t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalBerlin

Berlin: Corona-Pandemie macht sich in der Suchthilfe bemerkbar


"Wunden des Systems bloß gelegt"
Corona-Pandemie wirkt sich auf Berliner Suchthilfe aus

Von dpa
Aktualisiert am 13.11.2020Lesedauer: 3 Min.
Ausstattung eines Drogenkonsumraums (Symbolbild): Die Corona-Pandemie macht sich in der Suchthilfe bemerkbar.Vergrößern des BildesAusstattung eines Drogenkonsumraums (Symbolbild): Die Corona-Pandemie macht sich in der Suchthilfe bemerkbar. (Quelle: Ralph Lueger/imago-images-bilder)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Personalmangel, Abstandsregeln und Unsicherheit: Corona sorgt für schwierige Zeiten in der Wirtschaft, Kultur und auch in der Gesellschaft. Das zeigt sich auch in der Berliner Suchthilfe.

Die Corona-Pandemie stellt Berliner Einrichtungen der Suchthilfe und Abhängige vor neue Herausforderungen. "Zu Anfang des Jahres war die Situation noch nicht besorgniserregend, doch jetzt erleben wir einen deutlich stärkeren Zulauf. Die Stimmung ist gedrückter", sagt etwa Denise Aßhoff, Suchtberaterin in einer Einrichtung der Caritas in Berlin-Steglitz.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits zu Beginn der Pandemie vor einem steigenden Drogen- und Alkoholkonsum gewarnt. Forscher des Universitätsklinikums Nürnberg und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim zeigten in einer Studie, dass diese Warnung berechtigt ist. "Während des Lockdowns entsteht eine Situation, in der für manche Menschen subjektiv mehr Gründe für einen vermehrten Alkohol- oder Tabakkonsum sprechen als dagegen", schreiben sie. Hilfen für Gefährdete sollten daher frühzeitig implementiert werden, so eine Empfehlung.

Hilfe anbieten

Beratungseinrichtungen wie die die Caritas versuchen derzeit alles, um bestehende Angebote aufrechtzuerhalten und der Nachfrage gerecht zu werden: "Normalerweise führe ich fünf Beratungsgespräche pro Tag. Jetzt sind es etwa acht", so die Sozialarbeiterin Aßmann. "Viele Menschen, die wir bereits verabschiedet hatten, tauchen wieder auf." Die Gefahr für Rückfälle sei in der jetzigen Pandemie größer, da viele Strukturen weggebrochen seien. "Viele Abhängige sind auch psychisch erkrankt und wenn sie Familien und Freunde nicht mehr treffen können und andere Hilfsangebote wegfallen, ist das für sie besonders schwer", so Aßhoff.

Beratungsalternativen müssen her

"Für Menschen, die wackelig sind, ist es schwierig", sagt auch Werner Brose, Bereichsleiter für Beratung, Therapie und Familienhilfen bei der Vista GmbH, einem Unternehmen, das an 15 Standorten in Berlin Menschen in psychosozialen Notlagen hilft. "Nachdem der erste Shutdown beendet war, gab es einen Beratungsstau", so Brose. Erst vor wenigen Wochen habe sich die Situation wieder normalisiert. "Jetzt müssen wir sehen, dass wir die Angebote nicht abreißen lassen", so Brose. Vielfach werde deshalb auch auf telefonische oder Online-Beratungen gesetzt.

In Berlin gibt es – wie bundesweit – ein mehrstufiges Hilfesystem für Suchtkranke. Dazu zählen neben den Beratungsstellen auch Entzugsstationen der Krankenhäuser, Entwöhnungskliniken, ambulante Einrichtungen und Selbsthilfegruppen.

Darius Chahmoradi Tabatabai ist Chefarzt der Berliner Hartmut-Spittler-Fachklinik im Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, einer Entwöhnungseinrichtung mit 87 Plätzen. Von denen sind derzeit nur etwa 60 Prozent belegt, weil die Rehabilitanden momentan nur in Einzelzimmern untergebracht werden können. Das führe auch dazu, dass sich die Wartezeit erhöhe, sagt Chahmoradi Tabatabai. "Wenn jetzt jemand anruft, müssen wir ihm sagen, dass wir ihn wahrscheinlich erst im kommenden Jahr sehen. Dabei ist eine lückenlose Betreuung sehr wichtig", so der Chefarzt.

Das Problem der Personalgewinnung

"In der Pandemie werden die Wunden bloß gelegt", meint er mit Blick auf das System. Die Suchthilfe sei zwar auf einem relativ hohen Niveau ausgebaut, doch die Pandemie verschärfe Finanzierungslücken gerade im Bereich der Entwöhnungskliniken. Perspektivisch werde es für viele Träger damit auch immer schwerer, Personal zu gewinnen. "Mit den Tarifen in Krankenhäusern können viele Fachkliniken nicht mithalten", so der Psychiater.

Und die vorhandenen Mitarbeiter müssten möglichst so eingesetzt werden, dass sie sich und die Bewohner vor einer Corona-Infektion schützen. "In unseren Gruppen haben wir immer zwei Ansprechpartner. Diese Kollegen arbeiten nun abwechselnd wochenweise, damit wir das Ansteckungsrisiko minimieren", berichtet der Chefarzt. "Vorgespräche führen wir nur noch telefonisch und unsere großen Gruppentreffen mit über 50 Personen können wir auch nicht mehr durchführen", berichtet Chahmoradi Tabatabai.

Konsum verlagert sich nach Hause

Selbst bei kleineren Gruppentreffen herrscht demnach nun eine andere Atmosphäre als sonst: Die Teilnehmer sitzen mit Masken und häufig auch mit Jacke im Raum, da regelmäßig gelüftet wird. "Auch viel Kontakt untereinander fällt nun weg", berichtet der Arzt. Beim Essen seien normalerweise Vierertische üblich, an denen sich die Rehabilitanden austauschen können. Nun müsse jeder allein an einem Tisch sitzen und soll dabei möglichst wenig sprechen, um den Anteil der Aerosole in der Luft zu verringern.

Chahmoradi Tabatabai sagt, er sei sich noch unsicher, ob es durch die Pandemie zu einer Zunahme von Konsumstörungen kommt. In den Gaststätten werde nun kein Alkohol mehr konsumiert, dafür verlagere sich ein Teil des Konsums nach Hause. Er gehe eher davon aus, dass einige Verläufe schwerer werden können. "Diejenigen, die ohnehin Schwierigkeiten haben, in Hilfen zu kommen, haben nun noch höhere Hürden zu überbrücken. Hier könnten sich die Störungen verschärfen", so der Arzt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website