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Tegeler Forst in Berlin: Was ein Förster über die Sturmschäden im Wald sagt


Sturmschäden im Tegeler Forst
"Eine Katastrophe für den Wald"

  • Nils Heidemann
InterviewVon Nils Heidemann

22.07.2025 - 15:01 UhrLesedauer: 6 Min.
Sturmschäden im Tegeler Forst: 150-jährige Eichen und Buchen waren einfach umgekippt.Vergrößern des Bildes
Sturmschäden im Tegeler Forst: 150-jährige Eichen und Buchen waren einfach umgekippt. (Quelle: dpa/Rainer Keuenhof)
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In Berlin hat ein Sturm Ende Juni massive Schäden in Wäldern verursacht. Insbesondere betroffen: der Tegeler Forst. Ein Förster gibt Einblick in die Auswirkungen.

Am Montagnachmittag fährt Peter Harbauer die Ruppiner Chaussee vom Forstamt Tegel in Richtung Heiligenseestraße entlang. Er ist der Sprecher der Berliner Forsten. Auf ungefähr halber Strecke hält er an. Die Ausmaße des Sturms von Ende Juni sind hier noch deutlich zu erkennen. Am Rand der Straße stapeln sich mächtige, umgefallene Bäume, dazwischen Straßenschilder und eine abgeknickte Laterne.

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Den Tegeler Forst hat es stark erwischt, die Sturmschäden sind gewaltig. Der Bezirk Reinickendorf bat das Land Berlin um finanzielle Unterstützung und bezifferte den Schaden auf rund vier Millionen Euro – eine erste Schätzung. Für das Forstamt Tegel gibt es auch einen Monat nach dem Sturm noch eine Menge zu tun, viele Bereiche des Forsts sind bisher nicht zu erreichen.

Peter Harbauer nimmt auf einem Baumstamm Platz. Im Interview erzählt er, welche Auswirkungen der Sturm auf die Zukunft des Walds hat, was die Ursachen für die großen Schäden sind und wie lange der Wald voraussichtlich noch gesperrt bleibt.

t-online: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie auf die Schäden des Sturms blicken?

Peter Harbauer: Stürme und Waldbrände sind Ereignisse, vor denen sich Förster am meisten fürchten. Sie können massive Schäden verursachen – so wie auch der Sturm Ende Juni hier im Tegeler Forst. Die Schäden und Veränderungen auf den betroffenen Waldflächen, vor allem im Revier Tegelsee, werden lange sichtbar sein und uns beschäftigen. Für Revierleitungen, die Jahrzehnte für ein Waldgebiet zuständig sind, ist das traurig und emotional aufwühlend.

Sind die Ausmaße mit Stürmen aus der Vergangenheit vergleichbar?

Es sind die größten Schäden der vergangenen Jahre. Allein im Forstamt Tegel sind mit Spandau, Tegelsee und Hermsdorf drei Reviere betroffen. In Berlin haben wir immer mal wieder mit Stürmen zu tun. Aber das ist in dieser Form bisher noch nicht so gewesen.

Die Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf, Emine Demirbürken-Wegner (CDU), sprach sich mit Blick auf die Schäden dafür aus, auch auf kommunaler Ebene den Katastrophenfall ausrufen zu dürfen, um behördlich schneller reagieren zu können. Ich möchte den Begriff Katastrophe aufgreifen. Ist dieses Wort angebracht?

Es fallen zwar immer mal einzelne Bäume um. In diesem Ausmaß wie jetzt ist es aber eine Katastrophe für den Wald. Es bringt langfristige Veränderungen am Waldökosystem mit sich. Da haben 180 Jahre alte Buchen und Eichen gestanden. Die stehen jetzt nicht mehr. Bis da wieder ein ähnlicher Wald steht, dauert es vielleicht 100 Jahre. Das können wir nicht beschleunigen. Teilweise hat sich das Waldbild in den Revieren nachhaltig verändert.

Es heißt, nach ersten Schätzungen seien 35.000 Kubikmeter Holz betroffen. Das sind wahnsinnige Zahlen.

Das ist nur eine vorläufige Schätzung, die wir anhand von Luftbildern gemacht haben. Die gesamte Dimension wird sich erst zeigen, wenn wir immer weiter in den Wald hineinkommen. Es ist so: Da liegen teilweise drei bis vier Meter hoch Bäume übereinander. Auch für uns sind viele Wege und Bereiche weiterhin nicht zu erreichen, weil die umgestürzten Bäume alles versperren. Die genauen Zahlen sind für uns aber ohnehin nicht so wichtig.

Warum?

Wir haben nicht vor, das gesamte Holz der umgeworfenen Bäume aus dem Wald herauszuholen. Ein Großteil kann liegen bleiben und steht als liegendes und stehendes Totholz dem Ökosystem zur Verfügung. Insofern ist es für uns nicht wichtig, wie viele Kubikmeter da liegen. Die Zahlen sind eine Hilfe, um das Chaos zu ordnen und Arbeitsprozesse gestalten zu können. Die Leute fragen immer danach, wie viele Bäume umgefallen sind. Das ist für uns nicht zu beantworten. Der Wald ist ein Naturraum, die Bäume sind nicht nummeriert. Es werden Tausende sein.

Welche Arbeiten liegen jetzt akut an?

Wir sind gerade damit fertig, die Siedlungskanten und die Straßen zu räumen und zu sichern. Es geht jetzt darum, systematisch die Waldwege freizuschneiden. Das ist besonders wichtig wegen der Waldbrandprävention und der Zugänglichkeit für die Rettungskräfte. Andererseits hat natürlich die Erholungsnutzung eine hohe Bedeutung für uns. Die Badestellen am Tegeler See sind bereits frei, und auch die Hundeauslaufgebiete in Frohnau und Hakenfelde sind wieder nutzbar. Als Nächstes kommen dann die Waldspielplätze. Und so gehen wir derzeit systematisch vor. Danach werden wir tiefer in die verschiedenen Reviere blicken. Es werden Konzepte dafür entwickelt: Wo machen wir was genau und mit welcher Priorität? Welche Flächen überlassen wir sich selbst? Wo werden wir einen Teil des Holzes aus dem Wald holen?


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Es wird sehr viel Holz im Wald liegen bleiben.


Peter Harbauer, Sprecher der Berliner Forsten


Sie haben schon zweimal erwähnt, dass Sie vieles von dem Holz, das sich im Wald abseits der Pfade befindet, nicht wegräumen werden.

Genau. Uns geht es nicht darum, an der Katastrophe Geld zu verdienen und das Holz zu verkaufen. Es wird sehr viel Holz im Wald liegen bleiben: das ganze Bruchholz, Kronen, Äste oder die vielen einzelnen umgestürzten Bäume zum Beispiel. Es gibt aber auch Bereiche, aus denen wir Holz herausholen müssen. Dort liegt so viel Holz, dass die Zugänglichkeit für die Erholungsnutzung oder im Falle eines Waldbrandes nicht gewährleistet ist. In anderen Bereichen lassen wir ganze Flächen unangetastet. Dort nutzen wir die entstandenen Strukturen für den Waldumbau und den Naturschutz. Wir werden uns das kleinteilig anschauen und Ideen entwickeln, wie wir stabile Wälder wieder aufbauen können.

"Stabile Wälder" ist ein gutes Stichwort: Was ist denn die Ursache dafür, dass so viele Bäume beschädigt sind?

Einem vitalen Baum machen Windgeschwindigkeiten von 100 km/h eigentlich nichts aus. Nun ist es aber so, dass die Stürme auf Bäume treffen, die von der Klimakrise und der Trockenheit der letzten sechs Jahre geschwächt sind. Wir Förster sagen immer: Die Krone ist das Spiegelbild des Wurzelsystems. Und wenn der Baum nur noch zu 50 Prozent oder weniger belaubt ist, dann sieht das Wurzelsystem genauso aus. Feinwurzeln sterben ab, die Wasserversorgung ist nicht ausreichend und die Nährstoffproduktion eingeschränkt. Zudem kamen die Stürme zu einer ungewöhnlichen Jahreszeit. Im Sommer sind die Bäume voll belaubt und bieten eine große Angriffsfläche für den Sturm.

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Wie wollen Förster denn sicherstellen, dass es solche Schäden wie jetzt in Zukunft nicht mehr geben wird?

Die Klimakrise können wir als Förster allein nicht aufhalten. Das ist eine globale Anstrengung, die einerseits politische Weichenstellungen erfordert. Andererseits ist auch jeder Einzelne gefragt. Ich sage immer: Wer den Wald schützen will, der schützt am besten auch das Klima. Der Wald leidet unter der Klimakrise.

Dagegen gehen Sie mit dem Waldumbau vor.

Und das schon seit Jahrzehnten. Wir beabsichtigen, von Monokulturen wegzukommen. Wir möchten einen klimastabilen Laubmischwald erzeugen. Der soll vielschichtig und divers sein. Also mit verschiedenen Baumarten unterschiedlichen Alters. Was sich zeigt: Die Gebiete, die bereits solche Waldbilder aufweisen, haben dem Sturm eher getrotzt. Da gibt es zwar auch einzelne umgestürzte Bäume. Aber die großflächige Zerstörung ist eher bei den eindimensionalen Beständen passiert.


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Im Tegeler Forst besteht weiterhin Lebensgefahr.


Peter Harbauer, Sprecher der Berliner Forsten


Der Tegeler Forst ist bis zum 4. August gesperrt. Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen dazu tendieren, die Sturmschäden zu unterschätzen?

Auf jeden Fall. Im Tegeler Forst besteht weiterhin Lebensgefahr. Die allermeisten Menschen halten sich an die Waldsperrungen. Trotzdem treffen wir immer wieder Personen an, die auf dem Hauptweg nicht weiterkommen und sich links oder rechts eigene Pfade durch den Wald suchen. Dort ist das Risiko allerdings besonders hoch: Dort stellen wir gar keine Sicherheit her. Jederzeit können weitere Bäume umstürzen oder Äste und Kronenteile herabfallen.

Kann die geplante Wiedereröffnung am 4. August eingehalten werden?

Ich möchte da noch keine Einschätzung abgeben, aber wir sind auf einem guten Weg. Wir sind bemüht, Teilbereiche vorher freizugeben und kommunizieren diese auch. Wir haben auf unserer Homepage eine Karte. Wenn größere Bereiche freigegeben werden, ist das da vermerkt. Trotzdem gilt am Ende immer die Sperrung vor Ort, daran sollten sich die Menschen halten.

Die "Burgsdorff-Lärche" – bis 2021 Berlins höchster Baum – hat es erwischt. Ist das für Sie als Förster besonders emotional oder ist es ein Baum wie jeder andere auch?

Es ist ein Baum mit Geschichte. Die Lärche wurde 1795 gepflanzt. Man weiß also genau, wie lange dieser Baum gestanden hat. Das gibt einem eine Vorstellung davon, was hier in Minuten zerstört wurde. Das ist traurig, ja. Aber es ist eben nur ein Beispiel für viele, viele andere Bäume, die es nun auch nicht mehr gibt. Unser ältester Baum in Berlin ist die "Dicke Marie" im Revier Tegelsee. Er ist rund 600 Jahre alt und hat den Sturm überlebt. Die "Dicke Marie" war schon ein kleiner Baum, als Johannes Gutenberg den Buchdruck erfunden hat. Da wird einem klar, wie alt Bäume sein können und wie viele Menschen sie schon erlebt haben.

Ob Berlins derzeit höchster Baum überlebt hat, war vor Kurzem noch nicht klar. Gibt es da Neuigkeiten?

Leider nicht. Der Baum befindet sich in der Nähe der "Burgsdorff-Lärche". Allerdings in einem Bereich, der wirklich schwer von den Sturmschäden betroffen ist. Wir hatten bisher keine Möglichkeit, dort hinzukommen, und auf den Luftbildern war es nicht zu erkennen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Interview mit Peter Harbauer, Sprecher der Beliner Forsten, beim Forstamt Tegel
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