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Berlin: SPD-Funktionär mit Fake-Bart als "Handelsblatt"-Journalist enttarnt


Er machte unter falschem Namen Politik
SPD-Funktionär mit Fake-Bart als Journalist enttarnt

Von t-online, mtt

Aktualisiert am 16.03.2023Lesedauer: 3 Min.
Journalist Brüggmann: Unter falschem Namen war er in der SPD aktiv.Vergrößern des BildesJournalist Brüggmann: Unter falschem Namen war er in der SPD aktiv. (Quelle: linkedin.com/Screenshot)
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Auf Fotos versteckte er sich in der letzten Reihe, dabei war er jahrelang Vorsitzender eines SPD-Ortsvereins. Jetzt kam der Schwindel raus: "Brückmann" ist beurlaubt.

Bei der SPD in Berlin-Pankow hat ein Journalist unter falschem Namen Politik gemacht. Er war von 2018 bis 2022 Co-Vorsitzender des Ortsverbands Kollwitzplatz, Winskiez, Kastanienallee. Auch aktuell ist er noch als Vorstandsmitglied gelistet.

Der Mann trat in der Partei als "Matthias Brückmann" auf, wie als Erstes der "Tagesspiegel" berichtete. Dabei heißt der SPD-Funktionär in Wahrheit Mathias Brüggmann, geboren im Jahr 1965. Aus seiner im Internet veröffentlichten Vita geht hervor, dass er seit 1999 beim "Handelsblatt" arbeitet, zunächst als Moskau-Korrespondent, später als Experte für Osteuropa, die arabische Welt und den Iran.

"Handelsblatt"-Chef: Brüggmanns Texte werden untersucht

Jetzt ist er beurlaubt: "Handelsblatt"-Chefredakteur Sebastian Matthes schreibt t-online auf Nachfrage, der Chefredaktion sei Brüggmanns politisches Amt nicht bekannt gewesen. Der Kollege sei freigestellt, "bis die Zusammenhänge lückenlos geklärt sind. In einem nächsten Schritt wird eine Kommission Brüggmanns Texte untersuchen, ob sie unserem Anspruch an redaktionelle Unabhängigkeit gerecht geworden sind".

Die Geschichte ist bizarr. Man fragt sich: Warum macht ein erfolgreicher Journalist so etwas? Warum versteckt er sein Gesicht, wenn der SPD-Ortsverein Fotos veröffentlicht, hinter anderen? Warum erfindet er eine Tarnidentität?

Falscher SPD-Politiker: Die Sache mit dem Bart

Sogar einen falschen Bart soll er sich früher mitunter angeklebt haben. Als Michael Müller 2016 Vorsitzender der Hauptstadt-SPD werden wollte, bekam er auf dem Parteitag exakt zwei Gegenstimmen. Der "Tagesspiegel" schrieb damals: "Zwei Personen verweigerten Müller die Unterstützung bei der Nominierung. Einer von ihnen ist Burkhard Zimmermann, langjähriger Ortsvorsitzender in Dahlem. Eine zweite Person, die gegen Müller votierte, verschwand unmittelbar nach der Abstimmung. Sie trug einen falschen Bart. Der Mann war nicht mehr aufzufinden."

Dieser Mann, so schreibt es der "Tagesspiegel" jetzt, war Mathias Brüggmann.

"Brückmann" nach Rede gegen Franziska Giffey enttarnt

Aufgeflogen ist er sieben Jahre später, nachdem er eine flammende Rede gegen Franziska Giffey gehalten hatte. "Du bist an Wahlkampfständen eher als Wählerschreck denn als Magnet wahrgenommen worden", rief Brüggmann unter dem Namen Brückmann in ihre Richtung, als die SPD in Pankow am vergangenen Samstag über eine mögliche Koalition mit der CDU in Berlin debattierte.

Im Anschluss flogen intern die Fetzen. In einem WhatsApp-Chat, aus dem der "Tagesspiegel" zitiert, wendet sich ein Beisitzer des Kreisvorstands heftig gegen den SPD-Funktionär: "Was ich ganz großartig finde – das Maul groß aufreißen und dann (wie früher) mit falschem Bart und heute mit falschen Namen einen auf Wutbürger machen und nicht mit offenem Visier arbeiten."

Wusste die SPD in Berlin-Pankow Bescheid?

In der Pankower SPD soll die wahre Identität Brüggmanns seit Längerem ein offenes Geheimnis gewesen sein. Auf mehrere Anfragen von t-online haben SPD-Funktionäre in dem Bezirk allerdings noch nicht geantwortet – sobald sie dies tun, werden wir hier darüber berichten.

Brüggmann selbst war bislang ebenfalls noch nicht für t-online zu erreichen. In einer E-Mail-Abwesenheitsnotiz heißt es: "Ich habe momentan frei und komme an meine E-Mails nur sporadisch."

So berichtete Brüggmann über die SPD

Hat er möglicherweise Nachteile beim "Handelsblatt" befürchtet, falls dort sein Engagement für die SPD herausgekommen wäre? Auf die Frage, ob ein Einsatz auf Ortsvereins-Ebene unvereinbar gewesen wäre mit Brüggmanns Rolle als außenpolitischer Experte in der Redaktion, antwortet "Handelsblatt"-Chef Matthes nicht.

Durchforstet man das "Handelsblatt"-Archiv fällt auf: Oft hat Brüggmann nicht über die SPD geschrieben. Und wenn, dann war er gerne kritisch. "Die Zeitenwende im Kopf hat bei vielen Sozialdemokraten noch immer nicht stattgefunden", ist ein Kommentar von ihm aus dem November 2022 überschrieben. Im Artikel attestiert er Ralf Stegner, "gefühlt in allen Talkshows zugleich" zu sitzen, bezeichnet Berlins Ex-Bürgermeister Michael Müller als Dauernörgler, nennt Heiko Maas "glück- wie ahnungslos" und bezichtigt SPD-Politiker in einer nicht näher beschriebenen Gesamtheit, sich für bessere Außenpolitiker zu halten, die ihr Russland-Problem bis heute nicht gelöst hätten.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an den "Handelsblatt"-Chefredakteur
  • Anfrage an Journalist Mathias Brüggmann
Hintergrund zum Beitrag

In eigener Sache: In den Reaktionsrichtlinien von t-online heißt es, dass Journalistinnen
und Journalisten sich in ihrer Berichterstattung für t-online nicht durch Tätigkeiten in Vereinen, Verbänden, Parteien oder anderen Institutionen beeinflussen lassen dürfen. Sollte ein Interessenkonflikt vermutet werden können, muss die private Tätigkeit transparent gemacht werden. Falls tatsächlich ein Interessenkonflikt bestehen sollte, muss eine andere Person die Berichterstattung übernehmen.

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