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Putin-Fans feiern "Tag des Sieges" in Berlin – trotz Ukraine-Krieg


Wenn Putin-Fans das Kriegsende feiern
"Am besten, wir ziehen die Mauer wieder hoch"


Aktualisiert am 09.05.2023Lesedauer: 5 Min.
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Ein Mann posiert mit einer Sowjetflagge vor dem Ehrenmal in Berlin-Treptow: Zum Gedenken an den russischen "Tag des Sieges" sind viele Russlandfreunde gekommen. (Quelle: Jörg Carstensen/dpa)

Russlands Angriffskrieg schwebt am "Tag des Sieges" über dem Gedenken in Berlin. Putin-Fans sind in der Überzahl, Ukraine-Unterstützer nicht willkommen.

Stoisch starrt der riesige sowjetische Soldat über den Treptower Park im Osten Berlins, ein Schwert in der linken, ein verängstigtes Kind an der rechten Hand. Die Statue des Sowjetischen Ehrenmals ragt 30 Meter in die Höhe. Der Soldat steht symbolisch für den Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland. Zu seinen Füßen ergießt sich heute ein Blumenmeer. Denn dieser Sieg jährt sich zum 78. Mal. Und Hunderte sind gekommen, um das zu feiern.

Im Vorfeld hatte es um das Gedenken am heutigen Tag Diskussionen und Gerichtsverhandlungen gegeben. Die Berliner Polizei hatte per Allgemeinverfügung verboten, dass am "Tag des Sieges" an den Sowjet-Ehrenmalen russische oder ukrainische Flaggen gezeigt werden. Auch Symbole, die für die Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine stehen, wurden untersagt. Ein Gericht kippte das Verbot der Ukraine-Flaggen, das Verbot russischer Flaggen wurde am Montag bestätigt.

Der russische Angriffskrieg schwebt also über diesem "Tag des Sieges" – und mit ihm die Angst vor Konflikten zwischen den verschiedenen Lagern. Am Sowjetischen Ehrenmal am Treptower Park in Berlin wird das besonders deutlich.

Es ist eine bunte Mischung an Menschen, die hier zum Gedenken zusammengekommen ist. Am Morgen lief der russische Botschafter mit Personenschützern über das Gelände und legte Kränze am Ehrenmal nieder. Viele russische Familien mit Kindern sind hier. In Russland ist der 9. Mai einer der wichtigsten Feiertage. Aber auch Deutsche feiern den "Tag des Sieges". Immer wieder sind DDR-Flaggen und Friedenstauben zu sehen.

"Das hier ist unser Territorium. Wir trauern"

Die meisten verstehen nicht, warum keine Russland-Flaggen gezeigt werden dürfen. Sie sehen Putin nicht als Aggressor im Krieg mit der Ukraine. Oder bestreiten gleich, dass dort überhaupt Krieg herrscht. Viele wollen lieber nicht mit Journalisten reden. Auf die Frage, warum sie heute hier sei, sagt eine Russin nur: "Das hier ist unser Territorium. Wir trauern", und stampft auf den Boden. Mehr als 7.000 gefallene Soldaten der Roten Armee sind hier begraben.

Auf den Treppenstufen vor der Soldatenstatue unterhalten sich zwei ältere Frauen. Sie sind erbost darüber, dass ein junger Mann mit einer Ukraine-Flagge gekommen ist. "Ich musste die Druschba-Fahne abgeben", sagt die eine. Diese besteht aus der russischen und der deutschen Fahne und einer Friedenstaube. "Ich verstehe die Welt nicht mehr", sagt die Frau, die aus Ost-Berlin stammt und in der DDR aufwuchs.

Sie könne kein schlechtes Wort über die Russen sagen, habe das Land mehrmals besucht. Auch auf der Krim sei sie gewesen. Was sie vom Krieg in der Ukraine halte? "Das ist für mich kein Krieg", sagt die Rentnerin. Den Russen sei nichts anderes übriggeblieben. Der Westen habe sie "belogen und betrogen". Putin wolle den Faschismus in der Ukraine beseitigen, behauptet sie. "Putin hat das Land endlich mal zusammengehalten. Vorher waren da lauter Suffköppe", sagt sie und lacht.

"Am besten, wir ziehen die Mauer wieder hoch"

Die Frau neben ihr stammt aus Tschechien, lebt aber schon seit Jahrzehnten in Berlin. Ihre Druschba-Fahne hat die Polizei an der Eingangskontrolle nicht entdeckt, sie hängt ihr jetzt an den Schultern. Auch sie sieht Russland als unschuldig an. "Am besten, wir ziehen die Mauer wieder hoch, damit die amerikanischen Panzer nicht durchrollen können", sagt sie. So weit möchte ihre Gesprächspartnerin, die früher direkt an der Mauer wohnte, dann doch nicht gehen. "Wenn die Mauer wieder steht, hab ich keinen Garten mehr", sagt sie.

Dennis Baumann ist mit seinem Sohn Maxim gekommen. Maxim habe dafür schulfrei bekommen. Beide tragen ein schwarz-oranges Band am T-Shirt. Es ist das umstrittene Sankt-Georgs-Band, ein russisches Militärabzeichen. Eigentlich ist es hier heute verboten. Nur Vertretern der russischen Delegation erlaubte die Polizei das Tragen.

Baumann spricht Deutsch mit leichtem russischen Akzent. Das Band sei "ein Symbol des Sieges über den Faschismus". Er komme aus Niedersachsen, habe aber einen Teil seiner Kindheit in Russland verbracht. Er sei hier, weil die Sowjetunion Deutschland vom Faschismus befreit habe. "Das wird heute gerne vergessen." Auch er sagt, dass Putins Handeln in der Ukraine "nötig" sei, dass die ukrainische Regierung aus Faschisten bestehe. Kurz darauf kommen Polizeibeamte und fordern Vater und Sohn, das Sankt-Georgs-Band abzunehmen.

Auch Widerstand gegen Putin

Nahe dem Eingang zum Gelände des Ehrenmals protestieren auch einige wenige gegen Putin. Ukraine-Unterstützer haben einen Stand aufgebaut. Einer von ihnen ist Alexander Schumski. Auf seinem T-Shirt ist ein stark geschminkter Wladimir Putin abgebildet, ein bekanntes Bild des Widerstands. "Putin hat kein Recht, diesen Sieg für sich zu privatisieren", sagt der Mann aus Lettland. Russland sei mittlerweile selbst zu einem "echten faschistischen Staat" geworden. Er habe Familienmitglieder in Russland, die Putin und seinen Krieg unterstützten. "Seit Kriegsbeginn bezeichne ich die nicht mehr als meine Verwandten. Ich habe sie für immer aus meinem Leben gestrichen."

Gemeinsam mit ein paar Mitstreitern macht Schumski sich auf den Weg nach vorne zur Soldatenstatue. Sie haben Ukraine-Flaggen und eine EU-Flagge dabei und singen ukrainische Lieder. Immer wieder werden sie auf Russisch oder Deutsch beleidigt. "Fuck Ukraine", ruft ihnen jemand zu. Als sie vorne angekommen sind, bildet sich eine Menschentraube um sie.

Polizeikräfte trennen die beiden Gruppen. Ein Mann versucht, eine der Ukraine-Flaggen wegzureißen. Dann fangen die Russland-Unterstützer an, den Männern mit den Ukraine-Flaggen "Nazis raus" entgegenzurufen. Schumski und die anderen stimmen in diesen Ruf mit ein. Unter Polizeischutz und anhaltenden Beschimpfungen werden sie von der Soldatenstatue weg und zurück zu ihrem Stand geführt. Für einen Moment wird klar, wie sehr der Krieg in der Ukraine auch Deutschland spaltet und wie explosiv das werden kann, wenn beide Seiten aufeinandertreffen.

Video | Mann mit Ukraine-Flagge in Treptower Park angegangen
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Quelle: t-online

Dass die Stimmung kippen könnte, war befürchtet worden für den Fall, dass die Putin-treuen Biker der "Nachtwölfe" in Berlin eintreffen. Bis zum Mittag sind sie noch nicht im Treptower Park angekommen. Aber Fans von ihnen warten bereits auf sie. Es sind Biker aus Berlin, die ihre Namen lieber nicht nennen wollen. "Die 'Nachtwölfe' sind Spitzenmänner, die ihre Großväter ehren, mehr nicht", sagt eine von ihnen. Sie habe sowohl die russischen als auch europäische Vertreter der "Nachtwölfe" selbst kennengelernt. Vor vier Jahren habe ihr kleiner Sohn bei der Kolonne beim Führer der slowenischen "Nachtwölfe" mitfahren dürfen. "Der Helm war das Schwerste an dem Kind, das war ein Privileg für ihn".

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"Das ist ein ganz gemäßigter Zar"

Sie und ihr Biker-Kollege sind ebenfalls Putin-Fans. "Das ist ein ganz gemäßigter Zar", sagt sie. Es sei Putin zu verdanken, dass Russland Deutschland noch nicht bombardiert habe. Die Hardliner im Kreml seien andere. "Wenn Putin nicht so intelligent wäre, hätten wir längst einen Treffer gekriegt", ist sie überzeugt.

Etwas später erst treffen die "Nachtwölfe" dann tatsächlich ein. Der "Tagesspiegel" berichtet, dass etwa 15 Mitglieder der Bikergruppe unter Applaus und von Russland-Sprechchören begleitet Kränze vor dem Treptower Ehrenmal niedergelegt hätten. Dem Bericht zufolge handelte es sich offenbar um Vertreter des deutschen Ablegers der Gruppe.

Trotz aller Spannungen und gegensätzlicher Ansichten bleibt es größtenteils ruhig im Treptower Park. Ein Polizeisprecher spricht von einem überwiegend friedlichen Verlauf – ohne besondere Vorkommnisse.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • tagesspiegel.de: "'Nachtwölfe' besuchen Ehrenmale in Tiergarten und Treptow"
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