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Gysi ist sein Anwalt: Klimaaktivist verliert Prozess in Berlin


"Dasitzen ist keine Gewalt"
Gysi: Klima-Blockaden Fall für Bundesverfassungsgericht?

Von Yannick von Eisenhart Rothe

Aktualisiert am 30.11.2022Lesedauer: 3 Min.
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Beginn Prozess gegen KlimademonstrantVergrößern des Bildes
Prozess wegen Beteiligung an Klimablockaden: Der Angeklagte (r.) wurde von Gregor Gysi (Die Linke) verteidigt. (Quelle: Fabian Sommer/dpa/dpa-bilder)

Ein Berliner Gericht hat einen Klimaaktivisten verurteilt, der von Gregor Gysi verteidigt wurde. Der bringt das Bundesverfassungsgericht ins Spiel.

Ein Klimaaktivist der "Letzten Generation" ist vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin wegen der Beteiligung an mehreren Protestaktionen zu einer Geldstrafe von 1.350 Euro verurteilt worden. Er hatte eingeräumt, zwischen Januar und Juni an insgesamt neun Aktionen teilgenommen zu haben, darunter Straßenblockaden, bei denen er sich festgeklebt hatte. Auch bei einer unangemeldeten Demonstration in einem Vorraum des Bundesjustizministeriums war er dabei.

Der Prozess fand unter großem Medieninteresse statt. Das lag auch an dem prominenten Anwalt, der den 24-jährigen Aktivisten Lukas P. verteidigte. Der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi (Linke) hatte das Mandat übernommen. Mehrere Medienvertreter mussten vor dem Saal warten, da die zehn vorgesehenen Plätze schnell belegt waren.

Angeklagter weint mehrmals

Zu Beginn der Verhandlung verlas der Angeklagte eine mehrseitige Erklärung, zumindest versuchte er es. Denn der junge Mann musste mehrmals länger pausieren und neu ansetzen. Immer wieder versagte ihm die Stimme, kamen ihm die Tränen. Gysi redete seinem Mandanten gut zu und reichte ihm Taschentücher.

Zunächst entschuldigte P. sich bei den Autofahrern, die von den Blockaden aufgehalten wurden. Er nehme äußerst ungern daran teil und es koste ihn jedes Mal Überwindung. Er habe Angst vor gewalttätigen Reaktionen und vor den strafrechtlichen Konsequenzen. Angesichts der Klimakrise sehe er es aber als seine demokratische Pflicht an, auf diese Weise zu demonstrieren.

"Wenn ich da gestanden hätte, wäre ich genauso wütend gewesen"

Auch Gysi wandte sich in seinem Plädoyer zuerst an die Autofahrerinnen und Autofahrer, deren Wut er verstehen könne. "Wenn ich da gestanden hätte, wäre ich genauso wütend gewesen", sagte Gysi mehr Richtung Medienvertreter, denn Richtung Gericht und lachte. Bei den Aktionen der "Letzten Generation" gehe es aber um größere Fragen, und zwar um einen Generationenkonflikt. "Ich bin 74 und werde den Klimawandel aushalten, bis ich sterbe." Bei seinem Mandanten und vielen anderen jungen Menschen sei das anders. "Dieser jungen Generation geht es um das eigene Überleben."

Der prominente Anwalt forderte das Gericht auf, den Angeklagten freizusprechen. Er argumentierte dabei vor allem mit dem Wortlaut der Gesetze, auf denen die Anklage beruhte: die Straftatbestände der Nötigung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Bei beiden sei laut Gesetzestext Gewalt nötig, um sie zu erfüllen, so Gysi. "Dasitzen ist keine Gewalt", sagte er. Außerdem sei das Recht auf Versammlung im Grundgesetz festgeschrieben und damit wichtiger als die Straßenverkehrsordnung. "Sie sollten den Mut haben, den Angeklagten freizusprechen."

Der Richter folgte der Argumentation Gysis nicht und verurteilte Lukas P. zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte 110 Tagessätze gefordert.

Gysi will Brief an Kanzler Scholz schreiben

Bereits in der Verhandlungspause vor der Urteilsverkündung kündigte Gysi an, im Falle einer Verurteilung in Berufung zu gehen. Die Beurteilung der Straßenblockaden sei juristisch kompliziert. "Ich denke, dass das bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen wird."

Er selbst habe einen differenzierten Blick auf die Proteste der "Letzten Generation" und teile die Furcht vor einer Radikalisierung. Darüber habe er mit den Aktivistinnen und Aktivisten auch gesprochen, etwa anlässlich der Blockade des Flughafens BER. Sie hätten ihm versichert, dass jederzeit ein Flugzeug hätte landen können. Außerdem hätten sie betont, bei Straßenblockaden nie alle Aktivisten festzukleben, sodass im Notfall eine Rettungsgasse gebildet werden könne.

Gysi kündigte außerdem an, das Urteil als Anlass zu nehmen, bei der Bundesregierung vorstellig zu werden. "Ich werde einen Brief an den Bundeskanzler und an das Bundesumweltministerium schreiben." Zum genauen Inhalt äußerte er sich zunächst nicht.

Im Gespräch mit t-online zeigte sich Lukas P. enttäuscht über das Urteil. Er kündigte an, weiter an Protestaktionen teilzunehmen. Ob Gysi ihn auch bei einem Berufungsprozess vertrete, sei noch unklar. Zunächst sei er ihm aber "sehr dankbar" für die Verteidigung.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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