten. Aber der Preis war hoch. Als Archäologen zu Beginn der 2000er Jahre den Armenfriedhof der Stadt – die heute unter dem Namen Amarna bekannt ist – ausgruben, erzählten die Knochen vom Leid der Menschen. Sie sind gezeichnet von Mangelernährung und Verletzungen.

Ein Heer von Dienern

Die schweren Talatat-Blöcke, die vom Steinbruch aus rund zweieinhalb Kilometer in die Stadt gezogen werden mussten, verkrümmten oder brachen vielen der Arbeiter die Wirbelsäule. Zwei Drittel von ihnen wurden keine 20 Jahre alt, die wenigsten erlebten ihren 35. Geburtstag.

Schnell füllten sich die fertigen Gebäude mit dem Hofstaat des Pharao. Echnaton holte Verwalter nach Achetaton, Priester und Diener des Aton-Kultes, Schreiber für seine Korrespondenz, Architekten und Künstler, um seine Stadt zu schmücken. Dazu kamen die Sklaven und Angestellten, ein ganzes Heer von Bediensteten für Hof und High Society. Etwa 20.000 bis 30.000 Menschen lockte die Neugründung aus den alten Städten nach Achetaton – mehr als doppelt so viele wie nur wenig später Troja haben sollte.

Die meisten von ihnen lebten in einer Vorstadt, weit ab vom prächtigen Zentrum, das sie mit ihren Händen erbauten und dessen Bewohner sie bedienten. Dort gab es keine Paläste aus Talatat, sondern lediglich ärmliche Hütten ohne Wasser und ohne Kanalisation. Ganz anders sah es in der Innenstadt aus. Da bei der Planung keine Rücksicht auf bestehende Stadtstrukturen genommen werden musste, konnten die Architekten verschwenderisch mit dem Platz umgehen.

Alles war licht und weit und so offen gebaut, dass Aton mit seinen Strahlen noch den letzten Winkel durchdringen konnte. Die extrabreiten Straßen waren für Wagen konzipiert, nicht für Fußgänger. Und mitten in der Stadt, direkt am Palast, war sogar Platz für einen Zoo. Wenn die königliche Familie aus dem Fenster schaute, musste sie nicht den Anblick von innerstädtischem Menschengewimmel ertragen, sondern konnte sich an Steinböcken, Antilopen, Rindern und exotischen Vögeln erfreuen.

Unerbittlicher Gott

Im Herzen der Stadt aber lag der Tempel des Aton. 730 Meter Länge und 229 Meter Breite maß das riesige Areal für den Sonnengott. Ein tatsächliches Gebäude war es allerdings nicht, denn das Heiligtum hatte kein Dach. Aton – der Gott in Gestalt der Sonnenscheibe mit seinen Strahlen – sollte sich jederzeit frei in seinem eigenen Haus ausbreiten können.

Und so gab es nichts, was unnötige Schatten auf den heiligen Boden werfen konnte. Was auch fehlte, war ein Kultbild – denn Aton war überall. Wie viele Menschen in Achetaton mangels Schatten am Hitzeschlag starben, ist nicht überliefert. Wohl aber das Unverständnis fremder Herrscher für die menschenverachtende Architektur der neu gegründeten Stadt. Assyrerkönig Assuruballit beschwerte sich in einem diplomatischen Schreiben bitterlich darüber, dass seine Gesandten bei einem Staatsbesuch stundenlang in der unbarmherzigen Hitze ausharren mussten: “Man lässt sie in der Sonne sterben!”

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Lange konnte Echnaton seine neue Hauptstadt nicht genießen, er starb keine zwölf Jahre nach der ersten Grundsteinlegung. Zwar stand in Achetaton ein Grab für ihn bereit: das Grab Amarna 26, in dem bereits seine früh verstorbene Tochter Maketaton lag. Doch ob er je dort zur letzten Ruhe gebettet wurde, ist ungewiss. Außer den Fragmenten eines Kindersarkophages fanden Archäologen keine weiteren Spuren einer Nutzung.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gilt stattdessen eine Mumie aus dem Grab KV 55 im Tal der Könige als sterbliche Hülle Echnatons. Auf den Thron folgte ihm ein geheimnisvoller Pharao, Semenchkare, dessen Name allerdings so erfolgreich von späteren Herrschern ausradiert wurde, dass wir heute so gut wie nichts über ihn wissen.

Vom Winde verweht

Bekannt ist, dass nach dem Tod Echnatons die Priester des alten Amun-Kultes wieder an Macht gewannen. Semenchkares Nachfolger Tutanchamun regierte bereits nicht mehr von Achetaton, sondern von Memphis aus. Mit der Macht schwanden auch die Einwohner aus der Stadt. Als Archäologen in den 1920er und 1930er Jahren das Tempelareal von Karnak ausgruben, entdeckten sie dort zahlreiche Talatat aus Achetaton – als billiges Baumaterial in der verlassenen Hauptstadt geplündert und mit dem Schiff rund 400 Kilometer den Nil hinaufgeschafft.

Mit Achetaton haben die Archäologen sich Mühe gegeben und viel freigelegt. Da die Stadt nach dem Abzug des Pharaonenhofes der Wüste überlassen und niemals überbaut wurde, hat sie wie eine Zeitkapsel die Überreste von Echnatons Herrschaft bewahrt. Doch nicht alle Gebäude waren aus Stein erbaut, die meisten bestehen aus billigen Lehmziegeln. Und für die war die Freilegung das Todesurteil.

Denn während Lehmziegel aus getrocknetem Nilschlamm von dicken Sandschichten geschützt Jahrtausende unbeschadet überdauern können, beginnen sie in der Sekunde ihrer Freilegung zu bröckeln. Die unerbittliche Sonne trocknet sie aus, bevor der Wind sie zu Staub zerreibt. So legte Aton letztendlich selbst Hand an, um seine Stadt, deren Gründung er Echnaton einst befahl, wieder zu zerstören.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Angelika Franz: Tutanchamun. Leben, Tod und Geheimnis, Frankfurt/Main 2017
  • Christian Tietze (Hrsg.): Amarna. Lebensräume – Lebensbilder – Weltbilder, Weimar 2010
  • Nicholas Reeves: Akhenaten – Egypt’s False Prophet, London 2001
  • Erik Hornung: Echnaton – Die Religion des Lichts, Zürich 1995
  • Cyril Aldred: Echnaton – Gott und Pharao Ägyptens, augbsurg 1990
  • Hermann A. Schlögl: Echnaton, Reinbek 1986
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