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Medizin: Russe will seinen Kopf transplantieren lassen


"Einer muss es tun"
Russe will Kopf transplantieren lassen

Aktualisiert am 18.04.2015Lesedauer: 3 Min.
Valery Spiridonov hat sich zu einer äußerst riskanten Operation entschlossen.Vergrößern des BildesValery Spiridonov hat sich zu einer äußerst riskanten Operation entschlossen. (Quelle: dpa / ITAR TASS)
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Es klingt unglaublich: Der Russe Valery Spiridonov hat sich freiwillig für eine Kopftransplantation gemeldet. Die Operation will der umstrittene italienische Chirurg Sergio Canavero durchführen. Andere Mediziner sehen das Vorhaben sehr kritisch und warnen, dem Patienten drohe "Schlimmeres als der Tod".

Spiridonov leidet an der Werdnig-Hoffmann-Störung, einer unheilbaren Muskelschwund-Erkrankung. Die meisten Patienten mit dieser Krankheit erleben ihren 20. Geburtstag nicht - der 30-jährige Russe weiß, dass seine Tage gezählt sind. Er glaubt, dass eine solche, bislang noch nie durchgeführte Operation seine einzige Chance auf eine Lebensverlängerung ist.

"Irgendjemand muss der Erste sein"

Bereits im Juni 2013 hatte sich Spiridonov an den Chirurgen gewandt. Natürlich kenne er die Risiken, doch er könne leider nicht mehr abwarten, bis dieser hochkomplexe Eingriff bei anderen Menschen durchgeführt worden sei. Dazu werde er einfach nicht mehr lange genug leben, befürchtet er.

"Irgendjemand muss ja der Erste sein. Irgendjemand muss muss dahin gehen, wo zuvor noch niemand war. Der erste Astronaut hatte auch Angst, da bin ich mir sicher. Ich habe auch Angst, klar, aber ich begreife, dass es gemacht werden muss. Wenn es niemand versucht, wird es niemals passieren", sagte Spiridonov in einem Interview mit dem Onlinemedium "Motherboard".

Herausforderung Nervenbahnen

Eine Kopftransplantation wurde bei Menschen noch nie versucht. Mediziner können derzeit bestenfalls auf Erkenntnisse und Erfahrungen aus Tierexperimenten zurückgreifen. So hatte man in den 1970er Jahren den Kopf eines Affen auf einen Affenkörder transplantiert. Das Tier war anschließend gelähmt und musste künstlich beatmet werden. Nach neun Tagen verstarb der Affe.

Eine der größten Herausforderungen, neben der permanenten Unterdrückung der Immunabwehr, dürfte die Verbindung der Nervenbahnen darstellen. Das Gehirn steuert alle vegetativen Körperfunktionen - wird der Patient nach dem Eingriff also überhaupt noch grundlegende Dinge wie Atmung oder Herzschlag steuern können?

Chirurg Canavero will Transplantations-Experimente mit Ratten durchgeführt haben und dabei sei ihm nach eigenen Angaben ein Durchbruch gelungen. Was er genau herausgefunden hat - und ob diese Forschungsergebnisse Rückschlüsse auf eine erfolgreiche Kopftransplantation beim Menschen erlauben - will Canavero auf einer Konferenz von Neurochirurgen in diesem Sommer in Annapolis im US-Bundesstaat Maryland vorstellen.

Große ethische Bedenken

Die Operation ist dann für das Jahr 2017 geplant. Der Eingriff würde etwa 36 Stunden dauern und ein Team von rund 150 Ärzten und Schwestern erfordern, schätzt die britische Zeitung "The Independent". Die Kosten dürften bei etwa 13 Millionen Euro liegen.

Doch nicht dieser enorme logistische Aufwand dürfte die Operation ernsthaft gefährden. Entscheidender ist, dass kaum Länder die Operation ethisch erlauben würden.

Patient könnte wahnsinnig werden

Schließlich vermuten mehrere Spezialisten, dass dem schwerkranken Spiridonov durch eine solche Transplantation sogar Schlimmeres drohe als der Tod. "Das kann man niemanden wünschen", sagte der Mediziner Hunt Batjer, Präsident der amerikanischen Vereinigung der Neurochirurgen, dem "Independent". Die Fusion des Kopfes mit einem anderen Körper könnte zu einem bislang noch nicht bekannten Level des Wahnsinns führen, vermutet der Arzt.

Auch Arthur Caplan, Direktor des medizinischen Ethikcenters der Universität New York, hat große Zweifel: Der Kopf könnte überwältigt werden von den unterschiedlichen Informationen und der anderen Chemie des fremden Körpers - und infolgedessen verrückt werden.

Ähnliche Ablehnung früher bei Herztransplantationen

Spiridonov kennt diese Einwände, doch sie halten ihn nicht davon ab, die Transplantation zu wagen. Früher habe es auch bei Herztransplantationen die Diskussion gegeben: Man fragte, wo denn eigentlich die Seele eines Menschen sitze und ob eine Herztransplantation ethisch vertretbar sei. Heute würden solche Operationen viele Menschenleben retten.

Der Russe weiß, dass er nicht mehr lange leben wird, seine schwachen Muskeln können das schwere Erwachsenenskelett nicht mehr tragen. "Ich brauche Hilfe, jeden Tag, jede Minute." Also hat er sich innerlich bereit gemacht: "Das ist ein Experiment von enormem Ausmaß, vergleichbar mit der Mission des ersten Menschen im Weltraum oder des ersten Menschen auf dem Mond", stellt Valery Spiridonov ganz ruhig fest.

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