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Aachen: Muslima gewinnt gegen "Selection Fitness" – mit Urteil unzufrieden


Muslima gegen Selection Fitness
Diskriminierung: "Es fühlt sich an, als hätte ich verloren"

Von t-online, kk

23.05.2025 - 12:10 UhrLesedauer: 3 Min.
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Sport im Hijab (Symbolbild): Die Aachener Fitnesskette "Selection Fitness" hat einer jungen Frau das Training im Hijab untersagt – und wurde wegen Diskriminierung belangt. (Quelle: IMAGO)
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Lara Seiler darf im Selection Fitness nicht mit Hijab trainieren, verklagt das Studio und gewinnt den Diskriminierungsprozess gegen das Studio. Das Urteil empfindet sie aber als bedeutungslos im Kampf gegen religiöse Ausgrenzung.

Lara Seiler ist wegen Diskriminierung gegen die Fitness-Kette "Selection-Fitness" vor Gericht gezogen – und hat gewonnen. Zufrieden ist sie damit aber nicht. "Viel zu lasch" sei das Urteil ausgefallen, sagt sie zu t-online. Und, dass sie frustriert sei. Das Urteil lautet: Selection Fitness muss Lara Seiler, die eigentlich anders heißt, wegen sogenannter "mittelbarer Diskriminierung" 1.000 Euro Entschädigung zahlen.

Gefordert hatte Seiler ursprünglich allerdings 2.500 Euro. Die Kosten des Verfahrens – so steht es im Urteil – werden aufgeteilt. 60 Prozent der Kosten wird Seiler selbst übernehmen müssen, 40 Prozent der Kosten trägt die Fitnesskette. Seiler: "Im Endeffekt läuft das also so: Die zahlen mir 1.000 Euro, davon gebe ich dann 700 Euro an deren Anwalt ab." Seiler bezweifelt, dass dieses Urteil die Kette besonders trifft: "300 Euro bedeuten für die gar nichts und das Statement gegen Diskriminierung ist mir auch nicht deutlich genug."

Selection Fitness: Muslima wurde des Studios verwiesen

Das Verbot des Fitnessstudios Kopftücher auf der Trainingsfläche zu tragen, ist laut Gerichtsurteil zwar formell neutral, betreffe faktisch aber muslimische Frauen und diskriminiere diese damit. Die Klägerin habe vor Gericht überzeugend dargelegt, dass sie muslimischen Glaubens ist und der Hijab aus religiösen Gründen getragen wird, heißt es weiter.

Selection Fitness hat sich vor Gericht auf die eigene Hausordnung gestützt, in der es heißt, dass keine Kopfbedeckungen auf der Trainingsfläche getragen werden dürften. Zu groß sei die "Überhitzungsgefahr". Das Amtsgericht hält die Argumentation des Studios allerdings für unverhältnismäßig und urteilt, dass der Eigenschutz in der Verantwortung der Trainierenden liege und der Eingriff in die Religionsfreiheit an dieser Stelle deutlich schwerer wiege. Zudem unterscheide sich das Tragen eines Sporthijabs nicht gravierend von dem Tragen anderer zugelassener Kleidungsstücke.

Gericht zweifelt an den Aussagen des Fitnessstudios

Das Gericht zweifelt zudem daran, es gehe dem Fitnessstudio allein um die "Überhitzungsgefahr" der Trainierenden. Der Richter glaubt Lara Seiler und den Zeuginnen, dass der Trainer des Studios ihnen gesagt habe, dass man ein "ein solches Klientel hier nicht haben wolle". Für ihn zeigt diese Aussage, dass es dem Studio nicht um den Gesundheitsschutz der Mitglieder gehe, sondern um religiös motivierte Ausgrenzung.

Dass die Fitnessstudiokette auch in der Vergangenheit schon wegen Diskriminierungsvorfällen aufgefallen ist und auch rechtlich belangt wurde, wurde im Urteil erschwerend berücksichtigt – allerdings mit Einschränkungen. Über die vorherigen Verurteilungen heißt es: "Sie lagen zum Zeitpunkt des hiesigen Vorfalls allerdings schon mehrere Jahre zurück.“

Gericht geht nicht von systematischer Diskriminierung aus

Das Gericht erkennt also an, dass frühere Verstöße gegen das Antidiskriminierungsgesetz durch dasselbe Unternehmen zwar ein wiederholtes Fehlverhalten nahelegen, nennt aber auch einen relativierenden Faktor – nämlich, dass die früheren Urteile aus den Jahren 2013 bis 2017 stammten. Da der aktuelle Vorfall im Jahr 2023 liegt, betrachtet das Gericht diesen Zeitraum als so lang, dass keine direkte Wiederholungsabsicht mehr angenommen werden kann. Die Verantwortungsstruktur im Unternehmen habe sich laut Aktenlage auch verändert, heißt es im Urteil. (Es gibt inzwischen einen anderen Geschäftsführer).

Das Gericht geht in seinem Urteil insgesamt also nicht von einem systematischen oder wiederholten Verhalten des Fitnessstudios aus, sondern wertet die Diskriminierung als einzelnen Vorfall, der zwar gravierend ist, aber nicht Teil eines erkennbaren Musters. Zudem hätte der Vorfall bei Lara Seiler zu keiner nachgewiesenen massiven oder nachhaltigen psychischen Belastung geführt. Aus diesen Gründen hat der Amtsrichter die Entschädigung "moderat" bemessen.

Muslima trägt die Kosten des gegnerischen Anwalts

Warum muss Seiler aber nun den Großteil der Kosten übernehmen? In Zivilprozessen gilt das Prinzip der Quotelung. Wenn Seiler 2.500 Euro verlangt, aber nur 1.000 Euro zugesprochen bekommen hat, bedeutet das, dass sie zu 40 Prozent erfolgreich, aber auch zu 60 Prozent unterlegen war. Daher werden die Verfahrenskosten entsprechend aufgeteilt. Dieses Prinzip ist rein formell. Das gesprochene Urteil schwächt es nicht ab.

Lara Seiler sagt: "Ich habe zwar gewonnen, aber es fühlt sich an, als hätte ich verloren." Nach einem Gespräch mit ihrer Anwältin tendiert sie gerade dazu, in Berufung zu gehen. Für sie ist klar, dass bei Selection Fitness die Diskriminierung auf struktureller Ebene stattfindet. Das bestätigt für sie die Aussage einer Zeugin, die in dem Urteil nicht vorkommt. Unabhängig von Seilers Fall, habe auch ihr bereits ein Trainer mitgeteilt, dass man im Selection Fitness keine "vermummten Frauen" sehen wolle.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Lara Seiler
  • Urteil des Aachener Amtsgerichts vom 20. Mai 2025
  • Reporterin vor Gericht
  • Eigener Artikel

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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