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Vom Vorbild zur Buhfrau: Die zwei Gesichter der Patricia Schlesinger


Vom Vorbild zur Buhfrau
Die zwei Gesichter der Patricia Schlesinger


Aktualisiert am 11.08.2022Lesedauer: 6 Min.
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Jedes Maß verloren: Patricia Schlesinger, die zurückgetretene RBB-Intendantin.Vergrößern des Bildes
Von der Vorzeigejournalistin zur Buhfrau: Patricia Schlesinger, die zurückgetretene RBB-Intendantin. (Quelle: Christian Ditsch)

Sie kam als Vorzeigejournalistin zum RBB und hinterlässt einen Scherbenhaufen. Selbst langjährige Wegbegleiter fragen sich: Wie konnte das passieren?

Dicke Luft in der Masurenallee: Nachdem die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger ihren Rücktritt angekündigt hat, ist die Stimmung beim Rundfunk Berlin-Brandenburg auf dem Tiefpunkt. "Wir sind wütend und entsetzt", sagt eine langjährige Mitarbeiterin aus dem Vorabendprogramm, die ihren Namen lieber nicht im Internet lesen will.

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Auf einer Mitarbeiterversammlung hat sie gerade erfahren, was bislang nur als Gerücht über die Flure des Senders gegeistert war. Dass es stimme, was der "Business Insider" enthüllt hatte. Ja, wie alle anderen Mitglieder der Geschäftsleitung habe Schlesinger zu ihrem um 16 Prozent erhöhten Einkommen von 303.000 Euro auch noch einen fünfstelligen Bonus bekommen. Den, so erfuhren die Mitarbeiter am Montag, habe die Intendantin selbst eingeführt, nachdem sie 2016 in die Chefetage eingezogen war. Boni habe es zwar vorher auch schon gegeben, aber unter Schlesinger seien sie erhöht und an die Bedingung gekoppelt worden, dass die Geschäftsleitung ihre Sparziele erreichte.

Schlesinger stand für lupenreinen Journalismus

Die Erwartungen an die "Neue" seien damals hoch gewesen, berichtet ein anderer Kollege. Schlesinger, der Name habe für einen "lupenreinen Journalismus" gestanden. Schließlich hatte sie zwischen Stationen in Asien und den USA auch als Moderatorin für "Panorama" gearbeitet – als erste Frau in der Geschichte des investigativen Magazins. Er sagt, niemand habe Schlesinger um ihren neuen Job beneidet. Der RBB sei zwar noch ein junger Sender – er entstand 2003 durch eine Fusion aus dem Sender Freies Berlin und dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg – gelte aber als Dickschiff, das schwer zu manövrieren ist.

Der RBB-Mann sagt, Schlesinger habe in ihrer neuen Rolle als Managerin dieselben Fehler gemacht, die sie Politikern als Reporterin immer wieder angekreidet hatte. Die mangelnde Trennung von Privat- und Berufsleben zum Beispiel. Er meint die Dinner in ihrer Wohnung mit Gästen, deren Namen sie später nicht nennen wollte. Private Essen auf Kosten der Gebührenzahler?

Musste es italienisches Parkett sein?

Schlesinger hat das dementiert. Dem "Tagesspiegel" sagte sie Ende Juli: "Die Treffen hatten das Ziel, den RBB besser in der Stadt zu verankern." Dem widersprechen jedoch Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik und auch die Charité, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Die Treffen seien aus deren Sicht privat gewesen.

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Ähnlich begründet wurde der Umbau ihrer Chefetage. Ein kleiner Sender brauche repräsentative Räume. Aber warum hat sie den Umbau nicht öffentlich ausschreiben lassen, wie es vorgeschrieben ist? Und mussten es wirklich eine begrünte Wand mit automatischer Bewässerung für 7.000 Euro oder ein vorgeöltes Parkett für 17.000 Euro aus Italien sein?

Der Kollege kann seine Enttäuschung nur schwer verbergen. Er sagt: "Uns hat sie eingebläut, wir müssten sparen, sparen, sparen. Und selbst hat sie einen Schluck aus der vollen Pulle genommen." Hätte sie als Chefin eines Senders in finanziellen Nöten nicht mit gutem Beispiel vorangehen und auf eine Gehaltserhöhung verzichten müssen?

Ein Fall von Vetternwirtschaft?

Schlesinger selbst hatte gesagt, nicht sie lege ihr Gehalt fest, sondern der Verwaltungsrat. Dem habe sie jetzt angeboten, "den Vertrag noch mal aufzumachen". Vorsitzender des Verwaltungsrates war Wolf-Dieter Wolf. Jener Mann, der ihrem Ehemann Gerhard Spörl einen Vertrag als Medien-Coach für die Messe Berlin vermittelt hatte. Ein Fall von Vetternwirtschaft, hatte der "Business-Insider" moniert. Denn Wolf war zugleich auch Chefaufseher der Messe. Dem "Tagesspiegel" sagte Schlesinger, dieser Vertrag sei keineswegs heimlich geschlossen worden. Über den Auftrag hätte sie allerdings mit dem RBB reden sollen.

Reue oder der Versuch, zu retten, was noch zu retten ist? Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsnahme. Ein Schock für die Belegschaft. Dass Schlesinger am Ende ihren Hut nahm, empfinden viele aber auch als Befreiungsschlag. "Wir sind erleichtert, aber es kommt viel, viel zu spät", sagt Ute Zill vom Redaktionsausschuss. Schon vor sieben Wochen habe der Ausschuss Schlesinger auf die Anschuldigung angesprochen, ihr Mann habe einen Beratervertrag über 41.000 Euro von der Messe bekommen. Die Antwort hat Ute Zill noch im Ohr: "Dagegen gehen wir vor. Das ist alles nicht wahr."

Vom Aufbruch blieb nichts mehr übrig

Sogar eine langjährige Wegbegleiterin, die Schlesinger seit ihrem Volontariat kennt, sagt, sie könne nicht glauben, was jetzt nach und nach über die Intendantin ans Licht komme. Schlesinger sei als Hoffnungsträgerin der ARD gestartet. Unerschrocken, meinungsfreudig, geradlinig. In den Storys über Vetternwirtschaft und Gebührenverschwendung finde sie die Kollegin nicht wieder.

Sie habe Schlesinger immer für ihre Haltung bewundert, ohne die es im Journalismus nicht gehe. In Berlin haben einige Mitarbeiter genau diese Haltung vermisst. Es scheint, als seien die Journalistin Schlesinger und die Intendantin Schlesinger zwei verschiedene Personen. Von der Aufbruchstimmung, die die Neue in der Chefetage 2016 noch verbreitet habe, sei am Ende nichts mehr übrig geblieben, heißt es.

Kritik an der "Hamburg-Riege"

"Damals hat sie noch jeden Monat fünf Mitarbeiter zum Frühstück eingeladen", sagt die Mitarbeiterin aus dem Abendprogramm. Die Entfremdung vom Sender sei in dem Maße gewachsen, wie Schlesinger alte Kollegen vom NDR wie den Programmdirektor Jan Schulte-Kelllinghaus nach Berlin geholt habe, um den kränkelnden RBB wieder flottzumachen.

Die "Hamburg-Riege", so heißt dieser Klüngel im Jargon jener Mitarbeiter, die Opfer der Sparpolitik wurden. Die Hamburger hätten dem RBB mehr geschadet als genutzt. Als Beispiel wird der Vorabend genannt. Um Geld zu sparen, wurde das bei den Zuschauern beliebte Magazin Zibb eingestellt und durch "Schön und gut" ersetzt – eine Service-Sendung mit Beiträgen zu den Themen Tiere, Garten, Gesundheit oder Freizeit, die den rbb nichts kosteten, weil sie schon in anderen ARD-Programmen gelaufen waren.

"Ihr Gewissen ist auf der Strecke geblieben"

Die Sendung floppte. "Kein Wunder", sagt die Mitarbeiterin. Das komme eben dabei heraus, wenn das Programm von Menschen bestimmt werde, die Brandenburg nicht kennen und deshalb nicht wüssten, wie die Zuschauer ticken. Umso geschockter reagierten die Kollegen, als sie jetzt aus den Medien von den luxuriösen Extrawünschen ihrer Chefin erfuhren. Einige seien den Tränen nahe gewesen, sagt die Kollegin aus dem Vorabendprogramm.

75 von ihnen hatten erst vor einem Jahr ihre Stelle als "feste Freie" bei Zibb verloren. Sie arbeiteten jetzt als Freie weiter – für deutlich weniger Geld unter größerem Stress. Dass der Sender jeden Euro zweimal umdrehen müsse, um konkurrenzfähig zu bleiben, kaufen sie der Intendantin jetzt nicht mehr ab. "Aus der Journalistin Schlesinger ist eine Managerin geworden, ihr Gewissen ist dabei auf der Strecke geblieben", sagt die Vorabendfrau.

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Wird der RBB zerschlagen?

Die Folgen des Fiaskos für den RBB sind noch nicht absehbar. Wie das "Handelsblatt" berichtet, gibt es Pläne, den Sender zu zerschlagen. Danach sollen ihn der MDR Brandenburg und der NDR Berlin unter ihre Fittiche nehmen. Bei den Mitarbeitern heißt es, diese Pläne seien schon sehr alt.

Dass sie jetzt aber wieder aus der Schublade geholt werden, hat viele trotzdem in Alarmbereitschaft versetzt. Noch wisse keiner, wie es jetzt weitergehen soll. "Auf drängende Fragen haben wir heute keine Antwort bekommen", hieß es nach einer Mitarbeiterversammlung am Montag. Die Kollegen, sie stehen jetzt plötzlich selbst mit am Pranger. Ob sie wollen oder nicht. Seit Montag ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Schlesinger, ihren Ehemann Gerhard Spörl und den Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Wolf-Dieter Wolf. Aber noch immer weiß keiner, wie man den Skandal nach außen kommunizieren soll.

Auch der Programmdirektor steht unter Druck

Die Mitarbeiter macht das wütend. Es werden wohl noch weitere Köpfe rollen, heißt es im Kollegium. Schließlich wäre es wohl nicht so weit gekommen, wenn der Verwaltungsrat und der Rundfunkrat der Intendantin auf die Finger geschaut hätten. "Offenbar hat diese Kontrolle versagt", sagt die Vorsitzende des Personalrats, Sabine Jauer. Und tatsächlich stellt der RBB am Dienstag die Leiterin der Hauptabteilung Intendanz, Verena Formen-Mohr, mit sofortiger Wirkung frei. Mehr dazu lesen Sie hier.

Mit Ausreden lassen die Mitarbeiter die Verantwortlichen jetzt nicht mehr entkommen. Wie angespannt die Stimmung ist, zeigte sich am Montag ausgerechnet in der "Abendschau", dem Aushängeschild des RBB. Da fragte Moderatorin Sarah Oswald den Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus indirekt, ob er nicht auch selbst zurücktreten müsse. "Sie sind damals zum Beispiel auch gemeinsam mit Patricia Schlesinger an den Start gegangen."

Der Programmdirektor möchte das zumindest nicht ausschließen.

Transparenzhinweis

Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl schreibt als Kolumnist auch für t-online.

Verwendete Quellen
  • Interview mit zwei RBB-Mitarbeitern
  • Interview mit einer langjährigen Wegbegleiterin von Patricia Schlesinger
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