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Krawalle an Silvester: Das Law-and-Order-Problem der Franziska Giffey


Franziska Giffey
Mit Samthandschuhen in der Hauptstadt der Verbrecher

  • Nils Heidemann
Von Nils Heidemann

Aktualisiert am 03.01.2023Lesedauer: 3 Min.
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Franziska Giffey (SPD) bereitet ihre Partei auf die Wiederholung der Wahl in Berlin vor.Vergrößern des Bildes
Franziska Giffey (SPD) bereitet ihre Partei auf die Wiederholung der Wahl in Berlin vor. (Quelle: Christophe Gateau)

Brennende Fahrzeuge, verletzte Rettungskräfte: Die Bilanz der Silvesternacht in Berlin ist dramatisch. Dass es in "ihrem" Bezirk Neukölln eskalierte, könnte für Giffey zum Problem werden.

"Wir brauchen einen starken Staat", lautete die Devise von Berlins heutiger Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey, als sie von 2015 bis 2018 im Rathaus in Neukölln das Sagen hatte. Sie erarbeitete sich schnell den Ruf einer Law-and-Order-Politikerin, pochte auf Recht und Ordnung. Die SPD-Frau wurde bekannt als diejenige, die in Neukölln aufräumt.

Den Teil von Berlin also, den die Öffentlichkeit gemeinhin als Problembezirk bezeichnet, in dem arabische Clans ganze Straßenzüge kontrollieren – inklusive organisierter Kriminalität, Drogenhandel oder Prostitution. Kritiker werfen der Politik seit Jahren eine misslungene Integration der dort lebenden Menschen vor.

Was ist von der Null-Toleranz-Offensive übrig?

Als Giffey den Bezirk 2015 von ihrem Vorgänger Heinz Buschkowsky übernahm, wollte sie sich darum kümmern, schrieb sich auch die Bildung auf die Fahne. Sie sieht die soziale Armut im Bezirk als großes Problem. Doch ihr Credo bleibt auch: Parallelgesellschaften müssen verhindert und Grenzen aufgezeigt werden, sagte sie etwa in einem Interview mit der Deutschen Welle.

Ihre konservative Linie kommt in der eher links ausgerichteten Berliner SPD nicht bei jedem gut an. Mit einer Null-Toleranz-Offensive versuchte sie, das Image Neuköllns aufzupolieren. Sie sprach Probleme im Bezirk offen an, zeigte Clan-Strukturen auf und ging mit verschiedenen Maßnahmen dagegen vor.

Und tatsächlich: Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz verbesserte sich, Sondereinheiten gegen Clan-Strukturen und das Organisierte Verbrechen wurden gegründet. Nicht selten sah man Giffey in dieser Zeit auf von ihr angeordneten Razzien im Clan-Milieu. Bei der Polizei kommt das gut an. In der "Welt" lobte der Sprecher der Berliner Polizei-Gewerkschaft GdP, Benjamin Jendro, damals: Giffey zeige, "dass erfolgreiche Politik nicht allein am Schreibtisch erledigt wird".

Doch blickt man auf die Ausschreitungen in der vergangenen Silvesternacht, die insbesondere in "ihrem" Neukölln eskalierten, scheinen es nur kurzfristige Verbesserungen gewesen zu sein. Zwar ist eine einzige Randale-Nacht nicht repräsentativ für mögliche Fortschritte in Neukölln von 2015 bis 2018 und darüber hinaus. Sie wirft allerdings Fragen auf, ob Giffey – die zwischenzeitlich Familienministerin in der Bundesregierung war und seit 2021 Regierende Bürgermeisterin in Berlin ist – diese Probleme womöglich nicht erfolgreich weiterverfolgt hat – und ob ihr Ruf als erfolgreiche Law-and-Order-Politikerin überhaupt gerechtfertigt ist.

Denn: Berlin bleibt die Hauptstadt der Verbrecher. Laut Angaben der Polizei lag Berlin mit 13.158 Straftaten pro 100.000 Einwohnern im Jahr 2021 auf Platz eins der Städte in Deutschland. Gleichzeitig lag die Aufklärungsquote bei lediglich 45,3 Prozent.

"Das ist weder regional noch genetisch noch religiös zu erklären, sondern schlicht damit, wie die Berliner Politik mit Strafverfolgung umgeht", so Oberstaatsanwalt Ralph Knispel laut "Focus". Die Staatsanwaltschaften seien überlastet und die Berliner Politik ziehe die Samthandschuhe an, wenn es um Clan-Mitglieder geht. Ob sich die Statistik für das Jahr 2022 unter Giffey verbessert, wird sich noch zeigen.

Aussagen der Integrationsbeauftragten von Neukölln, Güner Balci, in einem "Spiegel"-Interview offenbaren indes, dass der Senat mit Blick auf die Randalierer nicht ausreichend durchgreift: "Ich versichere Ihnen, gehen Sie bei uns die zentrale Straße, die Sonnenallee, entlang, und jeder zweite Ladenbesitzer wird Ihnen sagen: Die muss man alle ins Gefängnis stecken". Balci sagt, dass die Neuköllner, davon viele mit Migrationshintergrund, im Alltag selbst am meisten unter den Unruhestiftern leiden. Und weiter: "Die verlangen nach Strafen mit Strahlkraft".

Kritik an der Silvesterrandale gibt es von vielen Seiten. Unionspolitiker etwa machten im Gespräch mit t-online neben der "gescheiterten Integration" auch den "fehlenden Respekt vor dem Staat" für die Taten verantwortlich. Punkte, an denen Giffey als Stadtoberhaupt in Berliner Problembezirken ansetzen müsste.

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Quelle: t-online

Spannende Wahl erwartet: Umfragewerte auf Augenhöhe

Bisher verlagerte Giffey die Diskussion auf mögliche Böllerverbotszonen – und von Berlin auf das gesamte Bundesgebiet. Fast nebensächlich sagte sie in einem N-tv-Interview: "Uns ist wichtig, dass wir über beschleunigte Strafverfahren gerade bei Ersttätern sprechen. Das ist etwas, was wir mit der Polizei und Staatsanwaltschaft thematisieren werden".

Die nächsten Wochen – insbesondere die Reaktionen auf die Ausschreitungen an Silvester – dürften für Giffey im Berliner Wahlkampf dementsprechend spannend werden. Auch weil einer Insa-Umfrage von Ende Dezember zufolge CDU (21 Prozent), SPD (21 Prozent) und Grüne (20 Prozent) Kopf an Kopf liegen. Am 12. Februar wird das Abgeordnetenhaus nach der Pannen-Wahl 2021 erneut gewählt. Gut möglich, dass den Berlinern die folgenschwere Silvesternacht da noch im Gedächtnis sein wird – und sie beim Kreuz in der Kabine zweimal überlegen, wer es künftig besser machen könnte.

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